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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

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erscheint sie nicht mehr als Idee, als Selbstaffirmation, sondern als
Affirmirtes, als Materie; die reelle Seite als besondere wird hier
zum Symbol der absoluten Idee, die erst durch diese Hülle hindurch
als solche erkannt wird.

Da wo der Idee die ideale Einheit selbst, als besondere, zur Form
wird -- in der idealen Welt -- wird sie nicht in ein anderes verstellt,
sie bleibt ideal, aber so, daß sie die andere Seite dagegen zurückläßt,
und demnach nicht als absolut Ideales erscheint, sondern als bloß rela-
tiv Ideales, das das Reale außer sich -- sich entgegenstehend -- hat.
Als rein-Ideales wird sie aber nicht objektiv, sie fällt in das Subjek-
tive zurück, und ist selbst das Subjektive; sie strebt also nothwendig
unmittelbar wieder nach einer Hülle, einem Leib, durch den sie ihrer
Idealität unbeschadet objektiv werde; sie integrirt sich wieder durch ein
Reales. In dieser Integration entsteht das entsprechendste Symbol der
absoluten oder unendlichen Affirmation Gottes, weil diese hier sich
durch ein Reales darstellt, ohne daß sie aufhörte ideal zu seyn (welches
eben die höchste Forderung ist), und dieses Symbol ist die Sprache,
wie sich leicht einsehen läßt.

Aus diesem Grunde hat nicht nur in den meisten Sprachen Sprache
und Vernunft (welche eben das absolute Erkennen, das Erkennende der
Ideen ist) ein und denselben Ausdruck, sondern auch in den meisten
philosophischen und religiösen Systemen, vorzüglich des Orients, ist der
ewige und absolute Akt der Selbstaffirmation in Gott -- der Akt
seines ewigen Schaffens -- als das sprechende Wort Gottes, der
Logos, der zugleich Gott selbst ist, bezeichnet worden.

Das Wort oder Sprechen Gottes betrachtete man als den Ausfluß
der göttlichen Wissenschaft, als die gebärende, in sich unterschiedene und
doch zusammenstimmende Harmonie des göttlichen Producirens.

Wir werden nach dieser hohen Bedeutung der Sprache, da sie
nämlich der nicht bloß relative, sondern der mit seinem Entgegengesetzten
wieder integrirte, in so fern wieder absolute Erkenntnißakt ist, auch die
bildende Kunst der redenden nicht absolut entgegensetzen, wie die meisten
thun (weßhalb sie z. B. die Musik nicht recht unter die bildenden Künste

erſcheint ſie nicht mehr als Idee, als Selbſtaffirmation, ſondern als
Affirmirtes, als Materie; die reelle Seite als beſondere wird hier
zum Symbol der abſoluten Idee, die erſt durch dieſe Hülle hindurch
als ſolche erkannt wird.

Da wo der Idee die ideale Einheit ſelbſt, als beſondere, zur Form
wird — in der idealen Welt — wird ſie nicht in ein anderes verſtellt,
ſie bleibt ideal, aber ſo, daß ſie die andere Seite dagegen zurückläßt,
und demnach nicht als abſolut Ideales erſcheint, ſondern als bloß rela-
tiv Ideales, das das Reale außer ſich — ſich entgegenſtehend — hat.
Als rein-Ideales wird ſie aber nicht objektiv, ſie fällt in das Subjek-
tive zurück, und iſt ſelbſt das Subjektive; ſie ſtrebt alſo nothwendig
unmittelbar wieder nach einer Hülle, einem Leib, durch den ſie ihrer
Idealität unbeſchadet objektiv werde; ſie integrirt ſich wieder durch ein
Reales. In dieſer Integration entſteht das entſprechendſte Symbol der
abſoluten oder unendlichen Affirmation Gottes, weil dieſe hier ſich
durch ein Reales darſtellt, ohne daß ſie aufhörte ideal zu ſeyn (welches
eben die höchſte Forderung iſt), und dieſes Symbol iſt die Sprache,
wie ſich leicht einſehen läßt.

Aus dieſem Grunde hat nicht nur in den meiſten Sprachen Sprache
und Vernunft (welche eben das abſolute Erkennen, das Erkennende der
Ideen iſt) ein und denſelben Ausdruck, ſondern auch in den meiſten
philoſophiſchen und religiöſen Syſtemen, vorzüglich des Orients, iſt der
ewige und abſolute Akt der Selbſtaffirmation in Gott — der Akt
ſeines ewigen Schaffens — als das ſprechende Wort Gottes, der
Logos, der zugleich Gott ſelbſt iſt, bezeichnet worden.

Das Wort oder Sprechen Gottes betrachtete man als den Ausfluß
der göttlichen Wiſſenſchaft, als die gebärende, in ſich unterſchiedene und
doch zuſammenſtimmende Harmonie des göttlichen Producirens.

Wir werden nach dieſer hohen Bedeutung der Sprache, da ſie
nämlich der nicht bloß relative, ſondern der mit ſeinem Entgegengeſetzten
wieder integrirte, in ſo fern wieder abſolute Erkenntnißakt iſt, auch die
bildende Kunſt der redenden nicht abſolut entgegenſetzen, wie die meiſten
thun (weßhalb ſie z. B. die Muſik nicht recht unter die bildenden Künſte

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[483/0159] erſcheint ſie nicht mehr als Idee, als Selbſtaffirmation, ſondern als Affirmirtes, als Materie; die reelle Seite als beſondere wird hier zum Symbol der abſoluten Idee, die erſt durch dieſe Hülle hindurch als ſolche erkannt wird. Da wo der Idee die ideale Einheit ſelbſt, als beſondere, zur Form wird — in der idealen Welt — wird ſie nicht in ein anderes verſtellt, ſie bleibt ideal, aber ſo, daß ſie die andere Seite dagegen zurückläßt, und demnach nicht als abſolut Ideales erſcheint, ſondern als bloß rela- tiv Ideales, das das Reale außer ſich — ſich entgegenſtehend — hat. Als rein-Ideales wird ſie aber nicht objektiv, ſie fällt in das Subjek- tive zurück, und iſt ſelbſt das Subjektive; ſie ſtrebt alſo nothwendig unmittelbar wieder nach einer Hülle, einem Leib, durch den ſie ihrer Idealität unbeſchadet objektiv werde; ſie integrirt ſich wieder durch ein Reales. In dieſer Integration entſteht das entſprechendſte Symbol der abſoluten oder unendlichen Affirmation Gottes, weil dieſe hier ſich durch ein Reales darſtellt, ohne daß ſie aufhörte ideal zu ſeyn (welches eben die höchſte Forderung iſt), und dieſes Symbol iſt die Sprache, wie ſich leicht einſehen läßt. Aus dieſem Grunde hat nicht nur in den meiſten Sprachen Sprache und Vernunft (welche eben das abſolute Erkennen, das Erkennende der Ideen iſt) ein und denſelben Ausdruck, ſondern auch in den meiſten philoſophiſchen und religiöſen Syſtemen, vorzüglich des Orients, iſt der ewige und abſolute Akt der Selbſtaffirmation in Gott — der Akt ſeines ewigen Schaffens — als das ſprechende Wort Gottes, der Logos, der zugleich Gott ſelbſt iſt, bezeichnet worden. Das Wort oder Sprechen Gottes betrachtete man als den Ausfluß der göttlichen Wiſſenſchaft, als die gebärende, in ſich unterſchiedene und doch zuſammenſtimmende Harmonie des göttlichen Producirens. Wir werden nach dieſer hohen Bedeutung der Sprache, da ſie nämlich der nicht bloß relative, ſondern der mit ſeinem Entgegengeſetzten wieder integrirte, in ſo fern wieder abſolute Erkenntnißakt iſt, auch die bildende Kunſt der redenden nicht abſolut entgegenſetzen, wie die meiſten thun (weßhalb ſie z. B. die Muſik nicht recht unter die bildenden Künſte

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 483. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/159>, abgerufen am 23.11.2024.