ausschließlich an, und (was gleichfalls eine Folge davon ist) weder diese noch jene für sich kann höher als zur Indifferenz, nicht aber zur absoluten Identität gelangen.
Wir verfahren nun in Ansehung des idealen All ebenso wie in Ansehung des realen, und stellen zuvörderst den Satz auf:
§. 12. Gott als die unendliche, alle Realität in sich be- greifende Idealität, oder Gott als unendlich Affirmiren- des, ist, als solches, das Wesen des idealen All. Dieß ist von selbst deutlich schon durch den Gegensatz.
§. 13. Das ideale All begreift dieselben Einheiten in sich, die auch das reale in sich begreift: die reale, ideale und -- nicht die absolute Identität beider (denn diese gehört weder ihr noch der realen besonders an) -- sondern die Indifferenz bei- der. Auch hier bezeichnen wir diese Einheiten durch Potenzen; nur ist zu bemerken, daß, wie in der realen Welt die Potenzen Potenzen des idealen Faktors sind, so hier des realen vermöge des entgegengesetzten Verhältnisses beider. Die erste Potenz bezeichnet hier das Uebergewicht des Idealen; die Realität ist hier nur in der ersten Potenz des Affir- mirtseyns gesetzt. In diesen Punkt fällt das Wissen, welches demnach mit dem größten Uebergewicht des idealen Faktors oder des Subjektiven gesetzt ist. Die dritte Potenz beruht auf einem Uebergewicht des Realen; der Faktor des Realen ist nämlich hier zur zweiten Potenz erhoben. In diesen Punkt fällt das Handeln als die objektive oder reale Seite, zu der sich das Wissen als die subjektive verhält.
Das Wesen der idealen Welt ist aber ebenso wie das Wesen der realen die Indifferenz. Wissen und Handeln indifferenziiren sich also nothwendig in einem Dritten, welches als das Affirmirende beider die dritte Potenz ist. In diesen Punkt fällt nun die Kunst, und ich stelle darnach bestimmt den Satz auf:
§. 14. Die Indifferenz des Idealen und Realen als Indifferenz stellt sich in der idealen Welt durch die Kunst dar. Denn die Kunst ist an sich weder ein bloßes Handeln noch ein bloßes Wissen, sondern sie ist ein ganz von Wissenschaft durchdrungenes
ausſchließlich an, und (was gleichfalls eine Folge davon iſt) weder dieſe noch jene für ſich kann höher als zur Indifferenz, nicht aber zur abſoluten Identität gelangen.
Wir verfahren nun in Anſehung des idealen All ebenſo wie in Anſehung des realen, und ſtellen zuvörderſt den Satz auf:
§. 12. Gott als die unendliche, alle Realität in ſich be- greifende Idealität, oder Gott als unendlich Affirmiren- des, iſt, als ſolches, das Weſen des idealen All. Dieß iſt von ſelbſt deutlich ſchon durch den Gegenſatz.
§. 13. Das ideale All begreift dieſelben Einheiten in ſich, die auch das reale in ſich begreift: die reale, ideale und — nicht die abſolute Identität beider (denn dieſe gehört weder ihr noch der realen beſonders an) — ſondern die Indifferenz bei- der. Auch hier bezeichnen wir dieſe Einheiten durch Potenzen; nur iſt zu bemerken, daß, wie in der realen Welt die Potenzen Potenzen des idealen Faktors ſind, ſo hier des realen vermöge des entgegengeſetzten Verhältniſſes beider. Die erſte Potenz bezeichnet hier das Uebergewicht des Idealen; die Realität iſt hier nur in der erſten Potenz des Affir- mirtſeyns geſetzt. In dieſen Punkt fällt das Wiſſen, welches demnach mit dem größten Uebergewicht des idealen Faktors oder des Subjektiven geſetzt iſt. Die dritte Potenz beruht auf einem Uebergewicht des Realen; der Faktor des Realen iſt nämlich hier zur zweiten Potenz erhoben. In dieſen Punkt fällt das Handeln als die objektive oder reale Seite, zu der ſich das Wiſſen als die ſubjektive verhält.
Das Weſen der idealen Welt iſt aber ebenſo wie das Weſen der realen die Indifferenz. Wiſſen und Handeln indifferenziiren ſich alſo nothwendig in einem Dritten, welches als das Affirmirende beider die dritte Potenz iſt. In dieſen Punkt fällt nun die Kunſt, und ich ſtelle darnach beſtimmt den Satz auf:
§. 14. Die Indifferenz des Idealen und Realen als Indifferenz ſtellt ſich in der idealen Welt durch die Kunſt dar. Denn die Kunſt iſt an ſich weder ein bloßes Handeln noch ein bloßes Wiſſen, ſondern ſie iſt ein ganz von Wiſſenſchaft durchdrungenes
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ausſchließlich an, und (was gleichfalls eine Folge davon iſt) weder dieſe
noch jene für ſich kann höher als zur Indifferenz, nicht aber zur
abſoluten Identität gelangen.
Wir verfahren nun in Anſehung des idealen All ebenſo wie in
Anſehung des realen, und ſtellen zuvörderſt den Satz auf:
§. 12. Gott als die unendliche, alle Realität in ſich be-
greifende Idealität, oder Gott als unendlich Affirmiren-
des, iſt, als ſolches, das Weſen des idealen All. Dieß iſt
von ſelbſt deutlich ſchon durch den Gegenſatz.
§. 13. Das ideale All begreift dieſelben Einheiten in
ſich, die auch das reale in ſich begreift: die reale, ideale
und — nicht die abſolute Identität beider (denn dieſe gehört weder
ihr noch der realen beſonders an) — ſondern die Indifferenz bei-
der. Auch hier bezeichnen wir dieſe Einheiten durch Potenzen; nur iſt
zu bemerken, daß, wie in der realen Welt die Potenzen Potenzen des
idealen Faktors ſind, ſo hier des realen vermöge des entgegengeſetzten
Verhältniſſes beider. Die erſte Potenz bezeichnet hier das Uebergewicht
des Idealen; die Realität iſt hier nur in der erſten Potenz des Affir-
mirtſeyns geſetzt. In dieſen Punkt fällt das Wiſſen, welches demnach
mit dem größten Uebergewicht des idealen Faktors oder des Subjektiven
geſetzt iſt. Die dritte Potenz beruht auf einem Uebergewicht des Realen;
der Faktor des Realen iſt nämlich hier zur zweiten Potenz erhoben.
In dieſen Punkt fällt das Handeln als die objektive oder reale Seite,
zu der ſich das Wiſſen als die ſubjektive verhält.
Das Weſen der idealen Welt iſt aber ebenſo wie das Weſen
der realen die Indifferenz. Wiſſen und Handeln indifferenziiren ſich
alſo nothwendig in einem Dritten, welches als das Affirmirende beider
die dritte Potenz iſt. In dieſen Punkt fällt nun die Kunſt, und
ich ſtelle darnach beſtimmt den Satz auf:
§. 14. Die Indifferenz des Idealen und Realen als
Indifferenz ſtellt ſich in der idealen Welt durch die Kunſt
dar. Denn die Kunſt iſt an ſich weder ein bloßes Handeln noch ein
bloßes Wiſſen, ſondern ſie iſt ein ganz von Wiſſenſchaft durchdrungenes
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/56>, abgerufen am 16.02.2025.
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