zur Eitelkeit, rechne) gar keinen Beweis einer dem Moralischguten anhänglichen, oder auch nur dazu geeigneten Denkungs- art abgebe. Dagegen aber behaupte ich, daß ein unmittelbares Jnteresse an der Schönheit der Natur zu nehmen (nicht bloß Geschmack haben, um sie zu beurtheilen) jederzeit ein Kennzeichen einer guten Seele sey; und daß, wenn dieses Jnteresse habituell ist, es wenigstens eine dem moralischen Gefühl günstige Ge- müthsstimmung anzeige, wenn es sich mit der Beschauung der Natur gern verbindet. Der, welcher einsam (und ohne Absicht, seine Bemerkungen Andern mittheilen zu wollen) die schöne Gestalt einer wilden Blume, eines Vo- gels, eines Jnsects u. s. w. betrachtet, um sie zu bewundern, zu lieben, und sie nicht gerne in der Natur überhaupt ver- missen zu wollen, ob ihm gleich dadurch
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zur Eitelkeit, rechne) gar keinen Beweis einer dem Moraliſchguten anhaͤnglichen, oder auch nur dazu geeigneten Denkungs- art abgebe. Dagegen aber behaupte ich, daß ein unmittelbares Jntereſſe an der Schoͤnheit der Natur zu nehmen (nicht bloß Geſchmack haben, um ſie zu beurtheilen) jederzeit ein Kennzeichen einer guten Seele ſey; und daß, wenn dieſes Jntereſſe habituell iſt, es wenigſtens eine dem moraliſchen Gefuͤhl guͤnſtige Ge- muͤthsſtimmung anzeige, wenn es ſich mit der Beſchauung der Natur gern verbindet. Der, welcher einſam (und ohne Abſicht, ſeine Bemerkungen Andern mittheilen zu wollen) die ſchoͤne Geſtalt einer wilden Blume, eines Vo- gels, eines Jnſects u. ſ. w. betrachtet, um ſie zu bewundern, zu lieben, und ſie nicht gerne in der Natur uͤberhaupt ver- miſſen zu wollen, ob ihm gleich dadurch
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zur Eitelkeit, rechne) gar keinen Beweis
einer dem Moraliſchguten anhaͤnglichen,
oder auch nur dazu geeigneten Denkungs-
art abgebe. Dagegen aber behaupte ich,
daß ein unmittelbares Jntereſſe
an der Schoͤnheit der Natur zu nehmen
(nicht bloß Geſchmack haben, um ſie zu
beurtheilen) jederzeit ein Kennzeichen einer
guten Seele ſey; und daß, wenn dieſes
Jntereſſe habituell iſt, es wenigſtens eine
dem moraliſchen Gefuͤhl guͤnſtige Ge-
muͤthsſtimmung anzeige, wenn es ſich
mit der Beſchauung der Natur
gern verbindet. Der, welcher einſam
(und ohne Abſicht, ſeine Bemerkungen
Andern mittheilen zu wollen) die ſchoͤne
Geſtalt einer wilden Blume, eines Vo-
gels, eines Jnſects u. ſ. w. betrachtet,
um ſie zu bewundern, zu lieben, und ſie
nicht gerne in der Natur uͤberhaupt ver-
miſſen zu wollen, ob ihm gleich dadurch
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Schelle, Karl Gottlob: Die Spatziergänge oder die Kunst spatzieren zu gehen. Leipzig, 1802, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelle_spatziergaenge_1802/215>, abgerufen am 24.11.2024.
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