Da rang Frau Hadwig sich von Ekkehard los. Doch -- und doch -- und doch! einen Wahnsinnigen habt Ihr geschaut, der sich und Gott vergessen ... Es wär' mir leid um Eure Augen, ich müßte sie ausstechen lassen, wenn sie nichts erschaut ...
Es war eine unsäglich kalte Hoheit, mit der sie's dem Betroffenen entgegen rief.
Da erklärte sich Rudimann den seltsamen Vorgang.
Ich habe vergessen, sprach er mit Hohn, daß dort Einer von denen steht, auf die weise Männer das Wort des heiligen Hieronymus ge- zogen, ihr Gebahren ziemt sich mehr für einen Stutzer und Bräutigam denn für einen Geweihten des Herrn.
Ekkehard stand an eine Säule gelehnt, die Arme in die Luft er- hoben wie Odysseus, da er den Schatten seiner Mutter umfahen wollte; Rudimann's Wort riß ihn aus dem Fiebertraum. Wer tritt zwischen mich und sie? rief er drohend. Aber Rudimann klopfte ihm mit un- verschämter Vertraulichkeit auf die Schulter: Beruhigt Euch, guter Freund, wir haben nur ein Brieflein an Euch abzugeben, der heilige Gallus kann seinen weisesten Schüler nicht länger draußen lassen in der wankenden schwankenden Welt, Ihr seid heimgerufen! -- Vergeßt den Stock nicht, mit dem Ihr die Mitbrüder mißhandelt, die im Herbst gern einen Kuß pflücken, keuscher Sittenrichter! flüsterte er ihm in's Ohr.
Ekkehard trat zurück. Sehnsucht, Wuth der Trennung, glühend Verlangen und daraufgegossener Hohn stürmten in ihm; er rannte auf Frau Hadwig, aber schon füllte sich die Capelle. Der Abt von Rei- chenau war selber gekommen, die Freude von Ekkehard's Heimrufung zu erleben; es wird schwer halten, daß wir ihn los bekommen, hatte er zum Kellermeister gesagt. Es ward leicht. Mönche und Gefolgs- leute traten mit ein.
Sacrilegium! rief ihnen Rudimann entgegen, er hat vor dem Altar die buhlerische Hand zu seiner Gebieterin erhoben!
Da schäumte Ekkehard auf. Des Herzens heiligst Geheimniß von frecher Rohheit entweiht, eine Perle vor die Schweine geworfen. .. er riß die ewige Lampe herunter, wie eine Schleuder schwang er das eherne Gefäß; das Licht darin erlosch -- ein dumpfer Schrei hallte auf, der Kellermeister lag blutigen Hauptes auf den Steinplatten, die
Da rang Frau Hadwig ſich von Ekkehard los. Doch — und doch — und doch! einen Wahnſinnigen habt Ihr geſchaut, der ſich und Gott vergeſſen ... Es wär' mir leid um Eure Augen, ich müßte ſie ausſtechen laſſen, wenn ſie nichts erſchaut ...
Es war eine unſäglich kalte Hoheit, mit der ſie's dem Betroffenen entgegen rief.
Da erklärte ſich Rudimann den ſeltſamen Vorgang.
Ich habe vergeſſen, ſprach er mit Hohn, daß dort Einer von denen ſteht, auf die weiſe Männer das Wort des heiligen Hieronymus ge- zogen, ihr Gebahren ziemt ſich mehr für einen Stutzer und Bräutigam denn für einen Geweihten des Herrn.
Ekkehard ſtand an eine Säule gelehnt, die Arme in die Luft er- hoben wie Odyſſeus, da er den Schatten ſeiner Mutter umfahen wollte; Rudimann's Wort riß ihn aus dem Fiebertraum. Wer tritt zwiſchen mich und ſie? rief er drohend. Aber Rudimann klopfte ihm mit un- verſchämter Vertraulichkeit auf die Schulter: Beruhigt Euch, guter Freund, wir haben nur ein Brieflein an Euch abzugeben, der heilige Gallus kann ſeinen weiſeſten Schüler nicht länger draußen laſſen in der wankenden ſchwankenden Welt, Ihr ſeid heimgerufen! — Vergeßt den Stock nicht, mit dem Ihr die Mitbrüder mißhandelt, die im Herbſt gern einen Kuß pflücken, keuſcher Sittenrichter! flüſterte er ihm in's Ohr.
Ekkehard trat zurück. Sehnſucht, Wuth der Trennung, glühend Verlangen und daraufgegoſſener Hohn ſtürmten in ihm; er rannte auf Frau Hadwig, aber ſchon füllte ſich die Capelle. Der Abt von Rei- chenau war ſelber gekommen, die Freude von Ekkehard's Heimrufung zu erleben; es wird ſchwer halten, daß wir ihn los bekommen, hatte er zum Kellermeiſter geſagt. Es ward leicht. Mönche und Gefolgs- leute traten mit ein.
Sacrilegium! rief ihnen Rudimann entgegen, er hat vor dem Altar die buhleriſche Hand zu ſeiner Gebieterin erhoben!
Da ſchäumte Ekkehard auf. Des Herzens heiligſt Geheimniß von frecher Rohheit entweiht, eine Perle vor die Schweine geworfen. .. er riß die ewige Lampe herunter, wie eine Schleuder ſchwang er das eherne Gefäß; das Licht darin erloſch — ein dumpfer Schrei hallte auf, der Kellermeiſter lag blutigen Hauptes auf den Steinplatten, die
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Da rang Frau Hadwig ſich von Ekkehard los. Doch — und doch
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Gott vergeſſen ... Es wär' mir leid um Eure Augen, ich müßte ſie
ausſtechen laſſen, wenn ſie nichts erſchaut ...
Es war eine unſäglich kalte Hoheit, mit der ſie's dem Betroffenen
entgegen rief.
Da erklärte ſich Rudimann den ſeltſamen Vorgang.
Ich habe vergeſſen, ſprach er mit Hohn, daß dort Einer von denen
ſteht, auf die weiſe Männer das Wort des heiligen Hieronymus ge-
zogen, ihr Gebahren ziemt ſich mehr für einen Stutzer und Bräutigam
denn für einen Geweihten des Herrn.
Ekkehard ſtand an eine Säule gelehnt, die Arme in die Luft er-
hoben wie Odyſſeus, da er den Schatten ſeiner Mutter umfahen wollte;
Rudimann's Wort riß ihn aus dem Fiebertraum. Wer tritt zwiſchen
mich und ſie? rief er drohend. Aber Rudimann klopfte ihm mit un-
verſchämter Vertraulichkeit auf die Schulter: Beruhigt Euch, guter
Freund, wir haben nur ein Brieflein an Euch abzugeben, der heilige
Gallus kann ſeinen weiſeſten Schüler nicht länger draußen laſſen in
der wankenden ſchwankenden Welt, Ihr ſeid heimgerufen! — Vergeßt
den Stock nicht, mit dem Ihr die Mitbrüder mißhandelt, die im Herbſt
gern einen Kuß pflücken, keuſcher Sittenrichter! flüſterte er ihm
in's Ohr.
Ekkehard trat zurück. Sehnſucht, Wuth der Trennung, glühend
Verlangen und daraufgegoſſener Hohn ſtürmten in ihm; er rannte auf
Frau Hadwig, aber ſchon füllte ſich die Capelle. Der Abt von Rei-
chenau war ſelber gekommen, die Freude von Ekkehard's Heimrufung
zu erleben; es wird ſchwer halten, daß wir ihn los bekommen, hatte
er zum Kellermeiſter geſagt. Es ward leicht. Mönche und Gefolgs-
leute traten mit ein.
Sacrilegium! rief ihnen Rudimann entgegen, er hat vor dem Altar
die buhleriſche Hand zu ſeiner Gebieterin erhoben!
Da ſchäumte Ekkehard auf. Des Herzens heiligſt Geheimniß von
frecher Rohheit entweiht, eine Perle vor die Schweine geworfen. ..
er riß die ewige Lampe herunter, wie eine Schleuder ſchwang er das
eherne Gefäß; das Licht darin erloſch — ein dumpfer Schrei hallte
auf, der Kellermeiſter lag blutigen Hauptes auf den Steinplatten, die
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/330>, abgerufen am 22.11.2024.
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