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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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Benutzung sehr vieler, auf großen Reisen
und beynah in allen Dienstarten selbst ge-
machten Erfahrungen. Er pflegte sich daher
oft über das schlechte Be- und Ergreifen
seiner menschenfreundlichen Jdeen zu ärgern,
welches aber seltner hätte geschehen dürfen,
wenn seine Gemüthlichkeit ihn nicht abge-
halten hätte, manche höchst mittelmäßige
Menschen von sich zu entfernen. Solche
Toleranz hat mehrentheils üble Folgen, und
Fox hat daher sehr Recht, wenn er die
Regierung Karl II. den Zeitraum guter Ge-
setze und schlechter Verwaltung nennt, mit
dem Beyfügen, es sey ein grundloser Wahn,
daß Gesetze alles ausrichten könnten, und
schwach und verderblich die darauf gegrün-
dete Maxime, daß es nur auf die Formen,
nicht auf die Menschen ankäme (Geschichte
Jakob II. Gött. Anz. 1809. S. 1994.) Er
war ein staatswirthschaftlicher Scanderbeg,
von dessen Säbel nie seine Faust hätte ge-
trennt werden müssen. Sein ununterbroch-
nes Studium der Alten machte ihn zum
Feinde aller breiten, viel räsonnirenden, münd-
lichen oder schriftlichen Vorträge. Er
sprach außerordentlich schnell, liebte kurze
dreuste Erwiederungen und war in eignen

Benutzung ſehr vieler, auf großen Reiſen
und beynah in allen Dienſtarten ſelbſt ge-
machten Erfahrungen. Er pflegte ſich daher
oft uͤber das ſchlechte Be- und Ergreifen
ſeiner menſchenfreundlichen Jdeen zu aͤrgern,
welches aber ſeltner haͤtte geſchehen duͤrfen,
wenn ſeine Gemuͤthlichkeit ihn nicht abge-
halten haͤtte, manche hoͤchſt mittelmaͤßige
Menſchen von ſich zu entfernen. Solche
Toleranz hat mehrentheils uͤble Folgen, und
Fox hat daher ſehr Recht, wenn er die
Regierung Karl II. den Zeitraum guter Ge-
ſetze und ſchlechter Verwaltung nennt, mit
dem Beyfuͤgen, es ſey ein grundloſer Wahn,
daß Geſetze alles ausrichten koͤnnten, und
ſchwach und verderblich die darauf gegruͤn-
dete Maxime, daß es nur auf die Formen,
nicht auf die Menſchen ankaͤme (Geſchichte
Jakob II. Goͤtt. Anz. 1809. S. 1994.) Er
war ein ſtaatswirthſchaftlicher Scanderbeg,
von deſſen Saͤbel nie ſeine Fauſt haͤtte ge-
trennt werden muͤſſen. Sein ununterbroch-
nes Studium der Alten machte ihn zum
Feinde aller breiten, viel raͤſonnirenden, muͤnd-
lichen oder ſchriftlichen Vortraͤge. Er
ſprach außerordentlich ſchnell, liebte kurze
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[281/0298] Benutzung ſehr vieler, auf großen Reiſen und beynah in allen Dienſtarten ſelbſt ge- machten Erfahrungen. Er pflegte ſich daher oft uͤber das ſchlechte Be- und Ergreifen ſeiner menſchenfreundlichen Jdeen zu aͤrgern, welches aber ſeltner haͤtte geſchehen duͤrfen, wenn ſeine Gemuͤthlichkeit ihn nicht abge- halten haͤtte, manche hoͤchſt mittelmaͤßige Menſchen von ſich zu entfernen. Solche Toleranz hat mehrentheils uͤble Folgen, und Fox hat daher ſehr Recht, wenn er die Regierung Karl II. den Zeitraum guter Ge- ſetze und ſchlechter Verwaltung nennt, mit dem Beyfuͤgen, es ſey ein grundloſer Wahn, daß Geſetze alles ausrichten koͤnnten, und ſchwach und verderblich die darauf gegruͤn- dete Maxime, daß es nur auf die Formen, nicht auf die Menſchen ankaͤme (Geſchichte Jakob II. Goͤtt. Anz. 1809. S. 1994.) Er war ein ſtaatswirthſchaftlicher Scanderbeg, von deſſen Saͤbel nie ſeine Fauſt haͤtte ge- trennt werden muͤſſen. Sein ununterbroch- nes Studium der Alten machte ihn zum Feinde aller breiten, viel raͤſonnirenden, muͤnd- lichen oder ſchriftlichen Vortraͤge. Er ſprach außerordentlich ſchnell, liebte kurze dreuſte Erwiederungen und war in eignen

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/298>, abgerufen am 22.11.2024.