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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.

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Siebendes Buch.
(Bey diesen Worten fieng der Greiß zu lächeln an,
Als hätt er diese Frag aus stillem Scherz gethan)
"So will ich, ohne mich durch Prahlen auszubreiten,
420"Zu meinem eignen Lob durch diese Frage schreiten:
"Wer hat von euch mich nicht in jedem Fall gefragt?
"Wer hat es nicht befolgt, wann ich ein Wort gesagt?
"So machet den Beschluß. Nun auf den Rath zu kommen
"Den ihr von mir verlangt: Jch habe wahr genommen,
425"Daß alles strittig sey; was jede bey der Sach
"Sich vor Versprechungen zu diesem Vorzug mach.
"Man will die Königinn unwiedersprechlich ehren,
"Und ihrer Thaten Ruhm durch diesen Streit vermehren?
"Mein, sagt mir! ist die Welt nicht alles dessen voll?
430"Sagt! wie man ihrem Glanz mehr Schimmer geben soll?
"Und konntet ihr nicht oft in ihren Augen lesen,
"Daß allzeit ihr die Pracht unangenehm gewesen?
"Was Pomp ist, haßt ihr Herz. Jedoch gesezt, ich blieb
"Mit euerm Vorschlag eins; ist dieß nicht euer Trieb?
435"Wie taugte dieser Streit nach Würde sie zu loben?
"Beweiset diesen Saz, und macht etwelche Proben!
"Nein! alles ist umsonst! vernehmet die Geschicht,
"Von welcher die Natur in ihren Büchern spricht.
"Der Mond erhob sich einst die Sonne zu betrachten,
440"So fieng er an, sich selbst erstaunend zu verachten.
"Er
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Siebendes Buch.
(Bey dieſen Worten fieng der Greiß zu laͤcheln an,
Als haͤtt er dieſe Frag aus ſtillem Scherz gethan)
„So will ich, ohne mich durch Prahlen auszubreiten,
420„Zu meinem eignen Lob durch dieſe Frage ſchreiten:
„Wer hat von euch mich nicht in jedem Fall gefragt?
„Wer hat es nicht befolgt, wann ich ein Wort geſagt?
„So machet den Beſchluß. Nun auf den Rath zu kom̃en
„Den ihr von mir verlangt: Jch habe wahr genommen,
425„Daß alles ſtrittig ſey; was jede bey der Sach
„Sich vor Verſprechungen zu dieſem Vorzug mach.
„Man will die Koͤniginn unwiederſprechlich ehren,
„Und ihrer Thaten Ruhm durch dieſen Streit vermehren?
„Mein, ſagt mir! iſt die Welt nicht alles deſſen voll?
430„Sagt! wie man ihrem Glanz mehr Schimmer geben ſoll?
„Und konntet ihr nicht oft in ihren Augen leſen,
„Daß allzeit ihr die Pracht unangenehm geweſen?
„Was Pomp iſt, haßt ihr Herz. Jedoch geſezt, ich blieb
„Mit euerm Vorſchlag eins; iſt dieß nicht euer Trieb?
435„Wie taugte dieſer Streit nach Wuͤrde ſie zu loben?
„Beweiſet dieſen Saz, und macht etwelche Proben!
„Nein! alles iſt umſonſt! vernehmet die Geſchicht,
„Von welcher die Natur in ihren Buͤchern ſpricht.
„Der Mond erhob ſich einſt die Sonne zu betrachten,
440„So fieng er an, ſich ſelbſt erſtaunend zu verachten.
„Er
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[0021] Siebendes Buch. (Bey dieſen Worten fieng der Greiß zu laͤcheln an, Als haͤtt er dieſe Frag aus ſtillem Scherz gethan) „So will ich, ohne mich durch Prahlen auszubreiten, „Zu meinem eignen Lob durch dieſe Frage ſchreiten: „Wer hat von euch mich nicht in jedem Fall gefragt? „Wer hat es nicht befolgt, wann ich ein Wort geſagt? „So machet den Beſchluß. Nun auf den Rath zu kom̃en „Den ihr von mir verlangt: Jch habe wahr genommen, „Daß alles ſtrittig ſey; was jede bey der Sach „Sich vor Verſprechungen zu dieſem Vorzug mach. „Man will die Koͤniginn unwiederſprechlich ehren, „Und ihrer Thaten Ruhm durch dieſen Streit vermehren? „Mein, ſagt mir! iſt die Welt nicht alles deſſen voll? „Sagt! wie man ihrem Glanz mehr Schimmer geben ſoll? „Und konntet ihr nicht oft in ihren Augen leſen, „Daß allzeit ihr die Pracht unangenehm geweſen? „Was Pomp iſt, haßt ihr Herz. Jedoch geſezt, ich blieb „Mit euerm Vorſchlag eins; iſt dieß nicht euer Trieb? „Wie taugte dieſer Streit nach Wuͤrde ſie zu loben? „Beweiſet dieſen Saz, und macht etwelche Proben! „Nein! alles iſt umſonſt! vernehmet die Geſchicht, „Von welcher die Natur in ihren Buͤchern ſpricht. „Der Mond erhob ſich einſt die Sonne zu betrachten, „So fieng er an, ſich ſelbſt erſtaunend zu verachten. „Er D d 2

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/21>, abgerufen am 28.03.2024.