des Gebäudes schlecht gelegt war. Vorzüglich bemerke man den geheimen Feind, der uns mit folgte, unsre kiebste Eigenheit, sobald sie wider Plan und Re- gel war. Sie zeichnete uns immer aus, machte uns oft anstoßen, noch mehr vergessen, noch mehr ver- säumen. Jn jugendlichen Jahren sehen die Menschen ihr nach, bewundern sie gar lächelnd. Jm ernstlichen Alter richten und strafen sie solche desto unerbittlicher, desto schärfer. Wohl ihm, den die Bersehung hierin nicht verzärtelte, dem sie frühe scharfe Censoren weckte! und wohl ihm, der das scharfe Regelmaas der Censur nutzte! Berzärtelte Lieblinge des Schicksals sind in spätern Jahren sich und andern zur Last, ihre nicht abgeriebnen Ecken und Breiten drücken und verwunden. Dagegen ist nichts liebenswürdiger, als die gelehrige, sanfte Gemüthsart eines Menschen, der sich selbst überwinden, sich selbst ablegen, der das Joch in seiner Jugend tragen lernte. Non ignara mali miseris succurrere disco (Selbst bekannt mit dem Unglück lernt ich Unglücklichen beystehn. Virgil) ist vielleicht die zarteste Sentenz, die je eine menschliche Lippe sprach, mit den innigsten Banden ziehet sie schwache an starke, hülflose an hülfreiche Menschen und macht beyde durch einander glücklich.
5) Es ist ein Naturgesetz im Gange des menschlichen Schicksals, daß wie, früher oder später, jeder Fehler in den Folgen sichtbar werden muß, alle Unregelmäßigkeiten unsers Charak- ters durch Anstöße uns fühlbar werden, denn auf Ordnung und Harmonie ist die Welt gebaut. Gegenseits ist auch kein edles Bestreben, das sich nicht durch sich und in seinen Folgen lohne. Vor allem lohnen Wohlgefallen, Großmuth, Liebe;
des Gebaͤudes ſchlecht gelegt war. Vorzuͤglich bemerke man den geheimen Feind, der uns mit folgte, unſre kiebſte Eigenheit, ſobald ſie wider Plan und Re- gel war. Sie zeichnete uns immer aus, machte uns oft anſtoßen, noch mehr vergeſſen, noch mehr ver- ſaͤumen. Jn jugendlichen Jahren ſehen die Menſchen ihr nach, bewundern ſie gar laͤchelnd. Jm ernſtlichen Alter richten und ſtrafen ſie ſolche deſto unerbittlicher, deſto ſchaͤrfer. Wohl ihm, den die Berſehung hierin nicht verzaͤrtelte, dem ſie fruͤhe ſcharfe Cenſoren weckte! und wohl ihm, der das ſcharfe Regelmaas der Cenſur nutzte! Berzaͤrtelte Lieblinge des Schickſals ſind in ſpaͤtern Jahren ſich und andern zur Laſt, ihre nicht abgeriebnen Ecken und Breiten druͤcken und verwunden. Dagegen iſt nichts liebenswuͤrdiger, als die gelehrige, ſanfte Gemuͤthsart eines Menſchen, der ſich ſelbſt uͤberwinden, ſich ſelbſt ablegen, der das Joch in ſeiner Jugend tragen lernte. Non ignara mali miſeris ſuccurrere diſco (Selbſt bekannt mit dem Ungluͤck lernt ich Ungluͤcklichen beyſtehn. Virgil) iſt vielleicht die zarteſte Sentenz, die je eine menſchliche Lippe ſprach, mit den innigſten Banden ziehet ſie ſchwache an ſtarke, huͤlfloſe an huͤlfreiche Menſchen und macht beyde durch einander gluͤcklich.
5) Es iſt ein Naturgeſetz im Gange des menſchlichen Schickſals, daß wie, fruͤher oder ſpaͤter, jeder Fehler in den Folgen ſichtbar werden muß, alle Unregelmaͤßigkeiten unſers Charak- ters durch Anſtoͤße uns fuͤhlbar werden, denn auf Ordnung und Harmonie iſt die Welt gebaut. Gegenſeits iſt auch kein edles Beſtreben, das ſich nicht durch ſich und in ſeinen Folgen lohne. Vor allem lohnen Wohlgefallen, Großmuth, Liebe;
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[0541]
des Gebaͤudes ſchlecht gelegt war. Vorzuͤglich bemerke
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gel war. Sie zeichnete uns immer aus, machte uns
oft anſtoßen, noch mehr vergeſſen, noch mehr ver-
ſaͤumen. Jn jugendlichen Jahren ſehen die Menſchen
ihr nach, bewundern ſie gar laͤchelnd. Jm ernſtlichen
Alter richten und ſtrafen ſie ſolche deſto unerbittlicher,
deſto ſchaͤrfer. Wohl ihm, den die Berſehung hierin
nicht verzaͤrtelte, dem ſie fruͤhe ſcharfe Cenſoren weckte!
und wohl ihm, der das ſcharfe Regelmaas der Cenſur
nutzte! Berzaͤrtelte Lieblinge des Schickſals ſind in
ſpaͤtern Jahren ſich und andern zur Laſt, ihre nicht
abgeriebnen Ecken und Breiten druͤcken und verwunden.
Dagegen iſt nichts liebenswuͤrdiger, als die gelehrige,
ſanfte Gemuͤthsart eines Menſchen, der ſich ſelbſt
uͤberwinden, ſich ſelbſt ablegen, der das Joch in ſeiner
Jugend tragen lernte. Non ignara mali miſeris
ſuccurrere diſco (Selbſt bekannt mit dem Ungluͤck
lernt ich Ungluͤcklichen beyſtehn. Virgil) iſt vielleicht
die zarteſte Sentenz, die je eine menſchliche Lippe
ſprach, mit den innigſten Banden ziehet ſie ſchwache
an ſtarke, huͤlfloſe an huͤlfreiche Menſchen und macht
beyde durch einander gluͤcklich.
5) Es iſt ein Naturgeſetz im Gange des menſchlichen
Schickſals, daß wie, fruͤher oder ſpaͤter, jeder
Fehler in den Folgen ſichtbar werden muß,
alle Unregelmaͤßigkeiten unſers Charak-
ters durch Anſtoͤße uns fuͤhlbar werden,
denn auf Ordnung und Harmonie iſt die Welt gebaut.
Gegenſeits iſt auch kein edles Beſtreben, das ſich nicht
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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/541>, abgerufen am 22.11.2024.
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