Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
Theresiade
"Erlaubet also mir, daß ich den Schluß verfasse,
100"Und jener Freundinn dort den Ausspruch überlasse.
"Nichts ist so zweifelhaft, verwirret und zerstreut,
"So sie nicht von dem Schleyr der Dunckelheit befreyt.
Er zeigte mit der Hand, und wo er hin gedeutet,
Hat ihm fast jedes Aug im Kreiß herum begleitet.
105Er sah nach der Matron mit jenem Sonnen Schild,
Die mich beym ersten Blick der Stadt mit Lust erfüllt.
Er sagte: "Tritt hervor das Streiten abzustellen;
"Du, Wahrheit! wirst allhier den besten Ausspruch fällen.
"Stimmt ihr nicht insgesamt mit diesem Vorschlag ein,
110"Daß, was die Wahrheit schließt, beschlossen solle seyn?
Der Kreiß bezeigte sich den Vortrag zu bejahen;
Dann wir die Neigungen, des Beyfalls Zeichen, sahen.
Die Wahrheit gieng hervor. Was ungemeiner Glanz
Umschimmerte den Schild, den ein Jubelen-Kranz
115Noch mehr verherrlichte; man sah die bunten Strahlen,
Die leuchtende Person mit solcher Pracht bemahlen,
Daß meiner Augen Macht sich durch den Schein geblendt,
Und ich dieselbige fast nimmermehr erkennt;
Biß allgemach des Lichts Verschwendung sich gemindert,
120Und ich, da das Gepräng des Scheins nichts mehr gehindert,
Die Freundinn angesehn. Mein Aug ergözte sich
Jn ihren Kleidungen, sie waren Königlich.
Sie
Thereſiade
„Erlaubet alſo mir, daß ich den Schluß verfaſſe,
100„Und jener Freundinn dort den Ausſpruch uͤberlaſſe.
„Nichts iſt ſo zweifelhaft, verwirret und zerſtreut,
„So ſie nicht von dem Schleyr der Dunckelheit befreyt.
Er zeigte mit der Hand, und wo er hin gedeutet,
Hat ihm faſt jedes Aug im Kreiß herum begleitet.
105Er ſah nach der Matron mit jenem Sonnen Schild,
Die mich beym erſten Blick der Stadt mit Luſt erfuͤllt.
Er ſagte: „Tritt hervor das Streiten abzuſtellen;
„Du, Wahrheit! wirſt allhier den beſten Ausſpruch faͤllen.
„Stimmt ihr nicht insgeſamt mit dieſem Vorſchlag ein,
110„Daß, was die Wahrheit ſchließt, beſchloſſen ſolle ſeyn?
Der Kreiß bezeigte ſich den Vortrag zu bejahen;
Dann wir die Neigungen, des Beyfalls Zeichen, ſahen.
Die Wahrheit gieng hervor. Was ungemeiner Glanz
Umſchimmerte den Schild, den ein Jubelen-Kranz
115Noch mehr verherꝛlichte; man ſah die bunten Strahlen,
Die leuchtende Perſon mit ſolcher Pracht bemahlen,
Daß meiner Augen Macht ſich durch den Schein geblendt,
Und ich dieſelbige faſt nimmermehr erkennt;
Biß allgemach des Lichts Verſchwendung ſich gemindert,
120Und ich, da das Gepraͤng des Scheins nichts mehr gehindert,
Die Freundinn angeſehn. Mein Aug ergoͤzte ſich
Jn ihren Kleidungen, ſie waren Koͤniglich.
Sie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0068"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">There&#x017F;iade</hi> </fw><lb/>
            <l>&#x201E;Erlaubet al&#x017F;o mir, daß ich den Schluß verfa&#x017F;&#x017F;e,</l><lb/>
            <l><note place="left">100</note>&#x201E;Und jener Freundinn dort den Aus&#x017F;pruch u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;e.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Nichts i&#x017F;t &#x017F;o zweifelhaft, verwirret und zer&#x017F;treut,</l><lb/>
            <l>&#x201E;So &#x017F;ie nicht von dem Schleyr der Dunckelheit befreyt.</l>
          </lg><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Er zeigte mit der Hand, und wo er hin gedeutet,</l><lb/>
            <l>Hat ihm fa&#x017F;t jedes Aug im Kreiß herum begleitet.</l><lb/>
            <l><note place="left">105</note>Er &#x017F;ah nach der Matron mit jenem Sonnen Schild,</l><lb/>
            <l>Die mich beym er&#x017F;ten Blick der Stadt mit Lu&#x017F;t erfu&#x0364;llt.</l><lb/>
            <l>Er &#x017F;agte: &#x201E;Tritt hervor das Streiten abzu&#x017F;tellen;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Du, <hi rendition="#fr">Wahrheit!</hi> wir&#x017F;t allhier den be&#x017F;ten Aus&#x017F;pruch fa&#x0364;llen.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Stimmt ihr nicht insge&#x017F;amt mit die&#x017F;em Vor&#x017F;chlag ein,</l><lb/>
            <l><note place="left">110</note>&#x201E;Daß, was die Wahrheit &#x017F;chließt, be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;olle &#x017F;eyn?</l>
          </lg><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Der Kreiß bezeigte &#x017F;ich den Vortrag zu bejahen;</l><lb/>
            <l>Dann wir die Neigungen, des Beyfalls Zeichen, &#x017F;ahen.</l><lb/>
            <l>Die Wahrheit gieng hervor. Was ungemeiner Glanz</l><lb/>
            <l>Um&#x017F;chimmerte den Schild, den ein Jubelen-Kranz</l><lb/>
            <l><note place="left">115</note>Noch mehr verher&#xA75B;lichte; man &#x017F;ah die bunten Strahlen,</l><lb/>
            <l>Die leuchtende Per&#x017F;on mit &#x017F;olcher Pracht bemahlen,</l><lb/>
            <l>Daß meiner Augen Macht &#x017F;ich durch den Schein geblendt,</l><lb/>
            <l>Und ich die&#x017F;elbige fa&#x017F;t nimmermehr erkennt;</l><lb/>
            <l>Biß allgemach des Lichts Ver&#x017F;chwendung &#x017F;ich gemindert,</l><lb/>
            <l><note place="left">120</note>Und ich, da das Gepra&#x0364;ng des Scheins nichts mehr gehindert,</l><lb/>
            <l>Die Freundinn ange&#x017F;ehn. Mein Aug ergo&#x0364;zte &#x017F;ich</l><lb/>
            <l>Jn ihren Kleidungen, &#x017F;ie waren Ko&#x0364;niglich.</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Sie</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0068] Thereſiade „Erlaubet alſo mir, daß ich den Schluß verfaſſe, „Und jener Freundinn dort den Ausſpruch uͤberlaſſe. „Nichts iſt ſo zweifelhaft, verwirret und zerſtreut, „So ſie nicht von dem Schleyr der Dunckelheit befreyt. Er zeigte mit der Hand, und wo er hin gedeutet, Hat ihm faſt jedes Aug im Kreiß herum begleitet. Er ſah nach der Matron mit jenem Sonnen Schild, Die mich beym erſten Blick der Stadt mit Luſt erfuͤllt. Er ſagte: „Tritt hervor das Streiten abzuſtellen; „Du, Wahrheit! wirſt allhier den beſten Ausſpruch faͤllen. „Stimmt ihr nicht insgeſamt mit dieſem Vorſchlag ein, „Daß, was die Wahrheit ſchließt, beſchloſſen ſolle ſeyn? Der Kreiß bezeigte ſich den Vortrag zu bejahen; Dann wir die Neigungen, des Beyfalls Zeichen, ſahen. Die Wahrheit gieng hervor. Was ungemeiner Glanz Umſchimmerte den Schild, den ein Jubelen-Kranz Noch mehr verherꝛlichte; man ſah die bunten Strahlen, Die leuchtende Perſon mit ſolcher Pracht bemahlen, Daß meiner Augen Macht ſich durch den Schein geblendt, Und ich dieſelbige faſt nimmermehr erkennt; Biß allgemach des Lichts Verſchwendung ſich gemindert, Und ich, da das Gepraͤng des Scheins nichts mehr gehindert, Die Freundinn angeſehn. Mein Aug ergoͤzte ſich Jn ihren Kleidungen, ſie waren Koͤniglich. Sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/68
Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/68>, abgerufen am 03.05.2024.