unverständig ich indessen auch im Ackerbau- wesen war und blieb, so machte mir doch manches viel Vergnügen, und ich erinnere mich noch jetzt sehr angenehm des Anblicks eines Kornfeldes, bey dem ich am Abend vorbeygegangen war, ohne die mindeste Spur einer Vegetation wahrgenommen zu haben, und als ich den Morgen darauf bald nach Sonnenaufgang wieder vorbey ging, die auf- gegangne Saat in ihrer Schillerfarbe, an- geglänzt von den Sonnenstralen, erblickte.
Meine Freunde pflegten mir vorzuwer- fen, daß ich an keiner von mir vollendeten Arbeit weiter Vergnügen fände, und sie ha- ben Recht. Denn der Geist der Ordnung, der mich zuweilen dämonenhaft besitzt, macht mir die Sorge für bloße Erhaltung bald langweilig und so lästig, daß ich schon oft nach einer schwereren neuen Last gegrif- fen habe, um die alte leichtere mit einigem Vorwande einem andern überlassen zu kön- nen, und so ging es auch hier.
Meine Umstände änderten sich durch die Beerbung meiner ältesten Schwägerin sehr zu ihrem Vortheil, und ich that, um selbige in Empfang zu nehmen, in Gesellschaft meiner Gattin meine letzte Reise nach Ber-
unverſtaͤndig ich indeſſen auch im Ackerbau- weſen war und blieb, ſo machte mir doch manches viel Vergnuͤgen, und ich erinnere mich noch jetzt ſehr angenehm des Anblicks eines Kornfeldes, bey dem ich am Abend vorbeygegangen war, ohne die mindeſte Spur einer Vegetation wahrgenommen zu haben, und als ich den Morgen darauf bald nach Sonnenaufgang wieder vorbey ging, die auf- gegangne Saat in ihrer Schillerfarbe, an- geglaͤnzt von den Sonnenſtralen, erblickte.
Meine Freunde pflegten mir vorzuwer- fen, daß ich an keiner von mir vollendeten Arbeit weiter Vergnuͤgen faͤnde, und ſie ha- ben Recht. Denn der Geiſt der Ordnung, der mich zuweilen daͤmonenhaft beſitzt, macht mir die Sorge fuͤr bloße Erhaltung bald langweilig und ſo laͤſtig, daß ich ſchon oft nach einer ſchwereren neuen Laſt gegrif- fen habe, um die alte leichtere mit einigem Vorwande einem andern uͤberlaſſen zu koͤn- nen, und ſo ging es auch hier.
Meine Umſtaͤnde aͤnderten ſich durch die Beerbung meiner aͤlteſten Schwaͤgerin ſehr zu ihrem Vortheil, und ich that, um ſelbige in Empfang zu nehmen, in Geſellſchaft meiner Gattin meine letzte Reiſe nach Ber-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0230"n="213"/>
unverſtaͤndig ich indeſſen auch im Ackerbau-<lb/>
weſen war und blieb, ſo machte mir doch<lb/>
manches viel Vergnuͤgen, und ich erinnere<lb/>
mich noch jetzt ſehr angenehm des Anblicks<lb/>
eines Kornfeldes, bey dem ich am Abend<lb/>
vorbeygegangen war, ohne die mindeſte Spur<lb/>
einer Vegetation wahrgenommen zu haben,<lb/>
und als ich den Morgen darauf bald nach<lb/>
Sonnenaufgang wieder vorbey ging, die auf-<lb/>
gegangne Saat in ihrer Schillerfarbe, an-<lb/>
geglaͤnzt von den Sonnenſtralen, erblickte.</p><lb/><p>Meine Freunde pflegten mir vorzuwer-<lb/>
fen, daß ich an keiner von mir vollendeten<lb/>
Arbeit weiter Vergnuͤgen faͤnde, und ſie ha-<lb/>
ben Recht. Denn der Geiſt der Ordnung,<lb/>
der mich zuweilen daͤmonenhaft beſitzt,<lb/>
macht mir die Sorge fuͤr bloße Erhaltung<lb/>
bald langweilig und ſo laͤſtig, daß ich ſchon<lb/>
oft nach einer ſchwereren neuen Laſt gegrif-<lb/>
fen habe, um die alte leichtere mit einigem<lb/>
Vorwande einem andern uͤberlaſſen zu koͤn-<lb/>
nen, und ſo ging es auch hier.</p><lb/><p>Meine Umſtaͤnde aͤnderten ſich durch die<lb/>
Beerbung meiner aͤlteſten Schwaͤgerin ſehr<lb/>
zu ihrem Vortheil, und ich that, um ſelbige<lb/>
in Empfang zu nehmen, in Geſellſchaft<lb/>
meiner Gattin meine letzte Reiſe nach Ber-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[213/0230]
unverſtaͤndig ich indeſſen auch im Ackerbau-
weſen war und blieb, ſo machte mir doch
manches viel Vergnuͤgen, und ich erinnere
mich noch jetzt ſehr angenehm des Anblicks
eines Kornfeldes, bey dem ich am Abend
vorbeygegangen war, ohne die mindeſte Spur
einer Vegetation wahrgenommen zu haben,
und als ich den Morgen darauf bald nach
Sonnenaufgang wieder vorbey ging, die auf-
gegangne Saat in ihrer Schillerfarbe, an-
geglaͤnzt von den Sonnenſtralen, erblickte.
Meine Freunde pflegten mir vorzuwer-
fen, daß ich an keiner von mir vollendeten
Arbeit weiter Vergnuͤgen faͤnde, und ſie ha-
ben Recht. Denn der Geiſt der Ordnung,
der mich zuweilen daͤmonenhaft beſitzt,
macht mir die Sorge fuͤr bloße Erhaltung
bald langweilig und ſo laͤſtig, daß ich ſchon
oft nach einer ſchwereren neuen Laſt gegrif-
fen habe, um die alte leichtere mit einigem
Vorwande einem andern uͤberlaſſen zu koͤn-
nen, und ſo ging es auch hier.
Meine Umſtaͤnde aͤnderten ſich durch die
Beerbung meiner aͤlteſten Schwaͤgerin ſehr
zu ihrem Vortheil, und ich that, um ſelbige
in Empfang zu nehmen, in Geſellſchaft
meiner Gattin meine letzte Reiſe nach Ber-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/230>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.