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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746.

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Zweytes Buch.
"Es sey schon alles aus; der Zweifel helffe nimmer;
"Die Sachen würden nur durch widerstehen schlimmer;
"Ohnmöglich könne sie so grosser Feindes Macht,
315"Die sich der halben Welt genug gewachsen acht,
"Nur einen Augenblick des Degens Spitze zeigen;
"Man müsse selbige vor solcher Stärcke neigen;
"Es nutze kein Gewehr, man brauche kein Geräth,
"Was immer hilflich sey, das komme viel zu spät.

320
"Gesetzt, sie wär zum Schluß in solchem Wahn verharret,
"Sprecht! wären wir nicht schon, wer sagt mir wo? verscharret?
"Wo suchte man den Kreiß? wo wär das Kronen-Haus?
"Sagt! wär nicht ohne mich schon längstens alles aus?
"Der sich schon fast ergibt, entrinnt oft den Gefahren,
325"Und weiß für Schauer nicht, wer seine Retter waren;
"Dem man mit Untergang, mit Schwert und Dolchen droht,
"Erlangt oft ohngefähr Beschützung in der Noth;
"Warum? sie zweifeln noch, ob Mittel auszufinden:
"Der Zweifel zeigt den Weeg, sich aus der Angst zu winden.
330
"Mit solcher Art hab ich früh, spät, ja Tag und Nacht
"Jm Geist der Königinn den Sachen nachgedacht;
"Nichts fand' ich zu gering, was etwann konnt geschehen,
"So wir nicht ausgeforscht und gründlich durchgesehen,
"Wir haben an der Hand fast alles abgezählt,
335"Biß endlich sie den Schluß, den klügsten Schluß erwählt.
Liegt
H 2

Zweytes Buch.
„Es ſey ſchon alles aus; der Zweifel helffe nimmer;
„Die Sachen wuͤrden nur durch widerſtehen ſchlimmer;
„Ohnmoͤglich koͤnne ſie ſo groſſer Feindes Macht,
315„Die ſich der halben Welt genug gewachſen acht,
„Nur einen Augenblick des Degens Spitze zeigen;
„Man muͤſſe ſelbige vor ſolcher Staͤrcke neigen;
„Es nutze kein Gewehr, man brauche kein Geraͤth,
„Was immer hilflich ſey, das komme viel zu ſpaͤt.

320
„Geſetzt, ſie waͤr zum Schluß in ſolchem Wahn verharret,
„Sprecht! waͤren wir nicht ſchon, wer ſagt mir wo? verſcharret?
„Wo ſuchte man den Kreiß? wo waͤr das Kronen-Haus?
„Sagt! waͤr nicht ohne mich ſchon laͤngſtens alles aus?
„Der ſich ſchon faſt ergibt, entrinnt oft den Gefahren,
325„Und weiß fuͤr Schauer nicht, wer ſeine Retter waren;
„Dem man mit Untergang, mit Schwert und Dolchen droht,
„Erlangt oft ohngefaͤhr Beſchuͤtzung in der Noth;
„Warum? ſie zweifeln noch, ob Mittel auszufinden:
„Der Zweifel zeigt den Weeg, ſich aus der Angſt zu winden.
330
„Mit ſolcher Art hab ich fruͤh, ſpaͤt, ja Tag und Nacht
„Jm Geiſt der Koͤniginn den Sachen nachgedacht;
„Nichts fand’ ich zu gering, was etwann konnt geſchehen,
„So wir nicht ausgeforſcht und gruͤndlich durchgeſehen,
„Wir haben an der Hand faſt alles abgezaͤhlt,
335„Biß endlich ſie den Schluß, den kluͤgſten Schluß erwaͤhlt.
Liegt
H 2
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[0066] Zweytes Buch. „Es ſey ſchon alles aus; der Zweifel helffe nimmer; „Die Sachen wuͤrden nur durch widerſtehen ſchlimmer; „Ohnmoͤglich koͤnne ſie ſo groſſer Feindes Macht, „Die ſich der halben Welt genug gewachſen acht, „Nur einen Augenblick des Degens Spitze zeigen; „Man muͤſſe ſelbige vor ſolcher Staͤrcke neigen; „Es nutze kein Gewehr, man brauche kein Geraͤth, „Was immer hilflich ſey, das komme viel zu ſpaͤt. „Geſetzt, ſie waͤr zum Schluß in ſolchem Wahn verharret, „Sprecht! waͤren wir nicht ſchon, wer ſagt mir wo? verſcharret? „Wo ſuchte man den Kreiß? wo waͤr das Kronen-Haus? „Sagt! waͤr nicht ohne mich ſchon laͤngſtens alles aus? „Der ſich ſchon faſt ergibt, entrinnt oft den Gefahren, „Und weiß fuͤr Schauer nicht, wer ſeine Retter waren; „Dem man mit Untergang, mit Schwert und Dolchen droht, „Erlangt oft ohngefaͤhr Beſchuͤtzung in der Noth; „Warum? ſie zweifeln noch, ob Mittel auszufinden: „Der Zweifel zeigt den Weeg, ſich aus der Angſt zu winden. „Mit ſolcher Art hab ich fruͤh, ſpaͤt, ja Tag und Nacht „Jm Geiſt der Koͤniginn den Sachen nachgedacht; „Nichts fand’ ich zu gering, was etwann konnt geſchehen, „So wir nicht ausgeforſcht und gruͤndlich durchgeſehen, „Wir haben an der Hand faſt alles abgezaͤhlt, „Biß endlich ſie den Schluß, den kluͤgſten Schluß erwaͤhlt. Liegt H 2

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/66>, abgerufen am 06.05.2024.