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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803.

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Christenthum das Universum überhaupt als
Geschichte, als moralisches Reich, angeschaut
wird, und daß diese allgemeine Anschauung
den Grundkarakter desselben ausmacht. Voll¬
kommen können wir dieß nur im Gegensatz ge¬
gen die Religion hauptsächlich des griechischen
Alterthums einsehen. Wenn ich der noch äl¬
teren, vorzüglich der Indischen nicht erwähne,
so ist es, weil sie in dieser Beziehung keinen
Gegensatz bildet, ohne deswegen, nach meiner
Meynung, die Einheit zu seyn. Die Ansicht
von dieser hier vollständig mitzutheilen, erlau¬
ben die nothwendigen Schranken dieser Unter¬
suchung nicht, wir werden sie daher nur beyläu¬
fig aussprechen oder berühren können. Die
Mythologie der Griechen war eine geschlossene
Welt von Symbolen der Ideen, welche real
nur als Götter angeschaut werden können.
Reine Begränzung von der einen und unge¬
theilte Absolutheit von der andern Seite ist
das bestimmende Gesetz jeder einzelnen Götter¬
gestalt, eben so wie der Götterwelt im Ganzen.
Das Unendliche wurde nur im Endlichen an¬

Chriſtenthum das Univerſum uͤberhaupt als
Geſchichte, als moraliſches Reich, angeſchaut
wird, und daß dieſe allgemeine Anſchauung
den Grundkarakter deſſelben ausmacht. Voll¬
kommen koͤnnen wir dieß nur im Gegenſatz ge¬
gen die Religion hauptſaͤchlich des griechiſchen
Alterthums einſehen. Wenn ich der noch aͤl¬
teren, vorzuͤglich der Indiſchen nicht erwaͤhne,
ſo iſt es, weil ſie in dieſer Beziehung keinen
Gegenſatz bildet, ohne deswegen, nach meiner
Meynung, die Einheit zu ſeyn. Die Anſicht
von dieſer hier vollſtaͤndig mitzutheilen, erlau¬
ben die nothwendigen Schranken dieſer Unter¬
ſuchung nicht, wir werden ſie daher nur beylaͤu¬
fig ausſprechen oder beruͤhren koͤnnen. Die
Mythologie der Griechen war eine geſchloſſene
Welt von Symbolen der Ideen, welche real
nur als Goͤtter angeſchaut werden koͤnnen.
Reine Begraͤnzung von der einen und unge¬
theilte Abſolutheit von der andern Seite iſt
das beſtimmende Geſetz jeder einzelnen Goͤtter¬
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[170/0179] Chriſtenthum das Univerſum uͤberhaupt als Geſchichte, als moraliſches Reich, angeſchaut wird, und daß dieſe allgemeine Anſchauung den Grundkarakter deſſelben ausmacht. Voll¬ kommen koͤnnen wir dieß nur im Gegenſatz ge¬ gen die Religion hauptſaͤchlich des griechiſchen Alterthums einſehen. Wenn ich der noch aͤl¬ teren, vorzuͤglich der Indiſchen nicht erwaͤhne, ſo iſt es, weil ſie in dieſer Beziehung keinen Gegenſatz bildet, ohne deswegen, nach meiner Meynung, die Einheit zu ſeyn. Die Anſicht von dieſer hier vollſtaͤndig mitzutheilen, erlau¬ ben die nothwendigen Schranken dieſer Unter¬ ſuchung nicht, wir werden ſie daher nur beylaͤu¬ fig ausſprechen oder beruͤhren koͤnnen. Die Mythologie der Griechen war eine geſchloſſene Welt von Symbolen der Ideen, welche real nur als Goͤtter angeſchaut werden koͤnnen. Reine Begraͤnzung von der einen und unge¬ theilte Abſolutheit von der andern Seite iſt das beſtimmende Geſetz jeder einzelnen Goͤtter¬ geſtalt, eben ſo wie der Goͤtterwelt im Ganzen. Das Unendliche wurde nur im Endlichen an¬

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/179>, abgerufen am 22.11.2024.