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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

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rechnen, sondern ihr noch eine besondere Stelle anweisen). Auf keine
andere Weise, als wie sich in der Sprache das Wissen noch jetzt sym-
bolisch fasset, hat sich das göttliche Wissen in der Welt symbolisch ge-
faßt, so daß auch das Ganze der realen Welt (nämlich inwiefern sie
selbst wieder Einheit des Realen und Idealen ist) auch wieder ein
ursprüngliches Sprechen ist. Aber die reale Welt ist nicht mehr das
lebendige Wort, das Sprechen Gottes selbst, sondern nur das gespro-
chene -- geronnene -- Wort.

So ist die bildende Kunst nur das gestorbene Wort, aber doch auch
Wort, doch auch Sprechen, und je vollkommener es stirbt -- bis herauf
zu dem auf den Lippen der Niobe versteinerten Laut, desto höher ist
die bildende Kunst in ihrer Art, während dagegen auf der tieferen Stufe,
in der Musik, das in den Tod eingegangene Lebendige -- das ins
Endliche gesprochene Wort -- noch als Klang vernehmbar wird.

Auch in der bildenden Kunst also ist der absolute Erkenntnißakt, die
Idee, nur gleich von der realen Seite aufgefaßt, anstatt daß sie in der
Rede oder redenden Kunst ursprünglich als ideal aufgefaßt ist, und selbst
in der durchsichtigen Hülle, die sie annimmt, nicht aufhört es zu seyn.

Die Sprache als die sich lebendig aussprechende unendliche Affir-
mation ist das höchste Symbol des Chaos, das in dem absoluten Er-
kennen auf ewige Weise liegt. In der Sprache liegt alles als eins,
von welcher Seite man sie auffasse. Von der Seite des Tons oder der
Stimme liegen in ihr alle Töne, alle Klänge ihrer qualitativen Ver-
schiedenheit nach. Jene Verschiedenheiten sind alle vermischt in der
menschlichen Sprache; daher sie keinem Klang oder Ton insbesondere
ähnlich ist, weil alle in ihr liegen. Noch mehr ausgedrückt ist die ab-
solute Identität in der Sprache, inwiefern sie von der Seite ihrer
Bezeichnungen betrachtet wird. Sinnliches und Unsinnliches ist hier eins,
das Handgreiflichste wird zum Zeichen für das Geistigste. Alles wird
Bild von allem und die Sprache selbst eben dadurch Symbol der Iden-
tität aller Dinge. In der innern Construktion der Sprache selbst ist
alles Einzelne bestimmt durch das Ganze; es ist nicht Eine Form oder
einzelne Rede möglich, die nicht das Ganze forderte.

rechnen, ſondern ihr noch eine beſondere Stelle anweiſen). Auf keine
andere Weiſe, als wie ſich in der Sprache das Wiſſen noch jetzt ſym-
boliſch faſſet, hat ſich das göttliche Wiſſen in der Welt ſymboliſch ge-
faßt, ſo daß auch das Ganze der realen Welt (nämlich inwiefern ſie
ſelbſt wieder Einheit des Realen und Idealen iſt) auch wieder ein
urſprüngliches Sprechen iſt. Aber die reale Welt iſt nicht mehr das
lebendige Wort, das Sprechen Gottes ſelbſt, ſondern nur das geſpro-
chene — geronnene — Wort.

So iſt die bildende Kunſt nur das geſtorbene Wort, aber doch auch
Wort, doch auch Sprechen, und je vollkommener es ſtirbt — bis herauf
zu dem auf den Lippen der Niobe verſteinerten Laut, deſto höher iſt
die bildende Kunſt in ihrer Art, während dagegen auf der tieferen Stufe,
in der Muſik, das in den Tod eingegangene Lebendige — das ins
Endliche geſprochene Wort — noch als Klang vernehmbar wird.

Auch in der bildenden Kunſt alſo iſt der abſolute Erkenntnißakt, die
Idee, nur gleich von der realen Seite aufgefaßt, anſtatt daß ſie in der
Rede oder redenden Kunſt urſprünglich als ideal aufgefaßt iſt, und ſelbſt
in der durchſichtigen Hülle, die ſie annimmt, nicht aufhört es zu ſeyn.

Die Sprache als die ſich lebendig ausſprechende unendliche Affir-
mation iſt das höchſte Symbol des Chaos, das in dem abſoluten Er-
kennen auf ewige Weiſe liegt. In der Sprache liegt alles als eins,
von welcher Seite man ſie auffaſſe. Von der Seite des Tons oder der
Stimme liegen in ihr alle Töne, alle Klänge ihrer qualitativen Ver-
ſchiedenheit nach. Jene Verſchiedenheiten ſind alle vermiſcht in der
menſchlichen Sprache; daher ſie keinem Klang oder Ton insbeſondere
ähnlich iſt, weil alle in ihr liegen. Noch mehr ausgedrückt iſt die ab-
ſolute Identität in der Sprache, inwiefern ſie von der Seite ihrer
Bezeichnungen betrachtet wird. Sinnliches und Unſinnliches iſt hier eins,
das Handgreiflichſte wird zum Zeichen für das Geiſtigſte. Alles wird
Bild von allem und die Sprache ſelbſt eben dadurch Symbol der Iden-
tität aller Dinge. In der innern Conſtruktion der Sprache ſelbſt iſt
alles Einzelne beſtimmt durch das Ganze; es iſt nicht Eine Form oder
einzelne Rede möglich, die nicht das Ganze forderte.

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[484/0160] rechnen, ſondern ihr noch eine beſondere Stelle anweiſen). Auf keine andere Weiſe, als wie ſich in der Sprache das Wiſſen noch jetzt ſym- boliſch faſſet, hat ſich das göttliche Wiſſen in der Welt ſymboliſch ge- faßt, ſo daß auch das Ganze der realen Welt (nämlich inwiefern ſie ſelbſt wieder Einheit des Realen und Idealen iſt) auch wieder ein urſprüngliches Sprechen iſt. Aber die reale Welt iſt nicht mehr das lebendige Wort, das Sprechen Gottes ſelbſt, ſondern nur das geſpro- chene — geronnene — Wort. So iſt die bildende Kunſt nur das geſtorbene Wort, aber doch auch Wort, doch auch Sprechen, und je vollkommener es ſtirbt — bis herauf zu dem auf den Lippen der Niobe verſteinerten Laut, deſto höher iſt die bildende Kunſt in ihrer Art, während dagegen auf der tieferen Stufe, in der Muſik, das in den Tod eingegangene Lebendige — das ins Endliche geſprochene Wort — noch als Klang vernehmbar wird. Auch in der bildenden Kunſt alſo iſt der abſolute Erkenntnißakt, die Idee, nur gleich von der realen Seite aufgefaßt, anſtatt daß ſie in der Rede oder redenden Kunſt urſprünglich als ideal aufgefaßt iſt, und ſelbſt in der durchſichtigen Hülle, die ſie annimmt, nicht aufhört es zu ſeyn. Die Sprache als die ſich lebendig ausſprechende unendliche Affir- mation iſt das höchſte Symbol des Chaos, das in dem abſoluten Er- kennen auf ewige Weiſe liegt. In der Sprache liegt alles als eins, von welcher Seite man ſie auffaſſe. Von der Seite des Tons oder der Stimme liegen in ihr alle Töne, alle Klänge ihrer qualitativen Ver- ſchiedenheit nach. Jene Verſchiedenheiten ſind alle vermiſcht in der menſchlichen Sprache; daher ſie keinem Klang oder Ton insbeſondere ähnlich iſt, weil alle in ihr liegen. Noch mehr ausgedrückt iſt die ab- ſolute Identität in der Sprache, inwiefern ſie von der Seite ihrer Bezeichnungen betrachtet wird. Sinnliches und Unſinnliches iſt hier eins, das Handgreiflichſte wird zum Zeichen für das Geiſtigſte. Alles wird Bild von allem und die Sprache ſelbſt eben dadurch Symbol der Iden- tität aller Dinge. In der innern Conſtruktion der Sprache ſelbſt iſt alles Einzelne beſtimmt durch das Ganze; es iſt nicht Eine Form oder einzelne Rede möglich, die nicht das Ganze forderte.

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/160>, abgerufen am 23.11.2024.