Zustande. Sein Verhältniß kann sich nur innerlich lösen, und wenn die Götter, wie in den Eumeniden des Aeschylos das versöhnende Princip sind, so müssen sie selbst zu den Bedingungen herabsteigen, unter welchen der Mensch ist; auch sie können nicht versöhnen oder erretten, als in- wiefern sie das Gleichgewicht der Freiheit und Nothwendigkeit herstellen und sich mit den Gottheiten des Rechts und des Schicksals in Unter- handlungen setzen. In diesem Fall aber ist in ihrer Erscheinung nichts Wunderbares, und die Errettung und Hülfe, die sie schaffen, leisten sie nicht als Götter, sondern dadurch, daß sie zu dem Loos der Menschen herabsteigen und sich selbst dem Recht und der Nothwendigkeit fügen. Wenn aber Götter in der Tragödie feindlich wirken, so sind sie selbst das Schicksal; auch thun sie es nicht in Person, sondern auch ihre feindliche Wirkung äußert sich durch eine innere Nothwendigkeit im Han- delnden, wie bei der Phädra.
Die Götter also in der Tragödie zu Hülfe zu rufen, um die Handlung nur äußerlich zu enden, wahrhaft aber und innerlich zu unter- brechen oder ungeschlossen zu lassen, wäre für das ganze Wesen der Tragödie zerstörend. Dasjenige Uebel, was Götter als solche durch ihre bloße Dazwischenkunft heilen können, ist an sich selbst kein wahrhaft tragisches Uebel. Umgekehrt; wo ein solches vorhanden ist, vermögen sie nichts, und wenn sie dennoch herbeigerufen werden, so ist dieß, was man den Deus ex machina nennt, und was allgemein als eversiv für das Wesen der Tragödie erkannt ist.
Denn -- um mit dieser Bestimmung die Untersuchung über die innere Construktion der Tragödie zu vollenden -- so muß die Handlung nicht bloß äußerlich, sondern innerlich, im Gemüth selbst, geschlossen werden, wie es eine innerliche Empörung ist, welche das Tragische eigentlich hervorbringt. Nur von dieser inneren Versöhnung aus geht jene Harmonie, die wir zur Vollendung fordern. Schlechten Poeten ge- nügt es die mühsam fortgeführte Handlung nur äußerlich zu schließen. Ebensowenig als dieß geschehen darf, darf die Versöhnung durch etwas Fremdartiges, Außerordentliches, außer dem Gemüth und der Handlung Liegendes geschehen, als ob die Herbheit des wahren Schicksals durch
Zuſtande. Sein Verhältniß kann ſich nur innerlich löſen, und wenn die Götter, wie in den Eumeniden des Aeſchylos das verſöhnende Princip ſind, ſo müſſen ſie ſelbſt zu den Bedingungen herabſteigen, unter welchen der Menſch iſt; auch ſie können nicht verſöhnen oder erretten, als in- wiefern ſie das Gleichgewicht der Freiheit und Nothwendigkeit herſtellen und ſich mit den Gottheiten des Rechts und des Schickſals in Unter- handlungen ſetzen. In dieſem Fall aber iſt in ihrer Erſcheinung nichts Wunderbares, und die Errettung und Hülfe, die ſie ſchaffen, leiſten ſie nicht als Götter, ſondern dadurch, daß ſie zu dem Loos der Menſchen herabſteigen und ſich ſelbſt dem Recht und der Nothwendigkeit fügen. Wenn aber Götter in der Tragödie feindlich wirken, ſo ſind ſie ſelbſt das Schickſal; auch thun ſie es nicht in Perſon, ſondern auch ihre feindliche Wirkung äußert ſich durch eine innere Nothwendigkeit im Han- delnden, wie bei der Phädra.
Die Götter alſo in der Tragödie zu Hülfe zu rufen, um die Handlung nur äußerlich zu enden, wahrhaft aber und innerlich zu unter- brechen oder ungeſchloſſen zu laſſen, wäre für das ganze Weſen der Tragödie zerſtörend. Dasjenige Uebel, was Götter als ſolche durch ihre bloße Dazwiſchenkunft heilen können, iſt an ſich ſelbſt kein wahrhaft tragiſches Uebel. Umgekehrt; wo ein ſolches vorhanden iſt, vermögen ſie nichts, und wenn ſie dennoch herbeigerufen werden, ſo iſt dieß, was man den Deus ex machina nennt, und was allgemein als everſiv für das Weſen der Tragödie erkannt iſt.
Denn — um mit dieſer Beſtimmung die Unterſuchung über die innere Conſtruktion der Tragödie zu vollenden — ſo muß die Handlung nicht bloß äußerlich, ſondern innerlich, im Gemüth ſelbſt, geſchloſſen werden, wie es eine innerliche Empörung iſt, welche das Tragiſche eigentlich hervorbringt. Nur von dieſer inneren Verſöhnung aus geht jene Harmonie, die wir zur Vollendung fordern. Schlechten Poeten ge- nügt es die mühſam fortgeführte Handlung nur äußerlich zu ſchließen. Ebenſowenig als dieß geſchehen darf, darf die Verſöhnung durch etwas Fremdartiges, Außerordentliches, außer dem Gemüth und der Handlung Liegendes geſchehen, als ob die Herbheit des wahren Schickſals durch
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Zuſtande. Sein Verhältniß kann ſich nur innerlich löſen, und wenn die
Götter, wie in den Eumeniden des Aeſchylos das verſöhnende Princip
ſind, ſo müſſen ſie ſelbſt zu den Bedingungen herabſteigen, unter welchen
der Menſch iſt; auch ſie können nicht verſöhnen oder erretten, als in-
wiefern ſie das Gleichgewicht der Freiheit und Nothwendigkeit herſtellen
und ſich mit den Gottheiten des Rechts und des Schickſals in Unter-
handlungen ſetzen. In dieſem Fall aber iſt in ihrer Erſcheinung nichts
Wunderbares, und die Errettung und Hülfe, die ſie ſchaffen, leiſten
ſie nicht als Götter, ſondern dadurch, daß ſie zu dem Loos der Menſchen
herabſteigen und ſich ſelbſt dem Recht und der Nothwendigkeit fügen.
Wenn aber Götter in der Tragödie feindlich wirken, ſo ſind ſie ſelbſt
das Schickſal; auch thun ſie es nicht in Perſon, ſondern auch ihre
feindliche Wirkung äußert ſich durch eine innere Nothwendigkeit im Han-
delnden, wie bei der Phädra.
Die Götter alſo in der Tragödie zu Hülfe zu rufen, um die
Handlung nur äußerlich zu enden, wahrhaft aber und innerlich zu unter-
brechen oder ungeſchloſſen zu laſſen, wäre für das ganze Weſen der
Tragödie zerſtörend. Dasjenige Uebel, was Götter als ſolche durch
ihre bloße Dazwiſchenkunft heilen können, iſt an ſich ſelbſt kein wahrhaft
tragiſches Uebel. Umgekehrt; wo ein ſolches vorhanden iſt, vermögen
ſie nichts, und wenn ſie dennoch herbeigerufen werden, ſo iſt dieß, was
man den Deus ex machina nennt, und was allgemein als everſiv für
das Weſen der Tragödie erkannt iſt.
Denn — um mit dieſer Beſtimmung die Unterſuchung über die
innere Conſtruktion der Tragödie zu vollenden — ſo muß die Handlung
nicht bloß äußerlich, ſondern innerlich, im Gemüth ſelbſt, geſchloſſen
werden, wie es eine innerliche Empörung iſt, welche das Tragiſche
eigentlich hervorbringt. Nur von dieſer inneren Verſöhnung aus geht
jene Harmonie, die wir zur Vollendung fordern. Schlechten Poeten ge-
nügt es die mühſam fortgeführte Handlung nur äußerlich zu ſchließen.
Ebenſowenig als dieß geſchehen darf, darf die Verſöhnung durch etwas
Fremdartiges, Außerordentliches, außer dem Gemüth und der Handlung
Liegendes geſchehen, als ob die Herbheit des wahren Schickſals durch
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 703. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/379>, abgerufen am 22.11.2024.
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