Aufsätzen sehr kräftig und lakonisch, ohne Sorge für die Ausdrucksschönheit. Zum ei- gentlichen Hofleben paßte er schlecht, ob ich ihn gleich es zwanglos ertragen gesehen ha- be. Daß ihn der König, der Zurückberu- fung ungeachtet, geliebt habe, glaub ich nicht, weil man dem, dem man einmal weh gethan hat, nicht zutraut, er habe es uns verziehen. Seine Entfernung vom preußischen Dienst, die er sich durch den leider genug bekannt gewordenen und sicher in einer Ermüdungs- Abwesenheit geschriebnen Brief zuzog, bleibt ein wahrer Verlust für den preußischen Staat, dem es zwar eben nicht an Köpfen fehlt, aber wohl an Einem, der sie unter Einen Huth zu bringen, Verstand, Kraft und Muth hat. Die Ehre vom Kaiser Na- poleon für einen nicht unbedeutenden Feind gehalten zu seyn, hat der wackre Mann theuer bezahlen müssen. *) --
*) Als ich Ende Januars 1813. den Freyherrn von Stein in Königsberg wieder sah, schien er mir zwar nicht ganz wie vorher, und in einem schon lang daurenden aber noch nicht ganz siegreich beendigten Kampf mit sich selbst und der verwor- nen Welt begriffen zu seyn, von seiner Stoß- kraft aber nichts verloren zu haben. Wenn die
Aufſaͤtzen ſehr kraͤftig und lakoniſch, ohne Sorge fuͤr die Ausdrucksſchoͤnheit. Zum ei- gentlichen Hofleben paßte er ſchlecht, ob ich ihn gleich es zwanglos ertragen geſehen ha- be. Daß ihn der Koͤnig, der Zuruͤckberu- fung ungeachtet, geliebt habe, glaub ich nicht, weil man dem, dem man einmal weh gethan hat, nicht zutraut, er habe es uns verziehen. Seine Entfernung vom preußiſchen Dienſt, die er ſich durch den leider genug bekannt gewordenen und ſicher in einer Ermuͤdungs- Abweſenheit geſchriebnen Brief zuzog, bleibt ein wahrer Verluſt fuͤr den preußiſchen Staat, dem es zwar eben nicht an Koͤpfen fehlt, aber wohl an Einem, der ſie unter Einen Huth zu bringen, Verſtand, Kraft und Muth hat. Die Ehre vom Kaiſer Na- poleon fuͤr einen nicht unbedeutenden Feind gehalten zu ſeyn, hat der wackre Mann theuer bezahlen muͤſſen. *) —
*) Als ich Ende Januars 1813. den Freyherrn von Stein in Koͤnigsberg wieder ſah, ſchien er mir zwar nicht ganz wie vorher, und in einem ſchon lang daurenden aber noch nicht ganz ſiegreich beendigten Kampf mit ſich ſelbſt und der verwor- nen Welt begriffen zu ſeyn, von ſeiner Stoß- kraft aber nichts verloren zu haben. Wenn die
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0299"n="282"/>
Aufſaͤtzen ſehr kraͤftig und lakoniſch, ohne<lb/>
Sorge fuͤr die Ausdrucksſchoͤnheit. Zum ei-<lb/>
gentlichen Hofleben paßte er ſchlecht, ob ich<lb/>
ihn gleich es zwanglos ertragen geſehen ha-<lb/>
be. Daß ihn der Koͤnig, der Zuruͤckberu-<lb/>
fung ungeachtet, geliebt habe, glaub ich nicht,<lb/>
weil man dem, dem man einmal weh gethan<lb/>
hat, nicht zutraut, er habe es uns verziehen.<lb/>
Seine Entfernung vom preußiſchen Dienſt,<lb/>
die er ſich durch den leider genug bekannt<lb/>
gewordenen und ſicher in einer Ermuͤdungs-<lb/>
Abweſenheit geſchriebnen Brief zuzog, bleibt<lb/>
ein wahrer Verluſt fuͤr den preußiſchen<lb/>
Staat, dem es zwar eben nicht an Koͤpfen<lb/>
fehlt, aber wohl an Einem, der ſie unter<lb/>
Einen Huth zu bringen, Verſtand, Kraft<lb/>
und Muth hat. Die Ehre vom Kaiſer Na-<lb/>
poleon fuͤr einen nicht unbedeutenden Feind<lb/>
gehalten zu ſeyn, hat der wackre Mann<lb/>
theuer bezahlen muͤſſen. <notexml:id="seg2pn_27_1"next="#seg2pn_27_2"place="foot"n="*)">Als ich Ende Januars 1813. den Freyherrn von<lb/><hirendition="#g">Stein</hi> in Koͤnigsberg wieder ſah, ſchien er mir<lb/>
zwar nicht ganz wie vorher, und in einem ſchon<lb/>
lang daurenden aber noch nicht ganz ſiegreich<lb/>
beendigten Kampf mit ſich ſelbſt und der verwor-<lb/>
nen Welt begriffen zu ſeyn, von ſeiner Stoß-<lb/>
kraft aber nichts verloren zu haben. Wenn die</note>—</p><lb/></div></body></text></TEI>
[282/0299]
Aufſaͤtzen ſehr kraͤftig und lakoniſch, ohne
Sorge fuͤr die Ausdrucksſchoͤnheit. Zum ei-
gentlichen Hofleben paßte er ſchlecht, ob ich
ihn gleich es zwanglos ertragen geſehen ha-
be. Daß ihn der Koͤnig, der Zuruͤckberu-
fung ungeachtet, geliebt habe, glaub ich nicht,
weil man dem, dem man einmal weh gethan
hat, nicht zutraut, er habe es uns verziehen.
Seine Entfernung vom preußiſchen Dienſt,
die er ſich durch den leider genug bekannt
gewordenen und ſicher in einer Ermuͤdungs-
Abweſenheit geſchriebnen Brief zuzog, bleibt
ein wahrer Verluſt fuͤr den preußiſchen
Staat, dem es zwar eben nicht an Koͤpfen
fehlt, aber wohl an Einem, der ſie unter
Einen Huth zu bringen, Verſtand, Kraft
und Muth hat. Die Ehre vom Kaiſer Na-
poleon fuͤr einen nicht unbedeutenden Feind
gehalten zu ſeyn, hat der wackre Mann
theuer bezahlen muͤſſen. *) —
*) Als ich Ende Januars 1813. den Freyherrn von
Stein in Koͤnigsberg wieder ſah, ſchien er mir
zwar nicht ganz wie vorher, und in einem ſchon
lang daurenden aber noch nicht ganz ſiegreich
beendigten Kampf mit ſich ſelbſt und der verwor-
nen Welt begriffen zu ſeyn, von ſeiner Stoß-
kraft aber nichts verloren zu haben. Wenn die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/299>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.