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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.

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Zwölfftes Buch.
"Wie hörtet ihr, was ich hier zum erwegen bringe,
"Wann nicht der Kreiß der Luft durch mein Gespräch erklünge?
"Befände sich des Meers Umgrenzung loßgedämmt,
"So wär das Vaterland und wir mit ihm verschwemmt;
365"Was würde den Bezirck des Felds mit Thau befeuchten,
"Wann nur der Sonne Schein sollt unabwechselnd leuchten?
"Hätt GOtt die Körper leicht und keinen schwer verschafft,
"Was wär der Erde Ball? des Undings Eigenschaft.
"Gesezt, wir wüßten nichts von Kleinheit oder Grösse;
370"Was wär das, so den Werth der Tugend in sich schlösse?
"Betrachtet jedes Leibs Einstimmigkeit und Kraft!
"So seht ihr, daß kein Theil nicht andern Vortheil schafft,
"Und dannoch kann er nicht der andern Hilff entbähren;
"Steht der nicht jenem bey? muß der nicht jenen nähren?
375"Durchgeht das Meer, die Luft, der Erden Grund und Fläche!
"Jhr findet kein Geschöpf, das meinen Vortrag schwäche.
"Das Herz erhält sich nicht als durch des Hirnes Geist;
"Wogegen dieser sich nicht als durch jenes speißt.
"Was treibt sie beyderseits in diese Gegenregung?
380"Die Luft und ihrer Last stets druckende Bewegung.
"Seht hin, wohin ihr wollt! es dienet jeder Kreiß
"Zu meiner Rede Grund, Behauptung, und Beweis;
"Es schwinget alles sich in Ordnung auf und nieder;
"Was GOtt erschuff, geht nur zum Helffen hin und wieder.
385 "Ge-
Zwoͤlfftes Buch.
„Wie hoͤrtet ihr, was ich hier zum erwegen bringe,
„Wann nicht der Kreiß der Luft durch mein Geſpraͤch erkluͤnge?
„Befaͤnde ſich des Meers Umgrenzung loßgedaͤmmt,
„So waͤr das Vaterland und wir mit ihm verſchwemmt;
365„Was wuͤrde den Bezirck des Felds mit Thau befeuchten,
„Wann nur der Sonne Schein ſollt unabwechſelnd leuchten?
„Haͤtt GOtt die Koͤrper leicht und keinen ſchwer verſchafft,
„Was waͤr der Erde Ball? des Undings Eigenſchaft.
„Geſezt, wir wuͤßten nichts von Kleinheit oder Groͤſſe;
370„Was waͤr das, ſo den Werth der Tugend in ſich ſchloͤſſe?
„Betrachtet jedes Leibs Einſtimmigkeit und Kraft!
„So ſeht ihr, daß kein Theil nicht andern Vortheil ſchafft,
„Und dannoch kann er nicht der andern Hilff entbaͤhren;
„Steht der nicht jenem bey? muß der nicht jenen naͤhren?
375„Durchgeht das Meer, die Luft, der Erden Grund und Flaͤche!
„Jhr findet kein Geſchoͤpf, das meinen Vortrag ſchwaͤche.
„Das Herz erhaͤlt ſich nicht als durch des Hirnes Geiſt;
„Wogegen dieſer ſich nicht als durch jenes ſpeißt.
„Was treibt ſie beyderſeits in dieſe Gegenregung?
380„Die Luft und ihrer Laſt ſtets druckende Bewegung.
„Seht hin, wohin ihr wollt! es dienet jeder Kreiß
„Zu meiner Rede Grund, Behauptung, und Beweis;
„Es ſchwinget alles ſich in Ordnung auf und nieder;
„Was GOtt erſchuff, geht nur zum Helffen hin und wieder.
385 „Ge-
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[0161] Zwoͤlfftes Buch. „Wie hoͤrtet ihr, was ich hier zum erwegen bringe, „Wann nicht der Kreiß der Luft durch mein Geſpraͤch erkluͤnge? „Befaͤnde ſich des Meers Umgrenzung loßgedaͤmmt, „So waͤr das Vaterland und wir mit ihm verſchwemmt; „Was wuͤrde den Bezirck des Felds mit Thau befeuchten, „Wann nur der Sonne Schein ſollt unabwechſelnd leuchten? „Haͤtt GOtt die Koͤrper leicht und keinen ſchwer verſchafft, „Was waͤr der Erde Ball? des Undings Eigenſchaft. „Geſezt, wir wuͤßten nichts von Kleinheit oder Groͤſſe; „Was waͤr das, ſo den Werth der Tugend in ſich ſchloͤſſe? „Betrachtet jedes Leibs Einſtimmigkeit und Kraft! „So ſeht ihr, daß kein Theil nicht andern Vortheil ſchafft, „Und dannoch kann er nicht der andern Hilff entbaͤhren; „Steht der nicht jenem bey? muß der nicht jenen naͤhren? „Durchgeht das Meer, die Luft, der Erden Grund und Flaͤche! „Jhr findet kein Geſchoͤpf, das meinen Vortrag ſchwaͤche. „Das Herz erhaͤlt ſich nicht als durch des Hirnes Geiſt; „Wogegen dieſer ſich nicht als durch jenes ſpeißt. „Was treibt ſie beyderſeits in dieſe Gegenregung? „Die Luft und ihrer Laſt ſtets druckende Bewegung. „Seht hin, wohin ihr wollt! es dienet jeder Kreiß „Zu meiner Rede Grund, Behauptung, und Beweis; „Es ſchwinget alles ſich in Ordnung auf und nieder; „Was GOtt erſchuff, geht nur zum Helffen hin und wieder. 385 „Ge-

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/161>, abgerufen am 04.05.2024.