Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite
"liner Monatschrift sehr gut angedeutet ist,
"liessen kaum den hohen Sinn für Natur-
"schönheiten, Wohlthätigkeit und über-
"haupt die bessern Eigenschaften des edeln
"Menschen ahnen."


Den 7ten November 1815.

Als vor einigen Tagen mich ein alter
Bekannter fragte: ob ich auch in meiner Le-
bensbeschreibung alles treulich angeführt
hätte, wo von mir durch Rath und That
auf Personen und Sachen eingewirkt wäre,
und ob ich bey der Gelegenheit nicht auch
manches über Erkenntlichkeit und Undank,
meiner Erfahrung gemäß, hätte einfliessen
lassen? so erwiederte ich ihm ganz kurz mit
den Worten: selten und nein.

Da indessen Einer diese Frage gethan,
so kann sie vielleicht auch mehreren einfallen,
und ich will daher meine Meinung darüber
nicht verschweigen.

Was können solche Anführungen helfen?
Wer auf Erkenntlichkeit rechnet und sie an-
nimmt, hat den ganzen Lohn für das Ge-
thane auf einmal dahin, und es bleibt ihm
nicht der stille, angenehme, wahre Genuß,
den die Erinnrung an eine gute That ver-
schaft.

Wer über Undank bittre Empfindlichkeit
äußert, zeigt, daß er das Gute nicht des
Guten wegen gethan, und beym Gutesthun
scheint mir der kleinste Tropfen Selbstsucht

einen
„liner Monatſchrift ſehr gut angedeutet iſt,
„lieſſen kaum den hohen Sinn fuͤr Natur-
„ſchoͤnheiten, Wohlthaͤtigkeit und uͤber-
„haupt die beſſern Eigenſchaften des edeln
„Menſchen ahnen.“


Den 7ten November 1815.

Als vor einigen Tagen mich ein alter
Bekannter fragte: ob ich auch in meiner Le-
bensbeſchreibung alles treulich angefuͤhrt
haͤtte, wo von mir durch Rath und That
auf Perſonen und Sachen eingewirkt waͤre,
und ob ich bey der Gelegenheit nicht auch
manches uͤber Erkenntlichkeit und Undank,
meiner Erfahrung gemaͤß, haͤtte einflieſſen
laſſen? ſo erwiederte ich ihm ganz kurz mit
den Worten: ſelten und nein.

Da indeſſen Einer dieſe Frage gethan,
ſo kann ſie vielleicht auch mehreren einfallen,
und ich will daher meine Meinung daruͤber
nicht verſchweigen.

Was koͤnnen ſolche Anfuͤhrungen helfen?
Wer auf Erkenntlichkeit rechnet und ſie an-
nimmt, hat den ganzen Lohn fuͤr das Ge-
thane auf einmal dahin, und es bleibt ihm
nicht der ſtille, angenehme, wahre Genuß,
den die Erinnrung an eine gute That ver-
ſchaft.

Wer uͤber Undank bittre Empfindlichkeit
aͤußert, zeigt, daß er das Gute nicht des
Guten wegen gethan, und beym Gutesthun
ſcheint mir der kleinſte Tropfen Selbſtſucht

einen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <cit>
            <quote><pb facs="#f0513" n="496"/>
&#x201E;liner Monat&#x017F;chrift &#x017F;ehr gut angedeutet i&#x017F;t,<lb/>
&#x201E;lie&#x017F;&#x017F;en kaum den hohen Sinn fu&#x0364;r Natur-<lb/>
&#x201E;&#x017F;cho&#x0364;nheiten, Wohltha&#x0364;tigkeit und u&#x0364;ber-<lb/>
&#x201E;haupt die be&#x017F;&#x017F;ern Eigen&#x017F;chaften des edeln<lb/>
&#x201E;Men&#x017F;chen ahnen.&#x201C;</quote>
          </cit>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head>Den 7ten November 1815.</head><lb/>
          <p>Als vor einigen Tagen mich ein alter<lb/>
Bekannter fragte: ob ich auch in meiner Le-<lb/>
bensbe&#x017F;chreibung alles treulich angefu&#x0364;hrt<lb/>
ha&#x0364;tte, wo von mir durch Rath und That<lb/>
auf Per&#x017F;onen und Sachen eingewirkt wa&#x0364;re,<lb/>
und ob ich bey der Gelegenheit nicht auch<lb/>
manches u&#x0364;ber Erkenntlichkeit und Undank,<lb/>
meiner Erfahrung gema&#x0364;ß, ha&#x0364;tte einflie&#x017F;&#x017F;en<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en? &#x017F;o erwiederte ich ihm ganz kurz mit<lb/>
den Worten: <hi rendition="#g">&#x017F;elten</hi> und <hi rendition="#g">nein.</hi></p><lb/>
          <p>Da inde&#x017F;&#x017F;en Einer die&#x017F;e Frage gethan,<lb/>
&#x017F;o kann &#x017F;ie vielleicht auch mehreren einfallen,<lb/>
und ich will daher meine Meinung daru&#x0364;ber<lb/>
nicht ver&#x017F;chweigen.</p><lb/>
          <p>Was ko&#x0364;nnen &#x017F;olche Anfu&#x0364;hrungen helfen?<lb/>
Wer auf Erkenntlichkeit rechnet und &#x017F;ie an-<lb/>
nimmt, hat den ganzen Lohn fu&#x0364;r das Ge-<lb/>
thane auf einmal dahin, und es bleibt ihm<lb/>
nicht der &#x017F;tille, angenehme, wahre Genuß,<lb/>
den die Erinnrung an eine gute That ver-<lb/>
&#x017F;chaft.</p><lb/>
          <p>Wer u&#x0364;ber Undank bittre Empfindlichkeit<lb/>
a&#x0364;ußert, zeigt, daß er das Gute nicht des<lb/>
Guten wegen gethan, und beym Gutesthun<lb/>
&#x017F;cheint mir der klein&#x017F;te Tropfen Selb&#x017F;t&#x017F;ucht<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">einen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[496/0513] „liner Monatſchrift ſehr gut angedeutet iſt, „lieſſen kaum den hohen Sinn fuͤr Natur- „ſchoͤnheiten, Wohlthaͤtigkeit und uͤber- „haupt die beſſern Eigenſchaften des edeln „Menſchen ahnen.“ Den 7ten November 1815. Als vor einigen Tagen mich ein alter Bekannter fragte: ob ich auch in meiner Le- bensbeſchreibung alles treulich angefuͤhrt haͤtte, wo von mir durch Rath und That auf Perſonen und Sachen eingewirkt waͤre, und ob ich bey der Gelegenheit nicht auch manches uͤber Erkenntlichkeit und Undank, meiner Erfahrung gemaͤß, haͤtte einflieſſen laſſen? ſo erwiederte ich ihm ganz kurz mit den Worten: ſelten und nein. Da indeſſen Einer dieſe Frage gethan, ſo kann ſie vielleicht auch mehreren einfallen, und ich will daher meine Meinung daruͤber nicht verſchweigen. Was koͤnnen ſolche Anfuͤhrungen helfen? Wer auf Erkenntlichkeit rechnet und ſie an- nimmt, hat den ganzen Lohn fuͤr das Ge- thane auf einmal dahin, und es bleibt ihm nicht der ſtille, angenehme, wahre Genuß, den die Erinnrung an eine gute That ver- ſchaft. Wer uͤber Undank bittre Empfindlichkeit aͤußert, zeigt, daß er das Gute nicht des Guten wegen gethan, und beym Gutesthun ſcheint mir der kleinſte Tropfen Selbſtſucht einen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/513
Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/513>, abgerufen am 17.05.2024.