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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746.

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Viertes Buch.

"Die laufen in den Sturm, die Mord und Tod entgegen,
"Dort stürzen andre sich in einen Kugel-Regen.
"Hier schnauft man in dem Dampf und dort in Rauch und Staub;
"Da schlägt man sich ergrimmt nur um ein Ehren-Laub.
595"Dergleichen Ubungen kan ich an mir nicht weisen;

"Doch werdet ihr vielleicht auch meine Pflichten preisen.
"Jhr kennet schon wie weit sich meine Macht erstreckt;
"So sey dann euch mein Thun und Lassen auch entdeckt:

"Reiz, Anmuth, Lieblichkeit und schmeichelnde Gebärden,
600"Kann dieser Tugend-Schmuck von euch getadelt werden?

"Er dringet allzeit vor; wer betet ihn nicht an?
"Sagt! ob desselben Kraft nicht Wunder würcken kann?
"Dies war mein Schild und Helm, der Vorrath meiner Waffen,
"Wodurch Theresia sich wußte Recht zu schaffen.
605"Bekennt! erklärt es mir! ehrt ihr die Königinn?

"Liebt oder haßt ihr sie? eröffnet euern Sinn!
Sie wußte Winck und Aug, und dessen munters Blicken,
So lebhaft ihn und her um Antwort auszuschicken,
Daß fast der ganze Saal nach ihr gerichtet schien,
610Als wollte man auf sie durch Schweigen sich beziehn.
"Haßt ihr die Königinn? erlaubt mir dies zu fragen!
"Nein", fuhr sie fort, das wird so gar ein Feind nicht sagen.
"So liebt ihr sie? warum? ist es Gerechtigkeit,
"Macht, Weisheit, GOttes-Furcht, Stärck, Unerschrockenheit?
"Das

Viertes Buch.

„Die laufen in den Sturm, die Mord und Tod entgegen,
„Dort ſtuͤrzen andre ſich in einen Kugel-Regen.
„Hier ſchnauft man in dem Dampf und dort in Rauch und Staub;
„Da ſchlaͤgt man ſich ergrim̃t nur um ein Ehren-Laub.
595„Dergleichen Ubungen kan ich an mir nicht weiſen;

„Doch werdet ihr vielleicht auch meine Pflichten preiſen.
„Jhr kennet ſchon wie weit ſich meine Macht erſtreckt;
„So ſey dann euch mein Thun und Laſſen auch entdeckt:

„Reiz, Anmuth, Lieblichkeit und ſchmeichelnde Gebaͤrden,
600„Kann dieſer Tugend-Schmuck von euch getadelt werden?

„Er dringet allzeit vor; wer betet ihn nicht an?
„Sagt! ob deſſelben Kraft nicht Wunder wuͤrcken kann?
„Dies war mein Schild und Helm, der Vorrath meiner Waffen,
„Wodurch Thereſia ſich wußte Recht zu ſchaffen.
605„Bekennt! erklaͤrt es mir! ehrt ihr die Koͤniginn?

„Liebt oder haßt ihr ſie? eroͤffnet euern Sinn!
Sie wußte Winck und Aug, und deſſen munters Blicken,
So lebhaft ihn und her um Antwort auszuſchicken,
Daß faſt der ganze Saal nach ihr gerichtet ſchien,
610Als wollte man auf ſie durch Schweigen ſich beziehn.
„Haßt ihr die Koͤniginn? erlaubt mir dies zu fragen!
„Nein„, fuhr ſie fort, das wird ſo gar ein Feind nicht ſagen.
„So liebt ihr ſie? warum? iſt es Gerechtigkeit,
„Macht, Weisheit, GOttes-Furcht, Staͤrck, Unerſchrockenheit?
„Das
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[0142] Viertes Buch. „Die laufen in den Sturm, die Mord und Tod entgegen, „Dort ſtuͤrzen andre ſich in einen Kugel-Regen. „Hier ſchnauft man in dem Dampf und dort in Rauch und Staub; „Da ſchlaͤgt man ſich ergrim̃t nur um ein Ehren-Laub. „Dergleichen Ubungen kan ich an mir nicht weiſen; „Doch werdet ihr vielleicht auch meine Pflichten preiſen. „Jhr kennet ſchon wie weit ſich meine Macht erſtreckt; „So ſey dann euch mein Thun und Laſſen auch entdeckt: „Reiz, Anmuth, Lieblichkeit und ſchmeichelnde Gebaͤrden, „Kann dieſer Tugend-Schmuck von euch getadelt werden? „Er dringet allzeit vor; wer betet ihn nicht an? „Sagt! ob deſſelben Kraft nicht Wunder wuͤrcken kann? „Dies war mein Schild und Helm, der Vorrath meiner Waffen, „Wodurch Thereſia ſich wußte Recht zu ſchaffen. „Bekennt! erklaͤrt es mir! ehrt ihr die Koͤniginn? „Liebt oder haßt ihr ſie? eroͤffnet euern Sinn! Sie wußte Winck und Aug, und deſſen munters Blicken, So lebhaft ihn und her um Antwort auszuſchicken, Daß faſt der ganze Saal nach ihr gerichtet ſchien, Als wollte man auf ſie durch Schweigen ſich beziehn. „Haßt ihr die Koͤniginn? erlaubt mir dies zu fragen! „Nein„, fuhr ſie fort, das wird ſo gar ein Feind nicht ſagen. „So liebt ihr ſie? warum? iſt es Gerechtigkeit, „Macht, Weisheit, GOttes-Furcht, Staͤrck, Unerſchrockenheit? „Das

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/142>, abgerufen am 04.05.2024.