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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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thek fleißig henutzte und vermehrte, und bey
dem ich den Steuerrath Z -- mehrentheils
antraf, der einst unter der Potsdammer
Garde gedient hatte, ein ausgemachter Epi-
kuräer und an guten Einfällen keinesweges
arm war. Mit diesem ließ ich mich oft in
Witzkämpfe ein, die mich einsehen gelehrt,
daß der Witzige, der moralische Fehler hat,
oft dem Minderwitzigen, aber sittenreinern,
unterliegen muß, weil er an dem letztern
nicht so viel Häckchen findet, seine Anfälle
anzuhängen, oder fürchtet, daß seine ihm
selbst wohlbekannten Schwächen dem andern
das Angriffs- oder Erwiederungsspiel zu
leicht machen dürften.

Bey einem solchen Ferienbesuche kam mein
sonst so bedachtsamer Bater auf den Gedan-
ken, erfahren zu wollen, wie ich mich bey
einem kleinen Rausche benehmen würde.
Wenige Gläser Bischof, den ich noch jetzt
gern trinke, halfen ihm seinen Zweck schnell
erreichen, ich wußte aber auf alle, selbst ver-
fängliche Fragen so gut zu antworten und
äußerte eine so unbefangne und unbeleidi-
gende Lustigkeit, daß der Vater, wie mir die
Schwestern erzählten, sich über meinen gu-
ten und diskreten Rausch gewundert haben

thek fleißig henutzte und vermehrte, und bey
dem ich den Steuerrath Z — mehrentheils
antraf, der einſt unter der Potsdammer
Garde gedient hatte, ein ausgemachter Epi-
kuraͤer und an guten Einfaͤllen keinesweges
arm war. Mit dieſem ließ ich mich oft in
Witzkaͤmpfe ein, die mich einſehen gelehrt,
daß der Witzige, der moraliſche Fehler hat,
oft dem Minderwitzigen, aber ſittenreinern,
unterliegen muß, weil er an dem letztern
nicht ſo viel Haͤckchen findet, ſeine Anfaͤlle
anzuhaͤngen, oder fuͤrchtet, daß ſeine ihm
ſelbſt wohlbekannten Schwaͤchen dem andern
das Angriffs- oder Erwiederungsſpiel zu
leicht machen duͤrften.

Bey einem ſolchen Ferienbeſuche kam mein
ſonſt ſo bedachtſamer Bater auf den Gedan-
ken, erfahren zu wollen, wie ich mich bey
einem kleinen Rauſche benehmen wuͤrde.
Wenige Glaͤſer Biſchof, den ich noch jetzt
gern trinke, halfen ihm ſeinen Zweck ſchnell
erreichen, ich wußte aber auf alle, ſelbſt ver-
faͤngliche Fragen ſo gut zu antworten und
aͤußerte eine ſo unbefangne und unbeleidi-
gende Luſtigkeit, daß der Vater, wie mir die
Schweſtern erzaͤhlten, ſich uͤber meinen gu-
ten und diskreten Rauſch gewundert haben

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[40/0057] thek fleißig henutzte und vermehrte, und bey dem ich den Steuerrath Z — mehrentheils antraf, der einſt unter der Potsdammer Garde gedient hatte, ein ausgemachter Epi- kuraͤer und an guten Einfaͤllen keinesweges arm war. Mit dieſem ließ ich mich oft in Witzkaͤmpfe ein, die mich einſehen gelehrt, daß der Witzige, der moraliſche Fehler hat, oft dem Minderwitzigen, aber ſittenreinern, unterliegen muß, weil er an dem letztern nicht ſo viel Haͤckchen findet, ſeine Anfaͤlle anzuhaͤngen, oder fuͤrchtet, daß ſeine ihm ſelbſt wohlbekannten Schwaͤchen dem andern das Angriffs- oder Erwiederungsſpiel zu leicht machen duͤrften. Bey einem ſolchen Ferienbeſuche kam mein ſonſt ſo bedachtſamer Bater auf den Gedan- ken, erfahren zu wollen, wie ich mich bey einem kleinen Rauſche benehmen wuͤrde. Wenige Glaͤſer Biſchof, den ich noch jetzt gern trinke, halfen ihm ſeinen Zweck ſchnell erreichen, ich wußte aber auf alle, ſelbſt ver- faͤngliche Fragen ſo gut zu antworten und aͤußerte eine ſo unbefangne und unbeleidi- gende Luſtigkeit, daß der Vater, wie mir die Schweſtern erzaͤhlten, ſich uͤber meinen gu- ten und diskreten Rauſch gewundert haben

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/57>, abgerufen am 03.05.2024.