Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746.Theresiade "Jedoch weil mir bewußt, daß man den Vorwurff macht, "Es sey Theresia in solcherley Verdacht; "(Dieß redt der Feinde Groll) so gebt ihr eine Kette, "Die sie nebst einem Freund fest auszuspannen hätte, 585"Die Kette nenne man den Glauben und die Treu, "Und beyde, welche sie so spannen, jene zwey "Die sich verbunden seynd. Jndem sie so verbleiben, "Jsts billig, ihnen Treu und Glauben zuzuschreiben. "Der Gegner aber läßt die Kette, wirfft sie fort; 590"Was nüzt in diesem Fall ihr Halten und ihr Wort? "Das Band der Treu fällt hin; die Kette wird gelähmet; "Wer ist von beyden nun durch diesen Bruch beschämet? "Theresia fürwahr verdient den Vorwurff nicht; "Sie nimmt ihr Amt in acht; verharret in der Pflicht 595"Und hält: allein umsonst. Die Spannung ist verschwunden, "So ist auch sie des Worts, das sie versprach, entbunden. "So bricht sie Wort und Treu, wann dieses Brechen heißt, "Da ihr der Gegentheil sein Gegenwort entreißt. "Was braucht es aber viel? wer einst mit ihr gehalten, 600"Jst längstens überzeugt, wie mancherley Gestallten "Der Feinde Wort bekommt. Wie dorten Glaub und Treu "Bald angefärbt, geschmückt, bald unterdrucket sey: "Wie man sie gar dem Sinn der Einfalt zuerkenne, "Die Falschheit eine Kunst des Staats-Verstandes nenne. "605 Wie
Thereſiade „Jedoch weil mir bewußt, daß man den Vorwurff macht, „Es ſey Thereſia in ſolcherley Verdacht; „(Dieß redt der Feinde Groll) ſo gebt ihr eine Kette, „Die ſie nebſt einem Freund feſt auszuſpannen haͤtte, 585„Die Kette nenne man den Glauben und die Treu, „Und beyde, welche ſie ſo ſpannen, jene zwey „Die ſich verbunden ſeynd. Jndem ſie ſo verbleiben, „Jſts billig, ihnen Treu und Glauben zuzuſchreiben. „Der Gegner aber laͤßt die Kette, wirfft ſie fort; 590„Was nuͤzt in dieſem Fall ihr Halten und ihr Wort? „Das Band der Treu faͤllt hin; die Kette wird gelaͤhmet; „Wer iſt von beyden nun durch dieſen Bruch beſchaͤmet? „Thereſia fuͤrwahr verdient den Vorwurff nicht; „Sie nimmt ihr Amt in acht; verharret in der Pflicht 595„Und haͤlt: allein umſonſt. Die Spannung iſt verſchwunden, „So iſt auch ſie des Worts, das ſie verſprach, entbunden. „So bricht ſie Wort und Treu, wann dieſes Brechen heißt, „Da ihr der Gegentheil ſein Gegenwort entreißt. „Was braucht es aber viel? wer einſt mit ihr gehalten, 600„Jſt laͤngſtens uͤberzeugt, wie mancherley Geſtallten „Der Feinde Wort bekommt. Wie dorten Glaub und Treu „Bald angefaͤrbt, geſchmuͤckt, bald unterdrucket ſey: „Wie man ſie gar dem Sinn der Einfalt zuerkenne, „Die Falſchheit eine Kunſt des Staats-Verſtandes nenne. „605 Wie
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Thereſiade
„Jedoch weil mir bewußt, daß man den Vorwurff macht,
„Es ſey Thereſia in ſolcherley Verdacht;
„(Dieß redt der Feinde Groll) ſo gebt ihr eine Kette,
„Die ſie nebſt einem Freund feſt auszuſpannen haͤtte,
„Die Kette nenne man den Glauben und die Treu,
„Und beyde, welche ſie ſo ſpannen, jene zwey
„Die ſich verbunden ſeynd. Jndem ſie ſo verbleiben,
„Jſts billig, ihnen Treu und Glauben zuzuſchreiben.
„Der Gegner aber laͤßt die Kette, wirfft ſie fort;
„Was nuͤzt in dieſem Fall ihr Halten und ihr Wort?
„Das Band der Treu faͤllt hin; die Kette wird gelaͤhmet;
„Wer iſt von beyden nun durch dieſen Bruch beſchaͤmet?
„Thereſia fuͤrwahr verdient den Vorwurff nicht;
„Sie nimmt ihr Amt in acht; verharret in der Pflicht
„Und haͤlt: allein umſonſt. Die Spannung iſt verſchwunden,
„So iſt auch ſie des Worts, das ſie verſprach, entbunden.
„So bricht ſie Wort und Treu, wann dieſes Brechen heißt,
„Da ihr der Gegentheil ſein Gegenwort entreißt.
„Was braucht es aber viel? wer einſt mit ihr gehalten,
„Jſt laͤngſtens uͤberzeugt, wie mancherley Geſtallten
„Der Feinde Wort bekommt. Wie dorten Glaub und Treu
„Bald angefaͤrbt, geſchmuͤckt, bald unterdrucket ſey:
„Wie man ſie gar dem Sinn der Einfalt zuerkenne,
„Die Falſchheit eine Kunſt des Staats-Verſtandes nenne.
„605 Wie
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