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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

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ein solches, das gleicherweise seyn und nicht seyn konnte, verdient diesen
Namen nicht 1).

§. 64. Erklärung. Die reale Seite des Genies oder
diejenige Einheit, welche Einbildung des Unendlichen ins
Endliche ist, kann im engern Sinn die Poesie, die ideale
Seite oder diejenige Einheit, welche Einbildung des End-
lichen ins Unendliche ist, kann die Kunst in der Kunst
heißen
.

Erläuterung. Unter Poesie im engern Sinne wird, wenn wir
uns auch bloß an die Sprachbedeutung halten, das unmittelbare Her-
vorbringen oder Schaffen eines Realen verstanden, die Invention
an und für sich selbst. Alles unmittelbare Hervorbringen oder Schaffen
ist aber immer und nothwendig Darstellung eines Unendlichen, eines
Begriffs in einem Endlichen oder Realen. Die Idee der Kunst beziehen
wir alle mehr auf die entgegengesetzte Einheit, die der Einbildung des
Besonderen ins Allgemeine. In der Invention expandirt oder ergießt
sich das Genie in das Besondere; in der Form nimmt es das Beson-
dere zurück in das Unendliche. -- Nur in der vollendeten Einbildung
des Unendlichen in das Endliche wird dieses etwas für sich Bestehendes,
ein Wesen an sich selbst, das nicht bloß ein anderes bedeutet. So
gibt das Absolute den Ideen der Dinge, die in ihm sind, ein unab-
hängiges Leben, indem es sie in die Endlichkeit auf ewige Weise ein-
bildet; dadurch bekommen sie ein Leben in sich selbst, und nur sofern
in sich absolut, sind sie im Absoluten. Poesie und Kunst also sind wie
die zwei Einheiten: Poesie das, wodurch ein Ding Leben und Realität
in sich selbst hat, Kunst das, wodurch es in dem Hervorbringenden ist.

§. 65. Erklärung. Die erste der beiden Einheiten,
die, welche Einbildung des Unendlichen ins Endliche,
drückt sich an dem Kunstwerk vorzugsweise als Erhaben-
heit,
die andere, welche Einbildung des Endlichen ins
Unendliche, als Schönheit aus
.

1) Vergl. die Aeußerung in der Einleitung in die Philosophie der Mythologie,
(2. Abth., 1. Bd.) S. 242. D. H.

ein ſolches, das gleicherweiſe ſeyn und nicht ſeyn konnte, verdient dieſen
Namen nicht 1).

§. 64. Erklärung. Die reale Seite des Genies oder
diejenige Einheit, welche Einbildung des Unendlichen ins
Endliche iſt, kann im engern Sinn die Poeſie, die ideale
Seite oder diejenige Einheit, welche Einbildung des End-
lichen ins Unendliche iſt, kann die Kunſt in der Kunſt
heißen
.

Erläuterung. Unter Poeſie im engern Sinne wird, wenn wir
uns auch bloß an die Sprachbedeutung halten, das unmittelbare Her-
vorbringen oder Schaffen eines Realen verſtanden, die Invention
an und für ſich ſelbſt. Alles unmittelbare Hervorbringen oder Schaffen
iſt aber immer und nothwendig Darſtellung eines Unendlichen, eines
Begriffs in einem Endlichen oder Realen. Die Idee der Kunſt beziehen
wir alle mehr auf die entgegengeſetzte Einheit, die der Einbildung des
Beſonderen ins Allgemeine. In der Invention expandirt oder ergießt
ſich das Genie in das Beſondere; in der Form nimmt es das Beſon-
dere zurück in das Unendliche. — Nur in der vollendeten Einbildung
des Unendlichen in das Endliche wird dieſes etwas für ſich Beſtehendes,
ein Weſen an ſich ſelbſt, das nicht bloß ein anderes bedeutet. So
gibt das Abſolute den Ideen der Dinge, die in ihm ſind, ein unab-
hängiges Leben, indem es ſie in die Endlichkeit auf ewige Weiſe ein-
bildet; dadurch bekommen ſie ein Leben in ſich ſelbſt, und nur ſofern
in ſich abſolut, ſind ſie im Abſoluten. Poeſie und Kunſt alſo ſind wie
die zwei Einheiten: Poeſie das, wodurch ein Ding Leben und Realität
in ſich ſelbſt hat, Kunſt das, wodurch es in dem Hervorbringenden iſt.

§. 65. Erklärung. Die erſte der beiden Einheiten,
die, welche Einbildung des Unendlichen ins Endliche,
drückt ſich an dem Kunſtwerk vorzugsweiſe als Erhaben-
heit,
die andere, welche Einbildung des Endlichen ins
Unendliche, als Schönheit aus
.

1) Vergl. die Aeußerung in der Einleitung in die Philoſophie der Mythologie,
(2. Abth., 1. Bd.) S. 242. D. H.
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[461/0137] ein ſolches, das gleicherweiſe ſeyn und nicht ſeyn konnte, verdient dieſen Namen nicht 1). §. 64. Erklärung. Die reale Seite des Genies oder diejenige Einheit, welche Einbildung des Unendlichen ins Endliche iſt, kann im engern Sinn die Poeſie, die ideale Seite oder diejenige Einheit, welche Einbildung des End- lichen ins Unendliche iſt, kann die Kunſt in der Kunſt heißen. Erläuterung. Unter Poeſie im engern Sinne wird, wenn wir uns auch bloß an die Sprachbedeutung halten, das unmittelbare Her- vorbringen oder Schaffen eines Realen verſtanden, die Invention an und für ſich ſelbſt. Alles unmittelbare Hervorbringen oder Schaffen iſt aber immer und nothwendig Darſtellung eines Unendlichen, eines Begriffs in einem Endlichen oder Realen. Die Idee der Kunſt beziehen wir alle mehr auf die entgegengeſetzte Einheit, die der Einbildung des Beſonderen ins Allgemeine. In der Invention expandirt oder ergießt ſich das Genie in das Beſondere; in der Form nimmt es das Beſon- dere zurück in das Unendliche. — Nur in der vollendeten Einbildung des Unendlichen in das Endliche wird dieſes etwas für ſich Beſtehendes, ein Weſen an ſich ſelbſt, das nicht bloß ein anderes bedeutet. So gibt das Abſolute den Ideen der Dinge, die in ihm ſind, ein unab- hängiges Leben, indem es ſie in die Endlichkeit auf ewige Weiſe ein- bildet; dadurch bekommen ſie ein Leben in ſich ſelbſt, und nur ſofern in ſich abſolut, ſind ſie im Abſoluten. Poeſie und Kunſt alſo ſind wie die zwei Einheiten: Poeſie das, wodurch ein Ding Leben und Realität in ſich ſelbſt hat, Kunſt das, wodurch es in dem Hervorbringenden iſt. §. 65. Erklärung. Die erſte der beiden Einheiten, die, welche Einbildung des Unendlichen ins Endliche, drückt ſich an dem Kunſtwerk vorzugsweiſe als Erhaben- heit, die andere, welche Einbildung des Endlichen ins Unendliche, als Schönheit aus. 1) Vergl. die Aeußerung in der Einleitung in die Philoſophie der Mythologie, (2. Abth., 1. Bd.) S. 242. D. H.

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/137>, abgerufen am 25.11.2024.