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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

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Erläuterung. Das unendliche Affirmirtseyn Gottes spricht sich
aus in der Natur, als der realen Welt, die dann selbst wieder im All
für sich alle Einheit begreift. Ich bemerke hierüber noch Folgendes. --
Wir bezeichnen die Einheiten oder die besonderen Folgen der Affirma-
tion Gottes, sofern sie im realen oder idealen All wiederkehren, durch
Potenzen. Die erste Potenz der Natur ist die Materie, sofern sie mit
dem Uebergewicht des Affirmirtseyns oder unter der Form der Einbil-
dung der Idealität in die Realität gesetzt ist. Die andere Potenz ist
das Licht als die alle Realität in sich auflösende Idealität. Das
Wesen der Natur als Natur kann aber einzig durch die dritte Potenz
dargestellt werden, welche das gleicherweise Affirmirende des Realen oder der
Materie und des Idealen oder des Lichts ist, und eben dadurch beide gleich-
setzt. Das Wesen der Materie = Seyn, des Lichts = Thätigkeit. In der
dritten Potenz müssen also Thätigkeit und Seyn verbunden und indifferent
seyn. Die Materie, nicht an sich, sondern der körperlichen Erscheinung nach
betrachtet, ist nicht Substanz, sondern bloß Accidens (Form), dem das
Wesen oder das Allgemeine im Licht gegenübersteht. In der dritten
Potenz integriren sich beide, es entsteht ein Indifferentes, in dem Wesen
und Form ein und dasselbe, das Wesen von der Form, die Form
von dem Wesen unzertrennlich ist. Ein solches ist Organismus, weil
sein Wesen als Organismus von dem Bestehen der Form unzertrenn-
lich ist, weil in ihm ferner das Seyn unmittelbar auch Thätigkeit, das
Affirmirte dem Affirmirenden absolut gleich ist. Keine dieser Formen ins-
besondere, noch eben deßhalb auch die Natur in den Geschiedenheiten dieser
Formen ist eine vollkommene Offenbarung des Göttlichen. Denn nicht
der besonderen Folge seiner Affirmation ist Gott gleich, sondern der
Allheit dieser Folgen, sofern sie reine Position, als Allheit zugleich
absolute Identität ist. Nur also inwiefern die Natur sich selbst wieder
in Totalität und absolute Einheit der Formen verklärte -- nur insofern
wäre sie ein Spiegel der göttlichen. Jenes aber ist nur in der Ver-
nunft der Fall. Denn die Vernunft ist ebenso das Auflösende aller
besonderen Formen, wie es das All oder Gott ist. Die Vernunft
gehört aber eben deßwegen weder der realen noch der idealen Welt

Erläuterung. Das unendliche Affirmirtſeyn Gottes ſpricht ſich
aus in der Natur, als der realen Welt, die dann ſelbſt wieder im All
für ſich alle Einheit begreift. Ich bemerke hierüber noch Folgendes. —
Wir bezeichnen die Einheiten oder die beſonderen Folgen der Affirma-
tion Gottes, ſofern ſie im realen oder idealen All wiederkehren, durch
Potenzen. Die erſte Potenz der Natur iſt die Materie, ſofern ſie mit
dem Uebergewicht des Affirmirtſeyns oder unter der Form der Einbil-
dung der Idealität in die Realität geſetzt iſt. Die andere Potenz iſt
das Licht als die alle Realität in ſich auflöſende Idealität. Das
Weſen der Natur als Natur kann aber einzig durch die dritte Potenz
dargeſtellt werden, welche das gleicherweiſe Affirmirende des Realen oder der
Materie und des Idealen oder des Lichts iſt, und eben dadurch beide gleich-
ſetzt. Das Weſen der Materie = Seyn, des Lichts = Thätigkeit. In der
dritten Potenz müſſen alſo Thätigkeit und Seyn verbunden und indifferent
ſeyn. Die Materie, nicht an ſich, ſondern der körperlichen Erſcheinung nach
betrachtet, iſt nicht Subſtanz, ſondern bloß Accidens (Form), dem das
Weſen oder das Allgemeine im Licht gegenüberſteht. In der dritten
Potenz integriren ſich beide, es entſteht ein Indifferentes, in dem Weſen
und Form ein und daſſelbe, das Weſen von der Form, die Form
von dem Weſen unzertrennlich iſt. Ein ſolches iſt Organismus, weil
ſein Weſen als Organismus von dem Beſtehen der Form unzertrenn-
lich iſt, weil in ihm ferner das Seyn unmittelbar auch Thätigkeit, das
Affirmirte dem Affirmirenden abſolut gleich iſt. Keine dieſer Formen ins-
beſondere, noch eben deßhalb auch die Natur in den Geſchiedenheiten dieſer
Formen iſt eine vollkommene Offenbarung des Göttlichen. Denn nicht
der beſonderen Folge ſeiner Affirmation iſt Gott gleich, ſondern der
Allheit dieſer Folgen, ſofern ſie reine Poſition, als Allheit zugleich
abſolute Identität iſt. Nur alſo inwiefern die Natur ſich ſelbſt wieder
in Totalität und abſolute Einheit der Formen verklärte — nur inſofern
wäre ſie ein Spiegel der göttlichen. Jenes aber iſt nur in der Ver-
nunft der Fall. Denn die Vernunft iſt ebenſo das Auflöſende aller
beſonderen Formen, wie es das All oder Gott iſt. Die Vernunft
gehört aber eben deßwegen weder der realen noch der idealen Welt

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[379/0055] Erläuterung. Das unendliche Affirmirtſeyn Gottes ſpricht ſich aus in der Natur, als der realen Welt, die dann ſelbſt wieder im All für ſich alle Einheit begreift. Ich bemerke hierüber noch Folgendes. — Wir bezeichnen die Einheiten oder die beſonderen Folgen der Affirma- tion Gottes, ſofern ſie im realen oder idealen All wiederkehren, durch Potenzen. Die erſte Potenz der Natur iſt die Materie, ſofern ſie mit dem Uebergewicht des Affirmirtſeyns oder unter der Form der Einbil- dung der Idealität in die Realität geſetzt iſt. Die andere Potenz iſt das Licht als die alle Realität in ſich auflöſende Idealität. Das Weſen der Natur als Natur kann aber einzig durch die dritte Potenz dargeſtellt werden, welche das gleicherweiſe Affirmirende des Realen oder der Materie und des Idealen oder des Lichts iſt, und eben dadurch beide gleich- ſetzt. Das Weſen der Materie = Seyn, des Lichts = Thätigkeit. In der dritten Potenz müſſen alſo Thätigkeit und Seyn verbunden und indifferent ſeyn. Die Materie, nicht an ſich, ſondern der körperlichen Erſcheinung nach betrachtet, iſt nicht Subſtanz, ſondern bloß Accidens (Form), dem das Weſen oder das Allgemeine im Licht gegenüberſteht. In der dritten Potenz integriren ſich beide, es entſteht ein Indifferentes, in dem Weſen und Form ein und daſſelbe, das Weſen von der Form, die Form von dem Weſen unzertrennlich iſt. Ein ſolches iſt Organismus, weil ſein Weſen als Organismus von dem Beſtehen der Form unzertrenn- lich iſt, weil in ihm ferner das Seyn unmittelbar auch Thätigkeit, das Affirmirte dem Affirmirenden abſolut gleich iſt. Keine dieſer Formen ins- beſondere, noch eben deßhalb auch die Natur in den Geſchiedenheiten dieſer Formen iſt eine vollkommene Offenbarung des Göttlichen. Denn nicht der beſonderen Folge ſeiner Affirmation iſt Gott gleich, ſondern der Allheit dieſer Folgen, ſofern ſie reine Poſition, als Allheit zugleich abſolute Identität iſt. Nur alſo inwiefern die Natur ſich ſelbſt wieder in Totalität und abſolute Einheit der Formen verklärte — nur inſofern wäre ſie ein Spiegel der göttlichen. Jenes aber iſt nur in der Ver- nunft der Fall. Denn die Vernunft iſt ebenſo das Auflöſende aller beſonderen Formen, wie es das All oder Gott iſt. Die Vernunft gehört aber eben deßwegen weder der realen noch der idealen Welt

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/55>, abgerufen am 22.11.2024.