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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803.

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Form ausgedrückt und ganz bis zur äußern Er¬
scheinung gebracht.

Ueber die Art, wie Historie studiert wer¬
den soll, möge folgendes hinreichen. Sie muß
im Ganzen nach Art des Epos betrachtet wer¬
den, das keinen bestimmten Anfang und kein be¬
stimmtes Ende hat: man nehme denjenigen
Punct heraus, den man für den bedeutendsten
oder interessantesten hält, und von diesem aus
bilde und erweitere sich das Ganze nach allen
Richtungen.

Man meide die sogenannten Universalhi¬
storien, die nichts lehren; andere giebt es
noch nicht. Die wahre Universalgeschichte
müßte im epischen Styl, also in dem Geiste
verfaßt seyn, deren Anlage im Herodotus ist.
Was man jetzt so nennt, sind Compendien, da¬
rinn alles Besondere und Bedeutende verwischt
ist: auch derjenige aber, der Historie nicht zu
seinem besondern Fach wählt, gehe so viel mög¬
lich zu den Quellen und den Particulargeschichten,
die ihn bey weitem mehr unterrichten. Er
lerne für die neuere Geschichte die naive Ein¬

Form ausgedruͤckt und ganz bis zur aͤußern Er¬
ſcheinung gebracht.

Ueber die Art, wie Hiſtorie ſtudiert wer¬
den ſoll, moͤge folgendes hinreichen. Sie muß
im Ganzen nach Art des Epos betrachtet wer¬
den, das keinen beſtimmten Anfang und kein be¬
ſtimmtes Ende hat: man nehme denjenigen
Punct heraus, den man fuͤr den bedeutendſten
oder intereſſanteſten haͤlt, und von dieſem aus
bilde und erweitere ſich das Ganze nach allen
Richtungen.

Man meide die ſogenannten Univerſalhi¬
ſtorien, die nichts lehren; andere giebt es
noch nicht. Die wahre Univerſalgeſchichte
muͤßte im epiſchen Styl, alſo in dem Geiſte
verfaßt ſeyn, deren Anlage im Herodotus iſt.
Was man jetzt ſo nennt, ſind Compendien, da¬
rinn alles Beſondere und Bedeutende verwiſcht
iſt: auch derjenige aber, der Hiſtorie nicht zu
ſeinem beſondern Fach waͤhlt, gehe ſo viel moͤg¬
lich zu den Quellen und den Particulargeſchichten,
die ihn bey weitem mehr unterrichten. Er
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[224/0233] Form ausgedruͤckt und ganz bis zur aͤußern Er¬ ſcheinung gebracht. Ueber die Art, wie Hiſtorie ſtudiert wer¬ den ſoll, moͤge folgendes hinreichen. Sie muß im Ganzen nach Art des Epos betrachtet wer¬ den, das keinen beſtimmten Anfang und kein be¬ ſtimmtes Ende hat: man nehme denjenigen Punct heraus, den man fuͤr den bedeutendſten oder intereſſanteſten haͤlt, und von dieſem aus bilde und erweitere ſich das Ganze nach allen Richtungen. Man meide die ſogenannten Univerſalhi¬ ſtorien, die nichts lehren; andere giebt es noch nicht. Die wahre Univerſalgeſchichte muͤßte im epiſchen Styl, alſo in dem Geiſte verfaßt ſeyn, deren Anlage im Herodotus iſt. Was man jetzt ſo nennt, ſind Compendien, da¬ rinn alles Beſondere und Bedeutende verwiſcht iſt: auch derjenige aber, der Hiſtorie nicht zu ſeinem beſondern Fach waͤhlt, gehe ſo viel moͤg¬ lich zu den Quellen und den Particulargeſchichten, die ihn bey weitem mehr unterrichten. Er lerne fuͤr die neuere Geſchichte die naive Ein¬

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/233>, abgerufen am 25.11.2024.