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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.

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Theresiade
"Was nüzt ihr weiches Herz? die Staats-Kunst was ist sie,
"Wann die Bescheidenheit nicht mitwirckt? eitle Müh.
"Die Güte sonder Rath? wer kennt nicht jenen Schaden,
340"Der oft daher entspringt? sie mißbraucht Huld und Gnaden.
"Die Weisheit, spricht vielleicht die Weiseste von euch,
"Jst die Vortrefflichste; wo nicht? doch allen gleich.
"Es sey: was könnt jedoch ihr weises Herrschen nüzen,
"Wann nicht die Frömmigkeit den Zepter würde stüzen?
345"Gesezt auch: diese wär zum Oberhaupt gemacht;
"Was wirckte sie, wann nicht mit ihr die Weisheit wacht?
"Gnad, Anmuth, Reiz und Huld seynd allzeit hoch geschäzet,
"Wie? wann die Redlichkeit sich nicht zu ihnen sezet.
"Allein ich gebe zu, daß meine Meinung fehlt,
350"Und jede diesen Plaz mit Recht für sich erwählt.
"Sagt: meine Sorge sey betrüglich oder nichtig;
"Nennt jede von dem Rath zum Herrschungs-Ruder tüchtig;
"Ja wann ihr insgesammt zum Herrschen einig seyt
"So lasset Eine nur entfernt: die Danckbarkeit;
355"Alsdann geht hin, regiert und waltet nach Belieben;
"Was folgte, wann ihr nicht die Tugend würdet üben?
"Jch gründe meinen Schluß auf den bekannten Spruch:
"Der Undanck stiftet nichts, als steten Friedens-Bruch.
"Was hält der Erde Rund? der Sterne Kreiß? die Welt?
360"Des Wercks Zusammenhang, in den es GOtt gestellt.
"Wie
Thereſiade
„Was nuͤzt ihr weiches Herz? die Staats-Kunſt was iſt ſie,
„Wann die Beſcheidenheit nicht mitwirckt? eitle Muͤh.
„Die Guͤte ſonder Rath? wer kennt nicht jenen Schaden,
340„Der oft daher entſpringt? ſie mißbraucht Huld und Gnaden.
„Die Weisheit, ſpricht vielleicht die Weiſeſte von euch,
„Jſt die Vortrefflichſte; wo nicht? doch allen gleich.
„Es ſey: was koͤnnt jedoch ihr weiſes Herꝛſchen nuͤzen,
„Wann nicht die Froͤmmigkeit den Zepter wuͤrde ſtuͤzen?
345„Geſezt auch: dieſe waͤr zum Oberhaupt gemacht;
„Was wirckte ſie, wann nicht mit ihr die Weisheit wacht?
„Gnad, Anmuth, Reiz und Huld ſeynd allzeit hoch geſchaͤzet,
„Wie? wann die Redlichkeit ſich nicht zu ihnen ſezet.
„Allein ich gebe zu, daß meine Meinung fehlt,
350„Und jede dieſen Plaz mit Recht fuͤr ſich erwaͤhlt.
„Sagt: meine Sorge ſey betruͤglich oder nichtig;
„Nennt jede von dem Rath zum Herꝛſchungs-Ruder tuͤchtig;
„Ja wann ihr insgeſammt zum Herꝛſchen einig ſeyt
„So laſſet Eine nur entfernt: die Danckbarkeit;
355„Alsdann geht hin, regiert und waltet nach Belieben;
„Was folgte, wann ihr nicht die Tugend wuͤrdet uͤben?
„Jch gruͤnde meinen Schluß auf den bekannten Spruch:
„Der Undanck ſtiftet nichts, als ſteten Friedens-Bruch.
„Was haͤlt der Erde Rund? der Sterne Kreiß? die Welt?
360„Des Wercks Zuſammenhang, in den es GOtt geſtellt.
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[0160] Thereſiade „Was nuͤzt ihr weiches Herz? die Staats-Kunſt was iſt ſie, „Wann die Beſcheidenheit nicht mitwirckt? eitle Muͤh. „Die Guͤte ſonder Rath? wer kennt nicht jenen Schaden, „Der oft daher entſpringt? ſie mißbraucht Huld und Gnaden. „Die Weisheit, ſpricht vielleicht die Weiſeſte von euch, „Jſt die Vortrefflichſte; wo nicht? doch allen gleich. „Es ſey: was koͤnnt jedoch ihr weiſes Herꝛſchen nuͤzen, „Wann nicht die Froͤmmigkeit den Zepter wuͤrde ſtuͤzen? „Geſezt auch: dieſe waͤr zum Oberhaupt gemacht; „Was wirckte ſie, wann nicht mit ihr die Weisheit wacht? „Gnad, Anmuth, Reiz und Huld ſeynd allzeit hoch geſchaͤzet, „Wie? wann die Redlichkeit ſich nicht zu ihnen ſezet. „Allein ich gebe zu, daß meine Meinung fehlt, „Und jede dieſen Plaz mit Recht fuͤr ſich erwaͤhlt. „Sagt: meine Sorge ſey betruͤglich oder nichtig; „Nennt jede von dem Rath zum Herꝛſchungs-Ruder tuͤchtig; „Ja wann ihr insgeſammt zum Herꝛſchen einig ſeyt „So laſſet Eine nur entfernt: die Danckbarkeit; „Alsdann geht hin, regiert und waltet nach Belieben; „Was folgte, wann ihr nicht die Tugend wuͤrdet uͤben? „Jch gruͤnde meinen Schluß auf den bekannten Spruch: „Der Undanck ſtiftet nichts, als ſteten Friedens-Bruch. „Was haͤlt der Erde Rund? der Sterne Kreiß? die Welt? „Des Wercks Zuſammenhang, in den es GOtt geſtellt. „Wie

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/160>, abgerufen am 05.05.2024.