Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.psc_269.001 Auffrischung der Pronomina ist ungefähr das, was die psc_269.002 Anwendung aller der Mittel, welche die Rede lebhaft psc_269.010 Der gehobenen Sprache kann zu viel werden, der Schmuck psc_269.018 Durch Überladung des Einzelnen kann das Wesentliche leiden, psc_269.021 Nach Zeiten des Schwulstes kommt in der Regel eine psc_269.024 psc_269.001 Auffrischung der Pronomina ist ungefähr das, was die psc_269.002 Anwendung aller der Mittel, welche die Rede lebhaft psc_269.010 Der gehobenen Sprache kann zu viel werden, der Schmuck psc_269.018 Durch Überladung des Einzelnen kann das Wesentliche leiden, psc_269.021 Nach Zeiten des Schwulstes kommt in der Regel eine psc_269.024 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0285" n="269"/> <lb n="psc_269.001"/> <p> Auffrischung der Pronomina ist ungefähr das, was die <lb n="psc_269.002"/> antike Rhetorik Antonomasie nennt: statt des Pronomens <lb n="psc_269.003"/> oder Eigennamens wird gesetzt ein substantivisches Adjectivum, <lb n="psc_269.004"/> welches <hi rendition="#aq">Epitheton ornans</hi> sein könnte (<hi rendition="#aq">sin kunde in niht <lb n="psc_269.005"/> bescheiden baz der guoten</hi> Nib. Noth 14, 2), oder <lb n="psc_269.006"/> Apposition und Umschreibung; z. B. das mittelhochdeutsche <lb n="psc_269.007"/> Volksepos, auch Wolfram gebrauchen <hi rendition="#aq">der helt, der degen</hi> <lb n="psc_269.008"/> u. dgl. statt des Pronomens. —</p> <lb n="psc_269.009"/> <p> Anwendung aller der Mittel, welche die Rede lebhaft <lb n="psc_269.010"/> machen können, ergiebt eine sehr <hi rendition="#g">gehobene</hi> Sprache, welche <lb n="psc_269.011"/> dann wohl noch mehr gesteigert werden kann durch Anwendung <lb n="psc_269.012"/> der Übertreibung (Hyperbel), d. h. einer Übertreibung, von <lb n="psc_269.013"/> welcher vorausgesetzt wird, daß sie der Hörer sich gefallen <lb n="psc_269.014"/> läßt, daß er sie so zu sagen mitmacht. Eine andere <lb n="psc_269.015"/> Übertreibung ist so unpoetisch, daß sie nur in der Komödie <lb n="psc_269.016"/> angewandt wird und Lachen erregen soll.</p> <lb n="psc_269.017"/> <p> Der gehobenen Sprache kann zu viel werden, der Schmuck <lb n="psc_269.018"/> allzu sehr gehäuft, die Umschreibungen zu künstlich, bis zum <lb n="psc_269.019"/> Dunklen und Unverständlichen: Schwulst.</p> <lb n="psc_269.020"/> <p> Durch Überladung des Einzelnen kann das Wesentliche leiden, <lb n="psc_269.021"/> das Vorwärtsgehen, die Darstellung der Handlung. Nackte <lb n="psc_269.022"/> Handlung ist besser als mit Schmuck überladener Stillstand.</p> <lb n="psc_269.023"/> <p> Nach Zeiten des Schwulstes kommt in der Regel eine <lb n="psc_269.024"/> Zeit der natürlichen und ganz einfachen Sprache. Die höfische <lb n="psc_269.025"/> Dichtung des 12. und 13. Jahrhunderts, die Poesie des 17. und <lb n="psc_269.026"/> 18. Jahrhunderts in Frankreich thun vielen Schmuck ab, um <lb n="psc_269.027"/> eine rasche Bewegung zu erzielen, und setzen wohl auch Beweglichkeit </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [269/0285]
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Auffrischung der Pronomina ist ungefähr das, was die psc_269.002
antike Rhetorik Antonomasie nennt: statt des Pronomens psc_269.003
oder Eigennamens wird gesetzt ein substantivisches Adjectivum, psc_269.004
welches Epitheton ornans sein könnte (sin kunde in niht psc_269.005
bescheiden baz der guoten Nib. Noth 14, 2), oder psc_269.006
Apposition und Umschreibung; z. B. das mittelhochdeutsche psc_269.007
Volksepos, auch Wolfram gebrauchen der helt, der degen psc_269.008
u. dgl. statt des Pronomens. —
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Anwendung aller der Mittel, welche die Rede lebhaft psc_269.010
machen können, ergiebt eine sehr gehobene Sprache, welche psc_269.011
dann wohl noch mehr gesteigert werden kann durch Anwendung psc_269.012
der Übertreibung (Hyperbel), d. h. einer Übertreibung, von psc_269.013
welcher vorausgesetzt wird, daß sie der Hörer sich gefallen psc_269.014
läßt, daß er sie so zu sagen mitmacht. Eine andere psc_269.015
Übertreibung ist so unpoetisch, daß sie nur in der Komödie psc_269.016
angewandt wird und Lachen erregen soll.
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Der gehobenen Sprache kann zu viel werden, der Schmuck psc_269.018
allzu sehr gehäuft, die Umschreibungen zu künstlich, bis zum psc_269.019
Dunklen und Unverständlichen: Schwulst.
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Durch Überladung des Einzelnen kann das Wesentliche leiden, psc_269.021
das Vorwärtsgehen, die Darstellung der Handlung. Nackte psc_269.022
Handlung ist besser als mit Schmuck überladener Stillstand.
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Nach Zeiten des Schwulstes kommt in der Regel eine psc_269.024
Zeit der natürlichen und ganz einfachen Sprache. Die höfische psc_269.025
Dichtung des 12. und 13. Jahrhunderts, die Poesie des 17. und psc_269.026
18. Jahrhunderts in Frankreich thun vielen Schmuck ab, um psc_269.027
eine rasche Bewegung zu erzielen, und setzen wohl auch Beweglichkeit
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