auch keinen Riegel für, wenn sie mit leeren Krügen die Stufen hinab stiegen. Am vierten Tisch begann der alte Tutilo gemüthlich zu wer- den und erzählte seine unvermeidliche Geschichte mit den zwei Räu- bern;78) immer lauter klang seine starke Stimme durch den Saal: "der Eine also zur Flucht sich gewendet -- ich ihm nach mit meinem Eichpfahl -- er Spieß und Schild weg zu Boden, -- ich ihn am Hals gefaßt -- den weggeworfenen Spieß in seine Faust gedrückt: Du Schlingel von einem Räuber, zu was bist auf der Welt? Fechten sollst mit mir!..."
Aber sie hatten's schon allzu oft hören müssen, wie er dann dem Kampfgenöthigten den Schädel eingeschlagen, und zupften und nöthig- ten an ihm, sie wollten ein schönes Lied anstimmen; wie er endlich mit dem Haupte nickte, stürmten Etliche hinaus: bald kamen sie wieder mit Instrumenten. Der brachte eine Laute, Jener ein Geiglein, worauf nur eine Saite gespannt, ein Anderer eine Art Hackbrett mit einge- schlagenen Metallstiften, zu deren Anschlag ein Stimmschlüssel dienlich war, wiederum ein Anderer eine kleine zehnsaitige Harfe, Psalter hießen sie das seltsam geformte Instrument und sahen in seiner drei- eckigen Gestalt ein Symbol der Dreieinigkeit.79)
Und sie reichten ihm seinen dunkeln Tactstab von Ebenholz. Da erhob sich lächelnd der graue Künstler und gab ihnen das Zeichen zu einer Musica, die er selbst in jungen Tagen aufgesetzet; mit Freudig- keit hörten's die Andern.80) Nur Gerold dem Schaffner ward's mit dem Aufklingen der Melodien melancholisch zu Gemüthe, er überzählte die abgetragenen Schüsseln und die geleerten Steinkrüge, und wie ein Text zur Singweise flog's ihm durch den Sinn: Wie Viel hat dieser Tag verschlungen an Klostergeld und Gut?81) Leise schlug er mit sandalenbeschwertem Fuße den Tact, bis der letzte Ton verklang.
Zu unterst am Tische saß ein stiller Gast mit blaßgelbem Ange- sicht und schwarzkrausem Gelock; er war aus Welschland und hatte von des Klosters Gütern im Lombardischen die Saumthiere mit Ka- stanien und Oel herübergeleitet. In wehmüthigem Schweigen ließ er die Fluth der Töne über sich erbrausen.
Nun, Meister Johannes, sprach Folkard der Maler zu ihm, ist die welsche Feinfühligkeit jetzt zufrieden gestellt? Den Kaiser Julianus
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auch keinen Riegel für, wenn ſie mit leeren Krügen die Stufen hinab ſtiegen. Am vierten Tiſch begann der alte Tutilo gemüthlich zu wer- den und erzählte ſeine unvermeidliche Geſchichte mit den zwei Räu- bern;78) immer lauter klang ſeine ſtarke Stimme durch den Saal: „der Eine alſo zur Flucht ſich gewendet — ich ihm nach mit meinem Eichpfahl — er Spieß und Schild weg zu Boden, — ich ihn am Hals gefaßt — den weggeworfenen Spieß in ſeine Fauſt gedrückt: Du Schlingel von einem Räuber, zu was biſt auf der Welt? Fechten ſollſt mit mir!...“
Aber ſie hatten's ſchon allzu oft hören müſſen, wie er dann dem Kampfgenöthigten den Schädel eingeſchlagen, und zupften und nöthig- ten an ihm, ſie wollten ein ſchönes Lied anſtimmen; wie er endlich mit dem Haupte nickte, ſtürmten Etliche hinaus: bald kamen ſie wieder mit Inſtrumenten. Der brachte eine Laute, Jener ein Geiglein, worauf nur eine Saite geſpannt, ein Anderer eine Art Hackbrett mit einge- ſchlagenen Metallſtiften, zu deren Anſchlag ein Stimmſchlüſſel dienlich war, wiederum ein Anderer eine kleine zehnſaitige Harfe, Pſalter hießen ſie das ſeltſam geformte Inſtrument und ſahen in ſeiner drei- eckigen Geſtalt ein Symbol der Dreieinigkeit.79)
Und ſie reichten ihm ſeinen dunkeln Tactſtab von Ebenholz. Da erhob ſich lächelnd der graue Künſtler und gab ihnen das Zeichen zu einer Muſica, die er ſelbſt in jungen Tagen aufgeſetzet; mit Freudig- keit hörten's die Andern.80) Nur Gerold dem Schaffner ward's mit dem Aufklingen der Melodien melancholiſch zu Gemüthe, er überzählte die abgetragenen Schüſſeln und die geleerten Steinkrüge, und wie ein Text zur Singweiſe flog's ihm durch den Sinn: Wie Viel hat dieſer Tag verſchlungen an Kloſtergeld und Gut?81) Leiſe ſchlug er mit ſandalenbeſchwertem Fuße den Tact, bis der letzte Ton verklang.
Zu unterſt am Tiſche ſaß ein ſtiller Gaſt mit blaßgelbem Ange- ſicht und ſchwarzkrauſem Gelock; er war aus Welſchland und hatte von des Kloſters Gütern im Lombardiſchen die Saumthiere mit Ka- ſtanien und Oel herübergeleitet. In wehmüthigem Schweigen ließ er die Fluth der Töne über ſich erbrauſen.
Nun, Meiſter Johannes, ſprach Folkard der Maler zu ihm, iſt die welſche Feinfühligkeit jetzt zufrieden geſtellt? Den Kaiſer Julianus
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immer lauter klang ſeine ſtarke Stimme durch den Saal:
„der Eine alſo zur Flucht ſich gewendet — ich ihm nach mit meinem
Eichpfahl — er Spieß und Schild weg zu Boden, — ich ihn am
Hals gefaßt — den weggeworfenen Spieß in ſeine Fauſt gedrückt:
Du Schlingel von einem Räuber, zu was biſt auf der Welt? Fechten
ſollſt mit mir!...“
Aber ſie hatten's ſchon allzu oft hören müſſen, wie er dann dem
Kampfgenöthigten den Schädel eingeſchlagen, und zupften und nöthig-
ten an ihm, ſie wollten ein ſchönes Lied anſtimmen; wie er endlich
mit dem Haupte nickte, ſtürmten Etliche hinaus: bald kamen ſie wieder
mit Inſtrumenten. Der brachte eine Laute, Jener ein Geiglein, worauf
nur eine Saite geſpannt, ein Anderer eine Art Hackbrett mit einge-
ſchlagenen Metallſtiften, zu deren Anſchlag ein Stimmſchlüſſel dienlich
war, wiederum ein Anderer eine kleine zehnſaitige Harfe, Pſalter
hießen ſie das ſeltſam geformte Inſtrument und ſahen in ſeiner drei-
eckigen Geſtalt ein Symbol der Dreieinigkeit.
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Und ſie reichten ihm ſeinen dunkeln Tactſtab von Ebenholz. Da
erhob ſich lächelnd der graue Künſtler und gab ihnen das Zeichen zu
einer Muſica, die er ſelbſt in jungen Tagen aufgeſetzet; mit Freudig-
keit hörten's die Andern.
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Nur Gerold dem Schaffner ward's mit
dem Aufklingen der Melodien melancholiſch zu Gemüthe, er überzählte
die abgetragenen Schüſſeln und die geleerten Steinkrüge, und wie ein
Text zur Singweiſe flog's ihm durch den Sinn: Wie Viel hat dieſer
Tag verſchlungen an Kloſtergeld und Gut?
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Leiſe ſchlug er mit
ſandalenbeſchwertem Fuße den Tact, bis der letzte Ton verklang.
Zu unterſt am Tiſche ſaß ein ſtiller Gaſt mit blaßgelbem Ange-
ſicht und ſchwarzkrauſem Gelock; er war aus Welſchland und hatte
von des Kloſters Gütern im Lombardiſchen die Saumthiere mit Ka-
ſtanien und Oel herübergeleitet. In wehmüthigem Schweigen ließ er
die Fluth der Töne über ſich erbrauſen.
Nun, Meiſter Johannes, ſprach Folkard der Maler zu ihm, iſt
die welſche Feinfühligkeit jetzt zufrieden geſtellt? Den Kaiſer Julianus
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/73>, abgerufen am 24.11.2024.
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