Vorwand der Dienstfertigkeit giebt ihrer Sa- che einen blanken Anstrich, befreyt sie aber nicht von den Vorwürfen, die man mit al- lem Recht der Moral des Schuster Crispi- nus macht; den Schaden ungerechnet, daß der durch sie hintergangene oft hart wird gegen manchen, der aus Noth borgt und nach Mitteln zum Ersatz fleißig strebt. Be- trug scheint mir ärger als Raub.
Ein andrer Umstand, der in mir die Ab- neigung gegen das Creditmachen beförderte, mag wohl in der Gewohnheit gelegen ha- ben, meine Ausgaben täglich haarklein auf- zuschreiben. Diese Sitte hat zweyerley Gu- tes: 1) man weiß, wo das Geld geblieben ist, 2) man wundert und schämt sich oft beym Nachlesen über manche Ausgaben und hütet sich sie zu wiederholen. Jch habe da- her immer jungen Leuten zur Führung eines solchen Büchleins angerathen, nur müssen Eltern, Vormünder etc. nicht seine Vorzei- gung verlangen, weil diese nur Anlaß geben würde, die verheimlichten Vera durch gleis- nerische Falsa zu decken und lügnerisch oder unverschämt zu werden. Sodann war ich auch kein Liebhaber von Kleiderstaat, den ich auch jetzt noch an allen Menschen, beson-
Vorwand der Dienſtfertigkeit giebt ihrer Sa- che einen blanken Anſtrich, befreyt ſie aber nicht von den Vorwuͤrfen, die man mit al- lem Recht der Moral des Schuſter Crispi- nus macht; den Schaden ungerechnet, daß der durch ſie hintergangene oft hart wird gegen manchen, der aus Noth borgt und nach Mitteln zum Erſatz fleißig ſtrebt. Be- trug ſcheint mir aͤrger als Raub.
Ein andrer Umſtand, der in mir die Ab- neigung gegen das Creditmachen befoͤrderte, mag wohl in der Gewohnheit gelegen ha- ben, meine Ausgaben taͤglich haarklein auf- zuſchreiben. Dieſe Sitte hat zweyerley Gu- tes: 1) man weiß, wo das Geld geblieben iſt, 2) man wundert und ſchaͤmt ſich oft beym Nachleſen uͤber manche Ausgaben und huͤtet ſich ſie zu wiederholen. Jch habe da- her immer jungen Leuten zur Fuͤhrung eines ſolchen Buͤchleins angerathen, nur muͤſſen Eltern, Vormuͤnder ꝛc. nicht ſeine Vorzei- gung verlangen, weil dieſe nur Anlaß geben wuͤrde, die verheimlichten Vera durch gleis- neriſche Falſa zu decken und luͤgneriſch oder unverſchaͤmt zu werden. Sodann war ich auch kein Liebhaber von Kleiderſtaat, den ich auch jetzt noch an allen Menſchen, beſon-
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Vorwand der Dienſtfertigkeit giebt ihrer Sa-
che einen blanken Anſtrich, befreyt ſie aber
nicht von den Vorwuͤrfen, die man mit al-
lem Recht der Moral des Schuſter Crispi-
nus macht; den Schaden ungerechnet, daß
der durch ſie hintergangene oft hart wird
gegen manchen, der aus Noth borgt und
nach Mitteln zum Erſatz fleißig ſtrebt. Be-
trug ſcheint mir aͤrger als Raub.
Ein andrer Umſtand, der in mir die Ab-
neigung gegen das Creditmachen befoͤrderte,
mag wohl in der Gewohnheit gelegen ha-
ben, meine Ausgaben taͤglich haarklein auf-
zuſchreiben. Dieſe Sitte hat zweyerley Gu-
tes: 1) man weiß, wo das Geld geblieben
iſt, 2) man wundert und ſchaͤmt ſich oft
beym Nachleſen uͤber manche Ausgaben und
huͤtet ſich ſie zu wiederholen. Jch habe da-
her immer jungen Leuten zur Fuͤhrung eines
ſolchen Buͤchleins angerathen, nur muͤſſen
Eltern, Vormuͤnder ꝛc. nicht ſeine Vorzei-
gung verlangen, weil dieſe nur Anlaß geben
wuͤrde, die verheimlichten Vera durch gleis-
neriſche Falſa zu decken und luͤgneriſch oder
unverſchaͤmt zu werden. Sodann war ich
auch kein Liebhaber von Kleiderſtaat, den ich
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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/70>, abgerufen am 24.11.2024.
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