Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

psc_069.001
ausgeübt wird, höher gelten als die rasch vorübergehende.

psc_069.002
psc_069.003

Weiter ins Einzelne will ich das Verfahren nicht schildern. psc_069.004
Das würde mich zwingen, in die Materie selbst tief psc_069.005
einzugehen und den Gang der Darstellung vorwegzunehmen. psc_069.006
So viel ergiebt sich schon aus dem vorigen, daß es sich ungefähr psc_069.007
handeln muß: um Erkenntniß der allgemeinen Bedingungen psc_069.008
dichterischer Hervorbringungen, Dichter und Publicum, psc_069.009
Werth und Amt der Poesie; dann um den eigentlichen dichterischen psc_069.010
Proceß: Stoff, Wahl und Bearbeitung desselben, psc_069.011
Analyse in inventio, dispositio, elocutio, Metrum (innere psc_069.012
und äußere Form); dann um die Ergebnisse, d. h. Lehre von psc_069.013
den Dichtungsarten (zugleich noch unter "Form"; denn die psc_069.014
Wahl der Dichtungsart gehört doch auch zum dichterischen psc_069.015
Proceß), die verschiedenen möglichen Formen innerhalb jeder psc_069.016
Dichtungsart und ihre Wirkung. Die Frage nach der Wirkung psc_069.017
hat sich aber schon jedesmal vorher bei jedem einzelnen psc_069.018
poetischen Mittel anzuheften.

psc_069.019

Beim Drama ist z. B. zu fragen: ob episch oder streng psc_069.020
dramatisch; ob scharfer Gegensatz der Personen oder nicht; psc_069.021
Personenfülle oder nicht u. s. w. --

psc_069.022

Alle folgenden Erörterungen können als eine Methodik psc_069.023
der Forschung über poetische Erscheinungen angesehen werden. psc_069.024
Ja, Methodik mehr als vollständige Ausführung. Nur psc_069.025
Grundriß, Skizze wollen sie sein -- Anleitung zu stilistischen psc_069.026
Untersuchungen: das Verhältniß der Poetik zur Untersuchung psc_069.027
des Stils eines einzelnen Dichters ist dies, daß die Poetik psc_069.028
für solche stilistischen Untersuchungen eine Topik ist. Der

psc_069.001
ausgeübt wird, höher gelten als die rasch vorübergehende.

psc_069.002
psc_069.003

  Weiter ins Einzelne will ich das Verfahren nicht schildern. psc_069.004
Das würde mich zwingen, in die Materie selbst tief psc_069.005
einzugehen und den Gang der Darstellung vorwegzunehmen. psc_069.006
So viel ergiebt sich schon aus dem vorigen, daß es sich ungefähr psc_069.007
handeln muß: um Erkenntniß der allgemeinen Bedingungen psc_069.008
dichterischer Hervorbringungen, Dichter und Publicum, psc_069.009
Werth und Amt der Poesie; dann um den eigentlichen dichterischen psc_069.010
Proceß: Stoff, Wahl und Bearbeitung desselben, psc_069.011
Analyse in inventio, dispositio, elocutio, Metrum (innere psc_069.012
und äußere Form); dann um die Ergebnisse, d. h. Lehre von psc_069.013
den Dichtungsarten (zugleich noch unter „Form“; denn die psc_069.014
Wahl der Dichtungsart gehört doch auch zum dichterischen psc_069.015
Proceß), die verschiedenen möglichen Formen innerhalb jeder psc_069.016
Dichtungsart und ihre Wirkung. Die Frage nach der Wirkung psc_069.017
hat sich aber schon jedesmal vorher bei jedem einzelnen psc_069.018
poetischen Mittel anzuheften.

psc_069.019

  Beim Drama ist z. B. zu fragen: ob episch oder streng psc_069.020
dramatisch; ob scharfer Gegensatz der Personen oder nicht; psc_069.021
Personenfülle oder nicht u. s. w. —

psc_069.022

  Alle folgenden Erörterungen können als eine Methodik psc_069.023
der Forschung über poetische Erscheinungen angesehen werden. psc_069.024
Ja, Methodik mehr als vollständige Ausführung. Nur psc_069.025
Grundriß, Skizze wollen sie sein — Anleitung zu stilistischen psc_069.026
Untersuchungen: das Verhältniß der Poetik zur Untersuchung psc_069.027
des Stils eines einzelnen Dichters ist dies, daß die Poetik psc_069.028
für solche stilistischen Untersuchungen eine Topik ist. Der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0085" n="69"/><lb n="psc_069.001"/>
ausgeübt wird, höher gelten als die rasch vorübergehende.</p>
          <lb n="psc_069.002"/>
          <lb n="psc_069.003"/>
          <p>  Weiter ins Einzelne will ich das Verfahren nicht schildern. <lb n="psc_069.004"/>
Das würde mich zwingen, in die Materie selbst tief <lb n="psc_069.005"/>
einzugehen und den Gang der Darstellung vorwegzunehmen. <lb n="psc_069.006"/>
So viel ergiebt sich schon aus dem vorigen, daß es sich ungefähr <lb n="psc_069.007"/>
handeln muß: um Erkenntniß der allgemeinen Bedingungen <lb n="psc_069.008"/>
dichterischer Hervorbringungen, Dichter und Publicum, <lb n="psc_069.009"/>
Werth und Amt der Poesie; dann um den eigentlichen dichterischen <lb n="psc_069.010"/>
Proceß: Stoff, Wahl und Bearbeitung desselben, <lb n="psc_069.011"/>
Analyse in <hi rendition="#aq">inventio, dispositio, elocutio</hi>, Metrum (innere <lb n="psc_069.012"/>
und äußere Form); dann um die Ergebnisse, d. h. Lehre von <lb n="psc_069.013"/>
den Dichtungsarten (zugleich noch unter &#x201E;Form&#x201C;; denn die <lb n="psc_069.014"/>
Wahl der Dichtungsart gehört doch auch zum dichterischen <lb n="psc_069.015"/>
Proceß), die verschiedenen möglichen Formen innerhalb jeder <lb n="psc_069.016"/>
Dichtungsart und ihre Wirkung. Die Frage nach der Wirkung <lb n="psc_069.017"/>
hat sich aber schon jedesmal vorher bei jedem einzelnen <lb n="psc_069.018"/>
poetischen Mittel anzuheften.</p>
          <lb n="psc_069.019"/>
          <p>  Beim Drama ist z. B. zu fragen: ob episch oder streng <lb n="psc_069.020"/>
dramatisch; ob scharfer Gegensatz der Personen oder nicht; <lb n="psc_069.021"/>
Personenfülle oder nicht u. s. w. &#x2014;</p>
          <lb n="psc_069.022"/>
          <p>  Alle folgenden Erörterungen können als eine <hi rendition="#g">Methodik</hi> <lb n="psc_069.023"/>
der Forschung über poetische Erscheinungen angesehen werden. <lb n="psc_069.024"/>
Ja, Methodik mehr als vollständige Ausführung. Nur <lb n="psc_069.025"/>
Grundriß, Skizze wollen sie sein &#x2014; Anleitung zu stilistischen <lb n="psc_069.026"/>
Untersuchungen: das Verhältniß der Poetik zur Untersuchung <lb n="psc_069.027"/>
des Stils eines einzelnen Dichters ist dies, daß die Poetik <lb n="psc_069.028"/>
für solche stilistischen Untersuchungen eine Topik ist. Der
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0085] psc_069.001 ausgeübt wird, höher gelten als die rasch vorübergehende. psc_069.002 psc_069.003   Weiter ins Einzelne will ich das Verfahren nicht schildern. psc_069.004 Das würde mich zwingen, in die Materie selbst tief psc_069.005 einzugehen und den Gang der Darstellung vorwegzunehmen. psc_069.006 So viel ergiebt sich schon aus dem vorigen, daß es sich ungefähr psc_069.007 handeln muß: um Erkenntniß der allgemeinen Bedingungen psc_069.008 dichterischer Hervorbringungen, Dichter und Publicum, psc_069.009 Werth und Amt der Poesie; dann um den eigentlichen dichterischen psc_069.010 Proceß: Stoff, Wahl und Bearbeitung desselben, psc_069.011 Analyse in inventio, dispositio, elocutio, Metrum (innere psc_069.012 und äußere Form); dann um die Ergebnisse, d. h. Lehre von psc_069.013 den Dichtungsarten (zugleich noch unter „Form“; denn die psc_069.014 Wahl der Dichtungsart gehört doch auch zum dichterischen psc_069.015 Proceß), die verschiedenen möglichen Formen innerhalb jeder psc_069.016 Dichtungsart und ihre Wirkung. Die Frage nach der Wirkung psc_069.017 hat sich aber schon jedesmal vorher bei jedem einzelnen psc_069.018 poetischen Mittel anzuheften. psc_069.019   Beim Drama ist z. B. zu fragen: ob episch oder streng psc_069.020 dramatisch; ob scharfer Gegensatz der Personen oder nicht; psc_069.021 Personenfülle oder nicht u. s. w. — psc_069.022   Alle folgenden Erörterungen können als eine Methodik psc_069.023 der Forschung über poetische Erscheinungen angesehen werden. psc_069.024 Ja, Methodik mehr als vollständige Ausführung. Nur psc_069.025 Grundriß, Skizze wollen sie sein — Anleitung zu stilistischen psc_069.026 Untersuchungen: das Verhältniß der Poetik zur Untersuchung psc_069.027 des Stils eines einzelnen Dichters ist dies, daß die Poetik psc_069.028 für solche stilistischen Untersuchungen eine Topik ist. Der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/85
Zitationshilfe: Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/85>, abgerufen am 26.11.2024.