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Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.

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Jn unserer Durchmusterung der Redetheile sind wir bis psc_268.002
zu Substantiven gelangt.

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Adverbia verhalten sich zu Verben (und Adjectiven) wie psc_268.004
Adjectiva zu Substantiven; sie können also ebenso zur Auffrischung psc_268.005
benutzt werden. Aber wenn sie schon sehr abgeschwächt psc_268.006
sind, natürlich nicht.

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Solche abgeschwächte Adverbia sind schon die maßangebenden, psc_268.008
steigernden; z. B. ist "sehr" keineswegs "sehr" poetisch.

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Vollends aber die Partikeln. Die Präpositionen sind psc_268.010
äußerst unpoetisch. Ein "be", wie z. B. in "beeinflussen", psc_268.011
ist das Prosaischste, was es nur geben kann. So weit Präpositionen psc_268.012
sinnlich ein äußeres Verhältniß angeben, sind sie psc_268.013
nicht zu entbehren und nicht unpoetisch, obgleich zuweilen psc_268.014
ein stärkerer, mehr sinnlicher Ausdruck möglich und oft vorzuziehen psc_268.015
ist. "Angesichts eines Dinges" ist poetischer als psc_268.016
"vor einem Ding".

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Die Conjunctionen sind größtentheils recht unpoetisch, psc_268.018
die Folgerungen, die Begründungen müssen in Poesie gefühlt psc_268.019
werden, nicht ausgedrückt. Aber Verbindung und Entgegensetzung psc_268.020
sind kaum zu entbehren.

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Der Artikel ist nicht sehr poetisch: Substantiv ohne psc_268.022
Artikel poetischer als mit Artikel.

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Auch das ganze Gebiet der Pronomina ist verhältnißmäßig psc_268.024
unpoetisch: daher schon (s. o.) ein Reflexivum weniger poetisch als psc_268.025
ein Activum, weil es sich eines Pronomens bedienen muß.

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Ebenso unpoetisch wie die Pronomina sind die Hilfsverba: psc_268.027
sprachliche Nothbrücken, für die Maschine gleichsam als psc_268.028
Räder eintretend.

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  Jn unserer Durchmusterung der Redetheile sind wir bis psc_268.002
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  Adverbia verhalten sich zu Verben (und Adjectiven) wie psc_268.004
Adjectiva zu Substantiven; sie können also ebenso zur Auffrischung psc_268.005
benutzt werden. Aber wenn sie schon sehr abgeschwächt psc_268.006
sind, natürlich nicht.

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  Solche abgeschwächte Adverbia sind schon die maßangebenden, psc_268.008
steigernden; z. B. ist „sehr“ keineswegs „sehr“ poetisch.

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  Vollends aber die Partikeln. Die Präpositionen sind psc_268.010
äußerst unpoetisch. Ein „be“, wie z. B. in „beeinflussen“, psc_268.011
ist das Prosaischste, was es nur geben kann. So weit Präpositionen psc_268.012
sinnlich ein äußeres Verhältniß angeben, sind sie psc_268.013
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ein stärkerer, mehr sinnlicher Ausdruck möglich und oft vorzuziehen psc_268.015
ist. „Angesichts eines Dinges“ ist poetischer als psc_268.016
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  Die Conjunctionen sind größtentheils recht unpoetisch, psc_268.018
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werden, nicht ausgedrückt. Aber Verbindung und Entgegensetzung psc_268.020
sind kaum zu entbehren.

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  Der Artikel ist nicht sehr poetisch: Substantiv ohne psc_268.022
Artikel poetischer als mit Artikel.

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unpoetisch: daher schon (s. o.) ein Reflexivum weniger poetisch als psc_268.025
ein Activum, weil es sich eines Pronomens bedienen muß.

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  Ebenso unpoetisch wie die Pronomina sind die Hilfsverba: psc_268.027
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[268/0284] psc_268.001   Jn unserer Durchmusterung der Redetheile sind wir bis psc_268.002 zu Substantiven gelangt. psc_268.003   Adverbia verhalten sich zu Verben (und Adjectiven) wie psc_268.004 Adjectiva zu Substantiven; sie können also ebenso zur Auffrischung psc_268.005 benutzt werden. Aber wenn sie schon sehr abgeschwächt psc_268.006 sind, natürlich nicht. psc_268.007   Solche abgeschwächte Adverbia sind schon die maßangebenden, psc_268.008 steigernden; z. B. ist „sehr“ keineswegs „sehr“ poetisch. psc_268.009   Vollends aber die Partikeln. Die Präpositionen sind psc_268.010 äußerst unpoetisch. Ein „be“, wie z. B. in „beeinflussen“, psc_268.011 ist das Prosaischste, was es nur geben kann. So weit Präpositionen psc_268.012 sinnlich ein äußeres Verhältniß angeben, sind sie psc_268.013 nicht zu entbehren und nicht unpoetisch, obgleich zuweilen psc_268.014 ein stärkerer, mehr sinnlicher Ausdruck möglich und oft vorzuziehen psc_268.015 ist. „Angesichts eines Dinges“ ist poetischer als psc_268.016 „vor einem Ding“. psc_268.017   Die Conjunctionen sind größtentheils recht unpoetisch, psc_268.018 die Folgerungen, die Begründungen müssen in Poesie gefühlt psc_268.019 werden, nicht ausgedrückt. Aber Verbindung und Entgegensetzung psc_268.020 sind kaum zu entbehren. psc_268.021   Der Artikel ist nicht sehr poetisch: Substantiv ohne psc_268.022 Artikel poetischer als mit Artikel. psc_268.023   Auch das ganze Gebiet der Pronomina ist verhältnißmäßig psc_268.024 unpoetisch: daher schon (s. o.) ein Reflexivum weniger poetisch als psc_268.025 ein Activum, weil es sich eines Pronomens bedienen muß. psc_268.026   Ebenso unpoetisch wie die Pronomina sind die Hilfsverba: psc_268.027 sprachliche Nothbrücken, für die Maschine gleichsam als psc_268.028 Räder eintretend.

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Zitationshilfe: Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/284>, abgerufen am 13.05.2024.