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Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.

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dieser eine Grundsatz steht fest aus dem Princip der Klarheit psc_253.006
und Verständlichkeit, daß nichts gesagt werden darf, wozu psc_253.007
dem Publicum die Voraussetzungen fehlen. Doch auch dies psc_253.008
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nicht dem Zusammenhang nach, wirkt als spannendes Moment. psc_253.011
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Zweckmäßigkeit beantworten. Nicht immer: vom Anfang an. psc_253.018
Sondern sehr oft in der Mitte: dann muß zurückgegriffen psc_253.019
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z. B. der Zeit, herzustellen. Ja für das Drama ist das psc_253.021
ganz unumgänglich; es sollte schwer werden, den Helden als psc_253.022
Baby dramatisch einzuführen, mit dessen Tod das Stück psc_253.023
schließt. Wiederum ist dies zugleich ein Mittel der Spannung, psc_253.024
in der Mitte anzufangen: indem manches erst nachträglich psc_253.025
aus der Vergangenheit zu Tage kommt, das in seinen Wirkungen psc_253.026
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Dann darf also eine kleine Weile verschwiegen werden; psc_253.012
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Sondern sehr oft in der Mitte: dann muß zurückgegriffen psc_253.019
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Zitationshilfe: Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/269>, abgerufen am 13.05.2024.