Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

das Universum derselben zu ermessen und dar¬
zustellen.

Aber ist, um die andere Seite dieses Ge¬
genstandes herauszukehren, seinerseits nun der
Philosoph geeignet, das Wesen der Kunst zu
durchdringen und mit Wahrheit darzustellen?

"Wer kann, so höre ich fragen, von je¬
nem göttlichen Princip, das den Künstler
treibt, jenem geistigen Hauch, der seine Werke
beseelt, würdig reden, als wer selbst von die¬
ser heiligen Flamme ergriffen ist? Kann man
versuchen, dasjenige der Construction zu unter¬
werfen, was eben so unbegreiflich in seinem
Ursprung, als wundervoll in seinen Wirkungen
ist? Kann man das unter Gesetze bringen und
bestimmen wollen, dessen Wesen es ist, kein
Gesetz als sich selbst anzuerkennen? Oder ist
nicht das Genie durch Begriffe so wenig zu
fassen, als es durch Gesetze erschaffen werden
kann? Wer wagt es, noch über das hinaus
einen Gedanken haben zu wollen, was offen¬
bar das Freyeste, das Absoluteste ist im gan¬
zen Universum, wer über die letzten Gränzen

das Univerſum derſelben zu ermeſſen und dar¬
zuſtellen.

Aber iſt, um die andere Seite dieſes Ge¬
genſtandes herauszukehren, ſeinerſeits nun der
Philoſoph geeignet, das Weſen der Kunſt zu
durchdringen und mit Wahrheit darzuſtellen?

„Wer kann, ſo hoͤre ich fragen, von je¬
nem goͤttlichen Princip, das den Kuͤnſtler
treibt, jenem geiſtigen Hauch, der ſeine Werke
beſeelt, wuͤrdig reden, als wer ſelbſt von die¬
ſer heiligen Flamme ergriffen iſt? Kann man
verſuchen, dasjenige der Conſtruction zu unter¬
werfen, was eben ſo unbegreiflich in ſeinem
Urſprung, als wundervoll in ſeinen Wirkungen
iſt? Kann man das unter Geſetze bringen und
beſtimmen wollen, deſſen Weſen es iſt, kein
Geſetz als ſich ſelbſt anzuerkennen? Oder iſt
nicht das Genie durch Begriffe ſo wenig zu
faſſen, als es durch Geſetze erſchaffen werden
kann? Wer wagt es, noch uͤber das hinaus
einen Gedanken haben zu wollen, was offen¬
bar das Freyeſte, das Abſoluteſte iſt im gan¬
zen Univerſum, wer uͤber die letzten Graͤnzen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0321" n="312"/>
das Univer&#x017F;um der&#x017F;elben zu erme&#x017F;&#x017F;en und dar¬<lb/>
zu&#x017F;tellen.</p><lb/>
        <p>Aber i&#x017F;t, um die andere Seite die&#x017F;es Ge¬<lb/>
gen&#x017F;tandes herauszukehren, &#x017F;einer&#x017F;eits nun der<lb/>
Philo&#x017F;oph geeignet, das We&#x017F;en der Kun&#x017F;t zu<lb/>
durchdringen und mit Wahrheit darzu&#x017F;tellen?</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wer kann, &#x017F;o ho&#x0364;re ich fragen, von je¬<lb/>
nem go&#x0364;ttlichen Princip, das den Ku&#x0364;n&#x017F;tler<lb/>
treibt, jenem gei&#x017F;tigen Hauch, der &#x017F;eine Werke<lb/>
be&#x017F;eelt, wu&#x0364;rdig reden, als wer &#x017F;elb&#x017F;t von die¬<lb/>
&#x017F;er heiligen Flamme ergriffen i&#x017F;t? Kann man<lb/>
ver&#x017F;uchen, dasjenige der Con&#x017F;truction zu unter¬<lb/>
werfen, was eben &#x017F;o unbegreiflich in &#x017F;einem<lb/>
Ur&#x017F;prung, als wundervoll in &#x017F;einen Wirkungen<lb/>
i&#x017F;t? Kann man das unter Ge&#x017F;etze bringen und<lb/>
be&#x017F;timmen wollen, de&#x017F;&#x017F;en We&#x017F;en es i&#x017F;t, kein<lb/>
Ge&#x017F;etz als &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t anzuerkennen? Oder i&#x017F;t<lb/>
nicht das Genie durch Begriffe &#x017F;o wenig zu<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;en, als es durch Ge&#x017F;etze er&#x017F;chaffen werden<lb/>
kann? Wer wagt es, noch u&#x0364;ber das hinaus<lb/>
einen Gedanken haben zu wollen, was offen¬<lb/>
bar das Freye&#x017F;te, das Ab&#x017F;olute&#x017F;te i&#x017F;t im gan¬<lb/>
zen Univer&#x017F;um, wer u&#x0364;ber die letzten Gra&#x0364;nzen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[312/0321] das Univerſum derſelben zu ermeſſen und dar¬ zuſtellen. Aber iſt, um die andere Seite dieſes Ge¬ genſtandes herauszukehren, ſeinerſeits nun der Philoſoph geeignet, das Weſen der Kunſt zu durchdringen und mit Wahrheit darzuſtellen? „Wer kann, ſo hoͤre ich fragen, von je¬ nem goͤttlichen Princip, das den Kuͤnſtler treibt, jenem geiſtigen Hauch, der ſeine Werke beſeelt, wuͤrdig reden, als wer ſelbſt von die¬ ſer heiligen Flamme ergriffen iſt? Kann man verſuchen, dasjenige der Conſtruction zu unter¬ werfen, was eben ſo unbegreiflich in ſeinem Urſprung, als wundervoll in ſeinen Wirkungen iſt? Kann man das unter Geſetze bringen und beſtimmen wollen, deſſen Weſen es iſt, kein Geſetz als ſich ſelbſt anzuerkennen? Oder iſt nicht das Genie durch Begriffe ſo wenig zu faſſen, als es durch Geſetze erſchaffen werden kann? Wer wagt es, noch uͤber das hinaus einen Gedanken haben zu wollen, was offen¬ bar das Freyeſte, das Abſoluteſte iſt im gan¬ zen Univerſum, wer uͤber die letzten Graͤnzen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/321
Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/321>, abgerufen am 05.05.2024.