Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

gie, diese der Philosophie an, und ist von der
Historie als solcher nothwendig verschieden.

Der entgegengesetzte Standpunct des ab¬
soluten ist der empirische, welcher wieder zwey
Seiten hat. Die der reinen Aufnahme und Aus¬
mittlung des Geschehenen, welche Sache des Ge¬
schichtforschers ist, der von dem Historiker als sol¬
chen nur eine Seite repräsentirt. Die der Ver¬
bindung des empirischen Stoffs nach einer Ver¬
standes-Identität, oder, weil die letztere nicht
in den Begebenheiten an und für sich selbst lie¬
gen kann, indem diese empirisch viel mehr zufäl¬
lig und nicht harmonisch erscheinen, der An¬
ordnung nach einem durch das Subject entwor¬
fenen Zweck, der in so fern didaktisch oder po¬
litisch ist. Diese Behandlung der Geschichte
in ganz bestimmter, nicht allgemeiner Absicht,
ist, was, der von den Alten festgesetzten Bedeu¬
tung zufolge, die pragmatische heißt. So ist
Polybius, der sich über diesen Begriff ausdrück¬
lich erklärt, pragmatisch wegen der ganz be¬
stimmten auf die Technik des Kriegs gerichte¬
ten Absicht seiner Geschichtsbücher: so Tacitus,

gie, dieſe der Philoſophie an, und iſt von der
Hiſtorie als ſolcher nothwendig verſchieden.

Der entgegengeſetzte Standpunct des ab¬
ſoluten iſt der empiriſche, welcher wieder zwey
Seiten hat. Die der reinen Aufnahme und Aus¬
mittlung des Geſchehenen, welche Sache des Ge¬
ſchichtforſchers iſt, der von dem Hiſtoriker als ſol¬
chen nur eine Seite repraͤſentirt. Die der Ver¬
bindung des empiriſchen Stoffs nach einer Ver¬
ſtandes-Identitaͤt, oder, weil die letztere nicht
in den Begebenheiten an und fuͤr ſich ſelbſt lie¬
gen kann, indem dieſe empiriſch viel mehr zufaͤl¬
lig und nicht harmoniſch erſcheinen, der An¬
ordnung nach einem durch das Subject entwor¬
fenen Zweck, der in ſo fern didaktiſch oder po¬
litiſch iſt. Dieſe Behandlung der Geſchichte
in ganz beſtimmter, nicht allgemeiner Abſicht,
iſt, was, der von den Alten feſtgeſetzten Bedeu¬
tung zufolge, die pragmatiſche heißt. So iſt
Polybius, der ſich uͤber dieſen Begriff ausdruͤck¬
lich erklaͤrt, pragmatiſch wegen der ganz be¬
ſtimmten auf die Technik des Kriegs gerichte¬
ten Abſicht ſeiner Geſchichtsbuͤcher: ſo Tacitus,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0225" n="216"/>
gie, die&#x017F;e der Philo&#x017F;ophie an, und i&#x017F;t von der<lb/>
Hi&#x017F;torie als &#x017F;olcher nothwendig ver&#x017F;chieden.</p><lb/>
        <p>Der entgegenge&#x017F;etzte Standpunct des ab¬<lb/>
&#x017F;oluten i&#x017F;t der empiri&#x017F;che, welcher wieder zwey<lb/>
Seiten hat. Die der reinen Aufnahme und Aus¬<lb/>
mittlung des Ge&#x017F;chehenen, welche Sache des Ge¬<lb/>
&#x017F;chichtfor&#x017F;chers i&#x017F;t, der von dem Hi&#x017F;toriker als &#x017F;ol¬<lb/>
chen nur eine Seite repra&#x0364;&#x017F;entirt. Die der Ver¬<lb/>
bindung des empiri&#x017F;chen Stoffs nach einer Ver¬<lb/>
&#x017F;tandes-Identita&#x0364;t, oder, weil die letztere nicht<lb/>
in den Begebenheiten an und fu&#x0364;r &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t lie¬<lb/>
gen kann, indem die&#x017F;e empiri&#x017F;ch viel mehr zufa&#x0364;<lb/>
lig und nicht harmoni&#x017F;ch er&#x017F;cheinen, der An¬<lb/>
ordnung nach einem durch das Subject entwor¬<lb/>
fenen Zweck, der in &#x017F;o fern didakti&#x017F;ch oder po¬<lb/>
liti&#x017F;ch i&#x017F;t. Die&#x017F;e Behandlung der Ge&#x017F;chichte<lb/>
in ganz be&#x017F;timmter, nicht allgemeiner Ab&#x017F;icht,<lb/>
i&#x017F;t, was, der von den Alten fe&#x017F;tge&#x017F;etzten Bedeu¬<lb/>
tung zufolge, die pragmati&#x017F;che heißt. So i&#x017F;t<lb/>
Polybius, der &#x017F;ich u&#x0364;ber die&#x017F;en Begriff ausdru&#x0364;ck¬<lb/>
lich erkla&#x0364;rt, pragmati&#x017F;ch wegen der ganz be¬<lb/>
&#x017F;timmten auf die Technik des Kriegs gerichte¬<lb/>
ten Ab&#x017F;icht &#x017F;einer Ge&#x017F;chichtsbu&#x0364;cher: &#x017F;o Tacitus,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[216/0225] gie, dieſe der Philoſophie an, und iſt von der Hiſtorie als ſolcher nothwendig verſchieden. Der entgegengeſetzte Standpunct des ab¬ ſoluten iſt der empiriſche, welcher wieder zwey Seiten hat. Die der reinen Aufnahme und Aus¬ mittlung des Geſchehenen, welche Sache des Ge¬ ſchichtforſchers iſt, der von dem Hiſtoriker als ſol¬ chen nur eine Seite repraͤſentirt. Die der Ver¬ bindung des empiriſchen Stoffs nach einer Ver¬ ſtandes-Identitaͤt, oder, weil die letztere nicht in den Begebenheiten an und fuͤr ſich ſelbſt lie¬ gen kann, indem dieſe empiriſch viel mehr zufaͤl¬ lig und nicht harmoniſch erſcheinen, der An¬ ordnung nach einem durch das Subject entwor¬ fenen Zweck, der in ſo fern didaktiſch oder po¬ litiſch iſt. Dieſe Behandlung der Geſchichte in ganz beſtimmter, nicht allgemeiner Abſicht, iſt, was, der von den Alten feſtgeſetzten Bedeu¬ tung zufolge, die pragmatiſche heißt. So iſt Polybius, der ſich uͤber dieſen Begriff ausdruͤck¬ lich erklaͤrt, pragmatiſch wegen der ganz be¬ ſtimmten auf die Technik des Kriegs gerichte¬ ten Abſicht ſeiner Geſchichtsbuͤcher: ſo Tacitus,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/225
Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/225>, abgerufen am 22.11.2024.