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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746.

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Zweytes Buch.
"Hier ließ' ich seinen Sinn mit steten Winden spielen;
265"Biß seine Blicke dort auf welche Breter fielen,
"Die waren von der Flutt im Strohm herum gewiegt.
"Zu gleicher Zeit hatt' ich den Zufall beygefügt:
"Er sah von weiten was sich durch die Lüfte schwingen;
"Das muß ihm, dünckte mich, noch weitern Zweifel bringen:
270"Ein matter Vogel-Schwarm entfliegt nicht aus der See,
"Bracht' ich ihm in den Sinn, nicht aus der Wolcken Höh;
"Er muß von einem Land, nicht von der Luft herkommen;
"Auf solche Weiß hatt' ich denselben eingenommen.
"Kaum war der Zweifel da, so ward der Schluß gefällt:
275"Es sey das Meer umgrentzt; dort sey noch eine Welt;
"Dort halte die Natur den grösten Schatz verborgen:
"So fieng er um die Kunst der Hinfart an zu sorgen.
"Bald dacht er an den Weeg, bald an den fernen Schatz,
"Sie fanden beyde gleich in seiner Hoffnung Platz.
280"Der Weeg versprach ihm Gold, und dieses zeigte Weege;
"So wurde sein Gemüth zum Unternehmen rege.
"Jch stellte seinem Sinn durch meine Forsch-Kunst dar,
"Was nutzlich, hart und schwer, und was gefährlich war.
"Des Meers ergrimmtes Saltz, und sein beschäumtes Brausen
285"Erweckte zwar in ihm für solcher Reise Grausen;
"Jedoch das goldne Land, die fest gehoffte Beüt
"War schmeichelhaft und sprach von nichts als Sicherheit.

"Er
H

Zweytes Buch.
„Hier ließ’ ich ſeinen Sinn mit ſteten Winden ſpielen;
265„Biß ſeine Blicke dort auf welche Breter fielen,
„Die waren von der Flutt im Strohm herum gewiegt.
„Zu gleicher Zeit hatt’ ich den Zufall beygefuͤgt:
„Er ſah von weiten was ſich durch die Luͤfte ſchwingen;
„Das muß ihm, duͤnckte mich, noch weitern Zweifel bringen:
270„Ein matter Vogel-Schwarm entfliegt nicht aus der See,
„Bracht’ ich ihm in den Sinn, nicht aus der Wolcken Hoͤh;
„Er muß von einem Land, nicht von der Luft herkommen;
„Auf ſolche Weiß hatt’ ich denſelben eingenommen.
„Kaum war der Zweifel da, ſo ward der Schluß gefaͤllt:
275„Es ſey das Meer umgrentzt; dort ſey noch eine Welt;
„Dort halte die Natur den groͤſten Schatz verborgen:
„So fieng er um die Kunſt der Hinfart an zu ſorgen.
„Bald dacht er an den Weeg, bald an den fernen Schatz,
„Sie fanden beyde gleich in ſeiner Hoffnung Platz.
280„Der Weeg verſprach ihm Gold, und dieſes zeigte Weege;
„So wurde ſein Gemuͤth zum Unternehmen rege.
„Jch ſtellte ſeinem Sinn durch meine Forſch-Kunſt dar,
„Was nutzlich, hart und ſchwer, und was gefaͤhrlich war.
„Des Meers ergrimmtes Saltz, und ſein beſchaͤumtes Brauſen
285„Erweckte zwar in ihm fuͤr ſolcher Reiſe Grauſen;
„Jedoch das goldne Land, die feſt gehoffte Beuͤt
„War ſchmeichelhaft und ſprach von nichts als Sicherheit.

„Er
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[0064] Zweytes Buch. „Hier ließ’ ich ſeinen Sinn mit ſteten Winden ſpielen; „Biß ſeine Blicke dort auf welche Breter fielen, „Die waren von der Flutt im Strohm herum gewiegt. „Zu gleicher Zeit hatt’ ich den Zufall beygefuͤgt: „Er ſah von weiten was ſich durch die Luͤfte ſchwingen; „Das muß ihm, duͤnckte mich, noch weitern Zweifel bringen: „Ein matter Vogel-Schwarm entfliegt nicht aus der See, „Bracht’ ich ihm in den Sinn, nicht aus der Wolcken Hoͤh; „Er muß von einem Land, nicht von der Luft herkommen; „Auf ſolche Weiß hatt’ ich denſelben eingenommen. „Kaum war der Zweifel da, ſo ward der Schluß gefaͤllt: „Es ſey das Meer umgrentzt; dort ſey noch eine Welt; „Dort halte die Natur den groͤſten Schatz verborgen: „So fieng er um die Kunſt der Hinfart an zu ſorgen. „Bald dacht er an den Weeg, bald an den fernen Schatz, „Sie fanden beyde gleich in ſeiner Hoffnung Platz. „Der Weeg verſprach ihm Gold, und dieſes zeigte Weege; „So wurde ſein Gemuͤth zum Unternehmen rege. „Jch ſtellte ſeinem Sinn durch meine Forſch-Kunſt dar, „Was nutzlich, hart und ſchwer, und was gefaͤhrlich war. „Des Meers ergrimmtes Saltz, und ſein beſchaͤumtes Brauſen „Erweckte zwar in ihm fuͤr ſolcher Reiſe Grauſen; „Jedoch das goldne Land, die feſt gehoffte Beuͤt „War ſchmeichelhaft und ſprach von nichts als Sicherheit. „Er H

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/64>, abgerufen am 05.05.2024.