Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
Siebendes Buch.
Die Weisheit fieng auch an, doch blieb sie wieder still
Und sprach nur Seitwärts dieß: "Die weiß nicht, was sie will:
35"Jhr Eigensinn vermeint, man soll nur sie verehren;
"Das wär ja die Vernunft in blinden Wiz verkehren.
Die welche von dem Glück so redte, ließ nicht nach,
Sie suchte mit Getöß den Vorzug, da sie sprach:
"Stünd ich von euch entfernt, so wär der Abgrund offen,
40"Und ihr verschmachtetet für unfruchtbarem Hoffen.
"Wie manches Mahl verlohr der Feind so Maß als Ziel?
"Warum? ich machte mir aus seinem Krieg ein Spiel.
"Hat er nicht oft zu fruh, zu spät, umsonst gewachet,
"Warum? weil ihr mit mir von euern Waffen sprachet;
45"Jch ware stets mit euch, mit euch hielt' ich mich auf,
"Und lenckte das Geschick in einen treuen Lauf.
"Wann euer Feind von mir nur einen Blick verspührte,
"So war es, wann ich ihn zu dem Verderben führte.
"Halff nicht oft ein Morast, ein Regen, oder Frost,
50"Auch selbst der Feinde Zwist? der war euch oft zum Trost.
"Erweget, wie das Meer so gar sich einst erweckte,
"Und durch der Winde Grimm der Feinde Stolz erschreckte;
"Wem schreibt ihr dieses zu? spracht ihr nicht: das Geschick,
"Der Umstand, dieser Fall ist unsrer Waffen Glück!
55"Jhr selber rieffet auf: des Feindes Unglücks-Fälle!
"Warum benanntet ihr sie nicht des Glückes Quelle?
Jn-
B b 2
Siebendes Buch.
Die Weisheit fieng auch an, doch blieb ſie wieder ſtill
Und ſprach nur Seitwaͤrts dieß: „Die weiß nicht, was ſie will:
35„Jhr Eigenſinn vermeint, man ſoll nur ſie verehren;
„Das waͤr ja die Vernunft in blinden Wiz verkehren.
Die welche von dem Gluͤck ſo redte, ließ nicht nach,
Sie ſuchte mit Getoͤß den Vorzug, da ſie ſprach:
„Stuͤnd ich von euch entfernt, ſo waͤr der Abgrund offen,
40„Und ihr verſchmachtetet fuͤr unfruchtbarem Hoffen.
„Wie manches Mahl verlohr der Feind ſo Maß als Ziel?
„Warum? ich machte mir aus ſeinem Krieg ein Spiel.
„Hat er nicht oft zu fruh, zu ſpaͤt, umſonſt gewachet,
„Warum? weil ihr mit mir von euern Waffen ſprachet;
45„Jch ware ſtets mit euch, mit euch hielt’ ich mich auf,
„Und lenckte das Geſchick in einen treuen Lauf.
„Wann euer Feind von mir nur einen Blick verſpuͤhrte,
„So war es, wann ich ihn zu dem Verderben fuͤhrte.
„Halff nicht oft ein Moraſt, ein Regen, oder Froſt,
50„Auch ſelbſt der Feinde Zwiſt? der war euch oft zum Troſt.
„Erweget, wie das Meer ſo gar ſich einſt erweckte,
„Und durch der Winde Grimm der Feinde Stolz erſchreckte;
„Wem ſchreibt ihr dieſes zu? ſpracht ihr nicht: das Geſchick,
„Der Umſtand, dieſer Fall iſt unſrer Waffen Gluͤck!
55„Jhr ſelber rieffet auf: des Feindes Ungluͤcks-Faͤlle!
„Warum benanntet ihr ſie nicht des Gluͤckes Quelle?
Jn-
B b 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0005"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Siebendes Buch.</hi> </fw><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Die Weisheit fieng auch an, doch blieb &#x017F;ie wieder &#x017F;till</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;prach nur Seitwa&#x0364;rts dieß: &#x201E;Die weiß nicht, was &#x017F;ie will:</l><lb/>
            <l><note place="left">35</note>&#x201E;Jhr Eigen&#x017F;inn vermeint, man &#x017F;oll nur &#x017F;ie verehren;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Das wa&#x0364;r ja die Vernunft in blinden Wiz verkehren.</l><lb/>
            <l>Die welche von dem Glu&#x0364;ck &#x017F;o redte, ließ nicht nach,</l><lb/>
            <l>Sie &#x017F;uchte mit Geto&#x0364;ß den Vorzug, da &#x017F;ie &#x017F;prach:</l><lb/>
            <l>&#x201E;Stu&#x0364;nd ich von euch entfernt, &#x017F;o wa&#x0364;r der Abgrund offen,</l><lb/>
            <l><note place="left">40</note>&#x201E;Und ihr ver&#x017F;chmachtetet fu&#x0364;r unfruchtbarem Hoffen.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Wie manches Mahl verlohr der Feind &#x017F;o Maß als Ziel?</l><lb/>
            <l>&#x201E;Warum? ich machte mir aus &#x017F;einem Krieg ein Spiel.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Hat er nicht oft zu fruh, zu &#x017F;pa&#x0364;t, um&#x017F;on&#x017F;t gewachet,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Warum? weil ihr mit mir von euern Waffen &#x017F;prachet;</l><lb/>
            <l><note place="left">45</note>&#x201E;Jch ware &#x017F;tets mit euch, mit euch hielt&#x2019; ich mich auf,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Und lenckte das Ge&#x017F;chick in einen treuen Lauf.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Wann euer Feind von mir nur einen Blick ver&#x017F;pu&#x0364;hrte,</l><lb/>
            <l>&#x201E;So war es, wann ich ihn zu dem Verderben fu&#x0364;hrte.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Halff nicht oft ein Mora&#x017F;t, ein Regen, oder Fro&#x017F;t,</l><lb/>
            <l><note place="left">50</note>&#x201E;Auch &#x017F;elb&#x017F;t der Feinde Zwi&#x017F;t? der war euch oft zum Tro&#x017F;t.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Erweget, wie das Meer &#x017F;o gar &#x017F;ich ein&#x017F;t erweckte,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Und durch der Winde Grimm der Feinde Stolz er&#x017F;chreckte;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Wem &#x017F;chreibt ihr die&#x017F;es zu? &#x017F;pracht ihr nicht: das Ge&#x017F;chick,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Der Um&#x017F;tand, die&#x017F;er Fall i&#x017F;t un&#x017F;rer Waffen Glu&#x0364;ck!</l><lb/>
            <l><note place="left">55</note>&#x201E;Jhr &#x017F;elber rieffet auf: des Feindes Unglu&#x0364;cks-Fa&#x0364;lle!</l><lb/>
            <l>&#x201E;Warum benanntet ihr &#x017F;ie nicht des Glu&#x0364;ckes Quelle?</l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">B b 2</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Jn-</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0005] Siebendes Buch. Die Weisheit fieng auch an, doch blieb ſie wieder ſtill Und ſprach nur Seitwaͤrts dieß: „Die weiß nicht, was ſie will: „Jhr Eigenſinn vermeint, man ſoll nur ſie verehren; „Das waͤr ja die Vernunft in blinden Wiz verkehren. Die welche von dem Gluͤck ſo redte, ließ nicht nach, Sie ſuchte mit Getoͤß den Vorzug, da ſie ſprach: „Stuͤnd ich von euch entfernt, ſo waͤr der Abgrund offen, „Und ihr verſchmachtetet fuͤr unfruchtbarem Hoffen. „Wie manches Mahl verlohr der Feind ſo Maß als Ziel? „Warum? ich machte mir aus ſeinem Krieg ein Spiel. „Hat er nicht oft zu fruh, zu ſpaͤt, umſonſt gewachet, „Warum? weil ihr mit mir von euern Waffen ſprachet; „Jch ware ſtets mit euch, mit euch hielt’ ich mich auf, „Und lenckte das Geſchick in einen treuen Lauf. „Wann euer Feind von mir nur einen Blick verſpuͤhrte, „So war es, wann ich ihn zu dem Verderben fuͤhrte. „Halff nicht oft ein Moraſt, ein Regen, oder Froſt, „Auch ſelbſt der Feinde Zwiſt? der war euch oft zum Troſt. „Erweget, wie das Meer ſo gar ſich einſt erweckte, „Und durch der Winde Grimm der Feinde Stolz erſchreckte; „Wem ſchreibt ihr dieſes zu? ſpracht ihr nicht: das Geſchick, „Der Umſtand, dieſer Fall iſt unſrer Waffen Gluͤck! „Jhr ſelber rieffet auf: des Feindes Ungluͤcks-Faͤlle! „Warum benanntet ihr ſie nicht des Gluͤckes Quelle? Jn- B b 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/5
Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/5>, abgerufen am 23.04.2024.