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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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Nation nicht mehr bey uns zurückgeblieben
ist, nehmlich von ihrem Leichtsinn über Be-
stechung, ohne die bey ihren Officianten we-
nig auszurichten war, und aus der sie sich
so wenig machten, wie sich mancher, übri-
gens rechtlich denkende Mann, aus einer
Holz- oder Accisdefraudation macht, die
doch nicht minder ein Cassendiebstahl ist, als
eine Beutelentwendung oder Verfälschung.
Ducaten und schöne Weiber halfen bey ih-
nen zu allem, über alles und wider alles,
und an den russischen vornehmen Damen
war die Facilität zu Mancherley, wenig-
stens mir, oft sehr auffallend und anstößig.

Einen neuen doch minder sichtbaren Stoß
bekam die Sittengestalt in Königsberg in
den Jahren 1807 -- 1809. durch den Auf-
enthalt der sehr vielen nicht in diese Stadt
gehörenden, theils müßigen, theils nicht zu
sehr beschäftigten, wohlhabenden oder wohl-
bezahlten Menschen und des Hofes, bey dem
es auch in Zeiten der Entbehrung anders
zugeht wie in Städten, die keine Residenzen
sind, und dessen Beyspiel seiner Neuheit und

"werflich achtet, der denkende Kenner der Mensch-
"heit aber muß es nach seinem Werth zu würdi-
"gen wissen."
(den 23. Nov. 1814.)

Nation nicht mehr bey uns zuruͤckgeblieben
iſt, nehmlich von ihrem Leichtſinn uͤber Be-
ſtechung, ohne die bey ihren Officianten we-
nig auszurichten war, und aus der ſie ſich
ſo wenig machten, wie ſich mancher, uͤbri-
gens rechtlich denkende Mann, aus einer
Holz- oder Accisdefraudation macht, die
doch nicht minder ein Caſſendiebſtahl iſt, als
eine Beutelentwendung oder Verfaͤlſchung.
Ducaten und ſchoͤne Weiber halfen bey ih-
nen zu allem, uͤber alles und wider alles,
und an den ruſſiſchen vornehmen Damen
war die Facilitaͤt zu Mancherley, wenig-
ſtens mir, oft ſehr auffallend und anſtoͤßig.

Einen neuen doch minder ſichtbaren Stoß
bekam die Sittengeſtalt in Koͤnigsberg in
den Jahren 1807 — 1809. durch den Auf-
enthalt der ſehr vielen nicht in dieſe Stadt
gehoͤrenden, theils muͤßigen, theils nicht zu
ſehr beſchaͤftigten, wohlhabenden oder wohl-
bezahlten Menſchen und des Hofes, bey dem
es auch in Zeiten der Entbehrung anders
zugeht wie in Staͤdten, die keine Reſidenzen
ſind, und deſſen Beyſpiel ſeiner Neuheit und

„werflich achtet, der denkende Kenner der Menſch-
„heit aber muß es nach ſeinem Werth zu wuͤrdi-
„gen wiſſen.“
(den 23. Nov. 1814.)
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[69/0086] Nation nicht mehr bey uns zuruͤckgeblieben iſt, nehmlich von ihrem Leichtſinn uͤber Be- ſtechung, ohne die bey ihren Officianten we- nig auszurichten war, und aus der ſie ſich ſo wenig machten, wie ſich mancher, uͤbri- gens rechtlich denkende Mann, aus einer Holz- oder Accisdefraudation macht, die doch nicht minder ein Caſſendiebſtahl iſt, als eine Beutelentwendung oder Verfaͤlſchung. Ducaten und ſchoͤne Weiber halfen bey ih- nen zu allem, uͤber alles und wider alles, und an den ruſſiſchen vornehmen Damen war die Facilitaͤt zu Mancherley, wenig- ſtens mir, oft ſehr auffallend und anſtoͤßig. Einen neuen doch minder ſichtbaren Stoß bekam die Sittengeſtalt in Koͤnigsberg in den Jahren 1807 — 1809. durch den Auf- enthalt der ſehr vielen nicht in dieſe Stadt gehoͤrenden, theils muͤßigen, theils nicht zu ſehr beſchaͤftigten, wohlhabenden oder wohl- bezahlten Menſchen und des Hofes, bey dem es auch in Zeiten der Entbehrung anders zugeht wie in Staͤdten, die keine Reſidenzen ſind, und deſſen Beyſpiel ſeiner Neuheit und *) *) „werflich achtet, der denkende Kenner der Menſch- „heit aber muß es nach ſeinem Werth zu wuͤrdi- „gen wiſſen.“ (den 23. Nov. 1814.)

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/86>, abgerufen am 25.11.2024.