Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite

Natur verhält sich zum Universum, absolut betrachtet, wie jedermann
zugeben wird, als reales. Nun ist aber auch diejenige Einheit, welche
durch Einbildung der unendlichen Idealität in die Realität gesetzt ist,
das unendliche Affirmirt seyn Gottes im All, = reale Einheit. Denn
herrschend ist das, was das andere aufnimmt. Also etc.

Anmerkung. Unterschied zwischen der Natur, sofern sie er-
scheint
(diese ist bloße Natura naturata -- Natur in ihrer Besonde-
rung und Trennung vom All -- als bloßer Widerschein vom absoluten
All), und der Natur an sich, wiefern sie in das absolute All auf-
gelöst und Gott in seinem unendlichen Affirmirtseyn ist.

§. 9. Die ewige Natur begreift in sich wieder alle
Einheiten, die des Affirmirtseyns, des Affirmirenden und
der Indifferenz beider
. Denn das Universum an sich = Gott.
Wäre nun nicht in jedem die Einheit, die das Universum an sich be-
greift, wäre also nicht auch in der Natur wieder die ganze unendliche
Affirmation, d. h. das ganze Wesen Gottes, so hätte sich Gott im All
getheilt, welches unmöglich ist. Jeder der im All begriffenen Einheiten
ist also wieder der Abdruck des ganzen All.

Zur Erklärung: Auch in der erscheinenden Natur sind jene
Folgen der unendlichen Affirmation ins Unendliche nachzuweisen; nur
sind sie hier nicht ineinander, wie im absoluten All, sondern gesondert
und außereinander. Z. B. die Einbildung des Idealen ins Reale oder
die Form des Affirmirtseyns im All drückt sich durch Materie aus, die
Idealität, welche alle Realität auflöst, das Affirmirende, ist = Licht,
die Indifferenz = Organismus.

§. 10. Die Natur als solche erscheinend ist keine voll-
kommene Offenbarung Gottes
. Denn selbst der Organismus ist
nur besondere Potenz.

§. 11. Vollkommene Offenbarung Gottes ist nur da,
wo in der abgebildeten Welt selbst die einzelnen Formen
sich in absolute Identität auflösen, welches in der Ver-
nunft geschieht. Die Vernunft also ist im All selbst das
vollkommene Gegenbild Gottes
.

Natur verhält ſich zum Univerſum, abſolut betrachtet, wie jedermann
zugeben wird, als reales. Nun iſt aber auch diejenige Einheit, welche
durch Einbildung der unendlichen Idealität in die Realität geſetzt iſt,
das unendliche Affirmirt ſeyn Gottes im All, = reale Einheit. Denn
herrſchend iſt das, was das andere aufnimmt. Alſo ꝛc.

Anmerkung. Unterſchied zwiſchen der Natur, ſofern ſie er-
ſcheint
(dieſe iſt bloße Natura naturata — Natur in ihrer Beſonde-
rung und Trennung vom All — als bloßer Widerſchein vom abſoluten
All), und der Natur an ſich, wiefern ſie in das abſolute All auf-
gelöst und Gott in ſeinem unendlichen Affirmirtſeyn iſt.

§. 9. Die ewige Natur begreift in ſich wieder alle
Einheiten, die des Affirmirtſeyns, des Affirmirenden und
der Indifferenz beider
. Denn das Univerſum an ſich = Gott.
Wäre nun nicht in jedem die Einheit, die das Univerſum an ſich be-
greift, wäre alſo nicht auch in der Natur wieder die ganze unendliche
Affirmation, d. h. das ganze Weſen Gottes, ſo hätte ſich Gott im All
getheilt, welches unmöglich iſt. Jeder der im All begriffenen Einheiten
iſt alſo wieder der Abdruck des ganzen All.

Zur Erklärung: Auch in der erſcheinenden Natur ſind jene
Folgen der unendlichen Affirmation ins Unendliche nachzuweiſen; nur
ſind ſie hier nicht ineinander, wie im abſoluten All, ſondern geſondert
und außereinander. Z. B. die Einbildung des Idealen ins Reale oder
die Form des Affirmirtſeyns im All drückt ſich durch Materie aus, die
Idealität, welche alle Realität auflöst, das Affirmirende, iſt = Licht,
die Indifferenz = Organismus.

§. 10. Die Natur als ſolche erſcheinend iſt keine voll-
kommene Offenbarung Gottes
. Denn ſelbſt der Organismus iſt
nur beſondere Potenz.

§. 11. Vollkommene Offenbarung Gottes iſt nur da,
wo in der abgebildeten Welt ſelbſt die einzelnen Formen
ſich in abſolute Identität auflöſen, welches in der Ver-
nunft geſchieht. Die Vernunft alſo iſt im All ſelbſt das
vollkommene Gegenbild Gottes
.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0054" n="378"/>
Natur verhält &#x017F;ich zum Univer&#x017F;um, ab&#x017F;olut betrachtet, wie jedermann<lb/>
zugeben wird, als reales. Nun i&#x017F;t aber auch diejenige Einheit, welche<lb/>
durch Einbildung der unendlichen Idealität in die Realität ge&#x017F;etzt i&#x017F;t,<lb/>
das unendliche Affirmirt <hi rendition="#g">&#x017F;eyn</hi> Gottes im All, = reale Einheit. Denn<lb/>
herr&#x017F;chend i&#x017F;t das, was das andere aufnimmt. Al&#x017F;o &#xA75B;c.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Anmerkung</hi>. Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen der Natur, <hi rendition="#g">&#x017F;ofern &#x017F;ie er-<lb/>
&#x017F;cheint</hi> (die&#x017F;e i&#x017F;t bloße <hi rendition="#aq">Natura naturata</hi> &#x2014; Natur in ihrer Be&#x017F;onde-<lb/>
rung und Trennung vom All &#x2014; als bloßer Wider&#x017F;chein vom ab&#x017F;oluten<lb/>
All), und der <hi rendition="#g">Natur an &#x017F;ich</hi>, wiefern &#x017F;ie in das <hi rendition="#g">ab&#x017F;olute All</hi> auf-<lb/>
gelöst und Gott in &#x017F;einem unendlichen Affirmirt&#x017F;eyn i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>§. 9. <hi rendition="#g">Die ewige Natur begreift in &#x017F;ich wieder alle<lb/>
Einheiten, die des Affirmirt&#x017F;eyns, des Affirmirenden und<lb/>
der Indifferenz beider</hi>. Denn das Univer&#x017F;um an &#x017F;ich = Gott.<lb/>
Wäre nun nicht in jedem die Einheit, die das Univer&#x017F;um an &#x017F;ich be-<lb/>
greift, wäre al&#x017F;o nicht auch in der Natur wieder die ganze unendliche<lb/>
Affirmation, d. h. das ganze We&#x017F;en Gottes, &#x017F;o hätte &#x017F;ich Gott im All<lb/>
getheilt, welches unmöglich i&#x017F;t. Jeder der im All begriffenen Einheiten<lb/>
i&#x017F;t al&#x017F;o wieder der Abdruck des ganzen All.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Zur Erklärung</hi>: Auch in der er&#x017F;cheinenden Natur &#x017F;ind jene<lb/>
Folgen der unendlichen Affirmation ins Unendliche nachzuwei&#x017F;en; nur<lb/>
&#x017F;ind &#x017F;ie hier nicht ineinander, wie im ab&#x017F;oluten All, &#x017F;ondern ge&#x017F;ondert<lb/>
und außereinander. Z. B. die Einbildung des Idealen ins Reale oder<lb/>
die Form des Affirmirt&#x017F;eyns im All drückt &#x017F;ich durch Materie aus, die<lb/>
Idealität, welche alle Realität auflöst, das Affirmirende, i&#x017F;t = Licht,<lb/>
die Indifferenz = Organismus.</p><lb/>
            <p>§. 10. <hi rendition="#g">Die Natur als &#x017F;olche er&#x017F;cheinend i&#x017F;t keine voll-<lb/>
kommene Offenbarung Gottes</hi>. Denn &#x017F;elb&#x017F;t der Organismus i&#x017F;t<lb/>
nur be&#x017F;ondere Potenz.</p><lb/>
            <p>§. 11. <hi rendition="#g">Vollkommene Offenbarung Gottes i&#x017F;t nur da,<lb/>
wo in der abgebildeten Welt &#x017F;elb&#x017F;t die einzelnen Formen<lb/>
&#x017F;ich in ab&#x017F;olute Identität auflö&#x017F;en, welches in der Ver-<lb/>
nunft ge&#x017F;chieht. Die Vernunft al&#x017F;o i&#x017F;t im All &#x017F;elb&#x017F;t das<lb/>
vollkommene Gegenbild Gottes</hi>.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[378/0054] Natur verhält ſich zum Univerſum, abſolut betrachtet, wie jedermann zugeben wird, als reales. Nun iſt aber auch diejenige Einheit, welche durch Einbildung der unendlichen Idealität in die Realität geſetzt iſt, das unendliche Affirmirt ſeyn Gottes im All, = reale Einheit. Denn herrſchend iſt das, was das andere aufnimmt. Alſo ꝛc. Anmerkung. Unterſchied zwiſchen der Natur, ſofern ſie er- ſcheint (dieſe iſt bloße Natura naturata — Natur in ihrer Beſonde- rung und Trennung vom All — als bloßer Widerſchein vom abſoluten All), und der Natur an ſich, wiefern ſie in das abſolute All auf- gelöst und Gott in ſeinem unendlichen Affirmirtſeyn iſt. §. 9. Die ewige Natur begreift in ſich wieder alle Einheiten, die des Affirmirtſeyns, des Affirmirenden und der Indifferenz beider. Denn das Univerſum an ſich = Gott. Wäre nun nicht in jedem die Einheit, die das Univerſum an ſich be- greift, wäre alſo nicht auch in der Natur wieder die ganze unendliche Affirmation, d. h. das ganze Weſen Gottes, ſo hätte ſich Gott im All getheilt, welches unmöglich iſt. Jeder der im All begriffenen Einheiten iſt alſo wieder der Abdruck des ganzen All. Zur Erklärung: Auch in der erſcheinenden Natur ſind jene Folgen der unendlichen Affirmation ins Unendliche nachzuweiſen; nur ſind ſie hier nicht ineinander, wie im abſoluten All, ſondern geſondert und außereinander. Z. B. die Einbildung des Idealen ins Reale oder die Form des Affirmirtſeyns im All drückt ſich durch Materie aus, die Idealität, welche alle Realität auflöst, das Affirmirende, iſt = Licht, die Indifferenz = Organismus. §. 10. Die Natur als ſolche erſcheinend iſt keine voll- kommene Offenbarung Gottes. Denn ſelbſt der Organismus iſt nur beſondere Potenz. §. 11. Vollkommene Offenbarung Gottes iſt nur da, wo in der abgebildeten Welt ſelbſt die einzelnen Formen ſich in abſolute Identität auflöſen, welches in der Ver- nunft geſchieht. Die Vernunft alſo iſt im All ſelbſt das vollkommene Gegenbild Gottes.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/54
Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/54>, abgerufen am 05.05.2024.