Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite
Nur so du schnell dich sputest, dies Alles herzugeben
Will dir mein Herr belassen die Glieder und das Leben.
Da rief Waltari kecklich: Nie hört' ich größern Thoren!
Wie kann dein König bieten was ich noch nicht verloren?
Ist er ein Gott denn, daß er mich also will berücken?
Noch trag ich nicht die Fäuste gefesselt auf dem Rücken,
Noch duld' ich nicht, gewundet, des Kerkers Herzeleid --
Doch billig ist mein Denken: Und läßt er von dem Streit,
Goldrother Spangen hundert will ich ihm gern gewähren,
Ich weiß als fremder Mann des Königs Name zu ehren.
Der Bote ritt hinunter und brachte den Bescheid.
Da sprach zum König Hagen: O nimm was er dir beut,
Ich ahne Unheil sonst, mir hat verwichene Nacht
Ein Traum um dich, Gebieter, viel schwere Sorg gebracht.
Ich sah selband uns reiten und jagen im Geheg,
Da trat ein großer Bäre dir hoher Herr in Weg;
Das war ein hitzig Streiten, es hat das Thier zuletzt
Das Bein dir bis zur Hüfte zerhauen und zerfetzt.
Und wie gefällten Speeres ich beisprang dir im Strauß
Riß er mir selbst ein Auge mit scharfem Zahne aus.
Stolz schalt der König: Wahrlich, du bist des Vaters werth,
Auch der focht mit der Zunge viellieber als mit dem Schwert!
D. B. VII. Scheffel, Ekkehard. 24
Nur ſo du ſchnell dich ſputeſt, dies Alles herzugeben
Will dir mein Herr belaſſen die Glieder und das Leben.
Da rief Waltari kecklich: Nie hört' ich größern Thoren!
Wie kann dein König bieten was ich noch nicht verloren?
Iſt er ein Gott denn, daß er mich alſo will berücken?
Noch trag ich nicht die Fäuſte gefeſſelt auf dem Rücken,
Noch duld' ich nicht, gewundet, des Kerkers Herzeleid —
Doch billig iſt mein Denken: Und läßt er von dem Streit,
Goldrother Spangen hundert will ich ihm gern gewähren,
Ich weiß als fremder Mann des Königs Name zu ehren.
Der Bote ritt hinunter und brachte den Beſcheid.
Da ſprach zum König Hagen: O nimm was er dir beut,
Ich ahne Unheil ſonſt, mir hat verwichene Nacht
Ein Traum um dich, Gebieter, viel ſchwere Sorg gebracht.
Ich ſah ſelband uns reiten und jagen im Geheg,
Da trat ein großer Bäre dir hoher Herr in Weg;
Das war ein hitzig Streiten, es hat das Thier zuletzt
Das Bein dir bis zur Hüfte zerhauen und zerfetzt.
Und wie gefällten Speeres ich beiſprang dir im Strauß
Riß er mir ſelbſt ein Auge mit ſcharfem Zahne aus.
Stolz ſchalt der König: Wahrlich, du biſt des Vaters werth,
Auch der focht mit der Zunge viellieber als mit dem Schwert!
D. B. VII. Scheffel, Ekkehard. 24
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0391" n="369"/>
          <lg n="10">
            <l>Nur &#x017F;o du &#x017F;chnell dich &#x017F;pute&#x017F;t, dies Alles herzugeben</l><lb/>
            <l>Will dir mein Herr bela&#x017F;&#x017F;en die Glieder und das Leben.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="11">
            <l>Da rief Waltari kecklich: Nie hört' ich größern Thoren!</l><lb/>
            <l>Wie kann dein König bieten was ich noch nicht verloren?</l><lb/>
            <l>I&#x017F;t er ein Gott denn, daß er mich al&#x017F;o will berücken?</l><lb/>
            <l>Noch trag ich nicht die Fäu&#x017F;te gefe&#x017F;&#x017F;elt auf dem Rücken,</l><lb/>
            <l>Noch duld' ich nicht, gewundet, des Kerkers Herzeleid &#x2014;</l><lb/>
            <l>Doch billig i&#x017F;t mein Denken: Und läßt er von dem Streit,</l><lb/>
            <l>Goldrother Spangen hundert will ich ihm gern gewähren,</l><lb/>
            <l>Ich weiß als fremder Mann des Königs Name zu ehren.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="12">
            <l>Der Bote ritt hinunter und brachte den Be&#x017F;cheid.</l><lb/>
            <l>Da &#x017F;prach zum König Hagen: O nimm was er dir beut,</l><lb/>
            <l>Ich ahne Unheil &#x017F;on&#x017F;t, mir hat verwichene Nacht</l><lb/>
            <l>Ein Traum um dich, Gebieter, viel &#x017F;chwere Sorg gebracht.</l><lb/>
            <l>Ich &#x017F;ah &#x017F;elband uns reiten und jagen im Geheg,</l><lb/>
            <l>Da trat ein großer Bäre dir hoher Herr in Weg;</l><lb/>
            <l>Das war ein hitzig Streiten, es hat das Thier zuletzt</l><lb/>
            <l>Das Bein dir bis zur Hüfte zerhauen und zerfetzt.</l><lb/>
            <l>Und wie gefällten Speeres ich bei&#x017F;prang dir im Strauß</l><lb/>
            <l>Riß er mir &#x017F;elb&#x017F;t ein Auge mit &#x017F;charfem Zahne aus.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="13">
            <l>Stolz &#x017F;chalt der König: Wahrlich, du bi&#x017F;t des Vaters werth,</l><lb/>
            <l>Auch der focht mit der Zunge viellieber als mit dem Schwert!</l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">D. B. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">VII.</hi></hi> Scheffel, Ekkehard. 24</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[369/0391] Nur ſo du ſchnell dich ſputeſt, dies Alles herzugeben Will dir mein Herr belaſſen die Glieder und das Leben. Da rief Waltari kecklich: Nie hört' ich größern Thoren! Wie kann dein König bieten was ich noch nicht verloren? Iſt er ein Gott denn, daß er mich alſo will berücken? Noch trag ich nicht die Fäuſte gefeſſelt auf dem Rücken, Noch duld' ich nicht, gewundet, des Kerkers Herzeleid — Doch billig iſt mein Denken: Und läßt er von dem Streit, Goldrother Spangen hundert will ich ihm gern gewähren, Ich weiß als fremder Mann des Königs Name zu ehren. Der Bote ritt hinunter und brachte den Beſcheid. Da ſprach zum König Hagen: O nimm was er dir beut, Ich ahne Unheil ſonſt, mir hat verwichene Nacht Ein Traum um dich, Gebieter, viel ſchwere Sorg gebracht. Ich ſah ſelband uns reiten und jagen im Geheg, Da trat ein großer Bäre dir hoher Herr in Weg; Das war ein hitzig Streiten, es hat das Thier zuletzt Das Bein dir bis zur Hüfte zerhauen und zerfetzt. Und wie gefällten Speeres ich beiſprang dir im Strauß Riß er mir ſelbſt ein Auge mit ſcharfem Zahne aus. Stolz ſchalt der König: Wahrlich, du biſt des Vaters werth, Auch der focht mit der Zunge viellieber als mit dem Schwert! D. B. VII. Scheffel, Ekkehard. 24

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/391
Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/391>, abgerufen am 23.11.2024.