Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite
psc_271.001

Wir sind hiermit auf das Gebiet der sogenannten psc_271.002
Figuren gekommen.

psc_271.003

Manche derselben können unter dem Gesichtspunct der psc_271.004
natürlichen Zeichen angesehen werden und das ist auch offenbar psc_271.005
ihre Entstehung.

psc_271.006

Asyndeton: unverbundene Thatsachen, die sich rasch hinter psc_271.007
einander abspielen; man spart gleichsam die Verbindung, um psc_271.008
damit nicht Zeit zu verlieren. Übrigens erst in späteren psc_271.009
Zeiten charakteristisch und in älterer deutscher Poesie noch psc_271.010
vielfach als geläufige syntaktische Wendung.

psc_271.011

Polysyndeton malt harmonisch=enge Verbindung: das psc_271.012
Allmälige gegenüber dem Plötzlichen.

psc_271.013

Aposiopesis: der vom Zorn Überwältigte stammelt nur; psc_271.014
zu drohender Gebärde braucht man wenig Worte. Oder psc_271.015
im Übermaß des Gefühls will man etwas sagen -- ein psc_271.016
gegentheiliges Gefühl regt sich, man läßt den begonnenen Satz psc_271.017
fallen und motivirt etwa: "allein ich will so schmerzliche Vorstellungen psc_271.018
hier nicht wachrufen"...

psc_271.019

Ausruf.

psc_271.020

Zweifel.

psc_271.021

Apostrophe: "Drauf antwortetest du, ehrwürdiger Pfarrer psc_271.022
von Grünau." Stärkere phantasievolle Erregung, die einen psc_271.023
Abwesenden anwesend denkt.

psc_271.024

Selbstberichtigung: auch zuerst natürliche Form; dem psc_271.025
Leidenschaftlichen begegnet es zu viel zu sagen, sich hinreißen psc_271.026
zu lassen -- er fühlt das, wenn es geschehen ist, er nimmt psc_271.027
zurück. Später mag es eine mit Bewußtsein angewandte Figur psc_271.028
der Rede sein.

psc_271.001

  Wir sind hiermit auf das Gebiet der sogenannten psc_271.002
Figuren gekommen.

psc_271.003

  Manche derselben können unter dem Gesichtspunct der psc_271.004
natürlichen Zeichen angesehen werden und das ist auch offenbar psc_271.005
ihre Entstehung.

psc_271.006

  Asyndeton: unverbundene Thatsachen, die sich rasch hinter psc_271.007
einander abspielen; man spart gleichsam die Verbindung, um psc_271.008
damit nicht Zeit zu verlieren. Übrigens erst in späteren psc_271.009
Zeiten charakteristisch und in älterer deutscher Poesie noch psc_271.010
vielfach als geläufige syntaktische Wendung.

psc_271.011

  Polysyndeton malt harmonisch=enge Verbindung: das psc_271.012
Allmälige gegenüber dem Plötzlichen.

psc_271.013

  Aposiopesis: der vom Zorn Überwältigte stammelt nur; psc_271.014
zu drohender Gebärde braucht man wenig Worte. Oder psc_271.015
im Übermaß des Gefühls will man etwas sagen — ein psc_271.016
gegentheiliges Gefühl regt sich, man läßt den begonnenen Satz psc_271.017
fallen und motivirt etwa: „allein ich will so schmerzliche Vorstellungen psc_271.018
hier nicht wachrufen“...

psc_271.019

  Ausruf.

psc_271.020

  Zweifel.

psc_271.021

  Apostrophe: „Drauf antwortetest du, ehrwürdiger Pfarrer psc_271.022
von Grünau.“ Stärkere phantasievolle Erregung, die einen psc_271.023
Abwesenden anwesend denkt.

psc_271.024

  Selbstberichtigung: auch zuerst natürliche Form; dem psc_271.025
Leidenschaftlichen begegnet es zu viel zu sagen, sich hinreißen psc_271.026
zu lassen — er fühlt das, wenn es geschehen ist, er nimmt psc_271.027
zurück. Später mag es eine mit Bewußtsein angewandte Figur psc_271.028
der Rede sein.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0287" n="271"/>
          <lb n="psc_271.001"/>
          <p>  Wir sind hiermit auf das Gebiet der sogenannten <lb n="psc_271.002"/> <hi rendition="#g">Figuren</hi> gekommen.</p>
          <lb n="psc_271.003"/>
          <p>  Manche derselben können unter dem Gesichtspunct der <lb n="psc_271.004"/>
natürlichen Zeichen angesehen werden und das ist auch offenbar <lb n="psc_271.005"/>
ihre Entstehung.</p>
          <lb n="psc_271.006"/>
          <p>  Asyndeton: unverbundene Thatsachen, die sich rasch hinter <lb n="psc_271.007"/>
einander abspielen; man spart gleichsam die Verbindung, um <lb n="psc_271.008"/>
damit nicht Zeit zu verlieren. Übrigens erst in späteren <lb n="psc_271.009"/>
Zeiten charakteristisch und in älterer deutscher Poesie noch <lb n="psc_271.010"/>
vielfach als geläufige syntaktische Wendung.</p>
          <lb n="psc_271.011"/>
          <p>  Polysyndeton malt harmonisch=enge Verbindung: das <lb n="psc_271.012"/>
Allmälige gegenüber dem Plötzlichen.</p>
          <lb n="psc_271.013"/>
          <p>  Aposiopesis: der vom Zorn Überwältigte stammelt nur; <lb n="psc_271.014"/>
zu drohender Gebärde braucht man wenig Worte. Oder <lb n="psc_271.015"/>
im Übermaß des Gefühls will man etwas sagen &#x2014; ein <lb n="psc_271.016"/>
gegentheiliges Gefühl regt sich, man läßt den begonnenen Satz <lb n="psc_271.017"/>
fallen und motivirt etwa: &#x201E;allein ich will so schmerzliche Vorstellungen <lb n="psc_271.018"/>
hier nicht wachrufen&#x201C;...</p>
          <lb n="psc_271.019"/>
          <p>  Ausruf.</p>
          <lb n="psc_271.020"/>
          <p>  Zweifel.</p>
          <lb n="psc_271.021"/>
          <p>  Apostrophe: &#x201E;Drauf antwortetest du, ehrwürdiger Pfarrer <lb n="psc_271.022"/>
von Grünau.&#x201C; Stärkere phantasievolle Erregung, die einen <lb n="psc_271.023"/>
Abwesenden anwesend denkt.</p>
          <lb n="psc_271.024"/>
          <p>  Selbstberichtigung: auch zuerst natürliche Form; dem <lb n="psc_271.025"/>
Leidenschaftlichen begegnet es zu viel zu sagen, sich hinreißen <lb n="psc_271.026"/>
zu lassen &#x2014; er fühlt das, wenn es geschehen ist, er nimmt <lb n="psc_271.027"/>
zurück. Später mag es eine mit Bewußtsein angewandte Figur <lb n="psc_271.028"/>
der Rede sein.</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[271/0287] psc_271.001   Wir sind hiermit auf das Gebiet der sogenannten psc_271.002 Figuren gekommen. psc_271.003   Manche derselben können unter dem Gesichtspunct der psc_271.004 natürlichen Zeichen angesehen werden und das ist auch offenbar psc_271.005 ihre Entstehung. psc_271.006   Asyndeton: unverbundene Thatsachen, die sich rasch hinter psc_271.007 einander abspielen; man spart gleichsam die Verbindung, um psc_271.008 damit nicht Zeit zu verlieren. Übrigens erst in späteren psc_271.009 Zeiten charakteristisch und in älterer deutscher Poesie noch psc_271.010 vielfach als geläufige syntaktische Wendung. psc_271.011   Polysyndeton malt harmonisch=enge Verbindung: das psc_271.012 Allmälige gegenüber dem Plötzlichen. psc_271.013   Aposiopesis: der vom Zorn Überwältigte stammelt nur; psc_271.014 zu drohender Gebärde braucht man wenig Worte. Oder psc_271.015 im Übermaß des Gefühls will man etwas sagen — ein psc_271.016 gegentheiliges Gefühl regt sich, man läßt den begonnenen Satz psc_271.017 fallen und motivirt etwa: „allein ich will so schmerzliche Vorstellungen psc_271.018 hier nicht wachrufen“... psc_271.019   Ausruf. psc_271.020   Zweifel. psc_271.021   Apostrophe: „Drauf antwortetest du, ehrwürdiger Pfarrer psc_271.022 von Grünau.“ Stärkere phantasievolle Erregung, die einen psc_271.023 Abwesenden anwesend denkt. psc_271.024   Selbstberichtigung: auch zuerst natürliche Form; dem psc_271.025 Leidenschaftlichen begegnet es zu viel zu sagen, sich hinreißen psc_271.026 zu lassen — er fühlt das, wenn es geschehen ist, er nimmt psc_271.027 zurück. Später mag es eine mit Bewußtsein angewandte Figur psc_271.028 der Rede sein.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/287
Zitationshilfe: Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/287>, abgerufen am 22.11.2024.