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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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Mutter Natur hat mir einen guten
Kopf und ein sehr rührungsfähiges Herz
zugetheilt, aus der vielleicht nicht recht ge-
gen einander abgemessenen Mischung dieser
meiner Hauptbestandtheile erkläre ich meine
Abneigung gegen schulgerechtes Studiren,
dessen Unterlassung ich vielfältig sehr merk-
lich gefühlt habe, so gut wie mancher vor-
nehme Mann zum Nachtheil des Dienstes
seinen Sprung in die höchsten Dienststellen,
ohne Vorbereitung zu selbigen auf niedri-
gen, fühlen mag. Ein gewisses muthiges
Zutrauen zu meinem natürlichen, ziemlich
richtigen Geistestact tröstete mich indessen
über die scientifischen Lücken und den Man-
gel an der Kunst oder Gabe, eine förmliche
Disposition zu einem Aufsatze zu machen.
Gemeinhin ergreif ich nur Einen Gedanken,
oft nur Einen Ausdruck, trag diesen so
lange still in meiner Seele herum, so daß
ich mich seiner blos als eines Tones er-
innre, bis ich ein förmliches Bedürfniß
fühle, mich schriftlich über ihn auszulassen,
welches nie lang geräth. Das Hingeschrie-
bene les' ich einige Zeit nachher wieder durch,
corrigir es mit Bleystift und suche zugleich



Mutter Natur hat mir einen guten
Kopf und ein ſehr ruͤhrungsfaͤhiges Herz
zugetheilt, aus der vielleicht nicht recht ge-
gen einander abgemeſſenen Miſchung dieſer
meiner Hauptbeſtandtheile erklaͤre ich meine
Abneigung gegen ſchulgerechtes Studiren,
deſſen Unterlaſſung ich vielfaͤltig ſehr merk-
lich gefuͤhlt habe, ſo gut wie mancher vor-
nehme Mann zum Nachtheil des Dienſtes
ſeinen Sprung in die hoͤchſten Dienſtſtellen,
ohne Vorbereitung zu ſelbigen auf niedri-
gen, fuͤhlen mag. Ein gewiſſes muthiges
Zutrauen zu meinem natuͤrlichen, ziemlich
richtigen Geiſtestact troͤſtete mich indeſſen
uͤber die ſcientifiſchen Luͤcken und den Man-
gel an der Kunſt oder Gabe, eine foͤrmliche
Dispoſition zu einem Aufſatze zu machen.
Gemeinhin ergreif ich nur Einen Gedanken,
oft nur Einen Ausdruck, trag dieſen ſo
lange ſtill in meiner Seele herum, ſo daß
ich mich ſeiner blos als eines Tones er-
innre, bis ich ein foͤrmliches Beduͤrfniß
fuͤhle, mich ſchriftlich uͤber ihn auszulaſſen,
welches nie lang geraͤth. Das Hingeſchrie-
bene leſ’ ich einige Zeit nachher wieder durch,
corrigir es mit Bleyſtift und ſuche zugleich

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[331/0348] Mutter Natur hat mir einen guten Kopf und ein ſehr ruͤhrungsfaͤhiges Herz zugetheilt, aus der vielleicht nicht recht ge- gen einander abgemeſſenen Miſchung dieſer meiner Hauptbeſtandtheile erklaͤre ich meine Abneigung gegen ſchulgerechtes Studiren, deſſen Unterlaſſung ich vielfaͤltig ſehr merk- lich gefuͤhlt habe, ſo gut wie mancher vor- nehme Mann zum Nachtheil des Dienſtes ſeinen Sprung in die hoͤchſten Dienſtſtellen, ohne Vorbereitung zu ſelbigen auf niedri- gen, fuͤhlen mag. Ein gewiſſes muthiges Zutrauen zu meinem natuͤrlichen, ziemlich richtigen Geiſtestact troͤſtete mich indeſſen uͤber die ſcientifiſchen Luͤcken und den Man- gel an der Kunſt oder Gabe, eine foͤrmliche Dispoſition zu einem Aufſatze zu machen. Gemeinhin ergreif ich nur Einen Gedanken, oft nur Einen Ausdruck, trag dieſen ſo lange ſtill in meiner Seele herum, ſo daß ich mich ſeiner blos als eines Tones er- innre, bis ich ein foͤrmliches Beduͤrfniß fuͤhle, mich ſchriftlich uͤber ihn auszulaſſen, welches nie lang geraͤth. Das Hingeſchrie- bene leſ’ ich einige Zeit nachher wieder durch, corrigir es mit Bleyſtift und ſuche zugleich

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/348>, abgerufen am 22.11.2024.