Lampe klirrte neben ihm .. Ringen, Zerren, wilde Verwirrung ... es ging mit Ekkehard zu Ende.
Sie hatten ihn überwältigt; den Gürtel der Kutte rissen sie ihm ab und banden ihn. Da stand er, die jugendschöne Gestalt, jetzt ein Bild des Jammers, dem flügellahmen Adler gleich. Einen matten, traurigen, fragenden Blick ließ er zur Herzogin hinübergleiten .. die wandte sich ab.
Thut was Eures Amtes ist, sprach sie zum Abt und schritt durch die Reihen.
Eine Rauchwolke zog ihr entgegen. Lärm und Jubel schallte vor dem Burgthor, ein Feuer brannte draußen, von harzigen Tannen- scheitern geschichtet. Das Ingesinde der Burg tanzte darum und warf Blumen drein, eben hatte Audifax die Genossin seines Schicksals ju- belnd in Arm gefaßt und war mit ihr durch die hochaufschlagende Flamme gesprungen.
Was soll der Rauch? sprach Frau Hadwig zur herbeigeeilten Praxedis.
Sonnenwende!246) antwortete die Griechin.
Es war ein trüber verstimmter Abend. Die Herzogin hatte sich in ihr Closet verschlossen und ließ Niemand vor sich, Ekkehard war von den Leuten des Abts in ein Verließ geschleppt worden, in dem- selben Thurm, in dessen luftigem Stockwerk sein Stübchen eingerichtet stund, war ein feuchter finsterer Gewahrsam, Trümmer alter Grab- steine, bei früherem Umbau der Burgkapelle dorthin verbracht, lagen unheimlich umher. Man hatte ihm einen Bund Stroh hineingeworfen. Ein Mönch saß vor dem Eingang und hielt Wache.
Burkard, der Klosterschüler, lief auf und nieder, und rang klagend die Hände, er konnte seines Ohms Geschick nicht fassen. Die Leute der Burg steckten die Köpfe zusammen und wisperten und führten thörichte Reden, als ob die hundertzüngige Fama auf dem Giebel des Burgdachs gesessen und ihre Lügen ausgestreut hätte: Er hat die Herrin ermorden wollen, sprach der Eine; er hat des Teufels Künste getrieben mit seinem großen Buch, sprach ein Anderer, heut ist Sanct
Lampe klirrte neben ihm .. Ringen, Zerren, wilde Verwirrung ... es ging mit Ekkehard zu Ende.
Sie hatten ihn überwältigt; den Gürtel der Kutte riſſen ſie ihm ab und banden ihn. Da ſtand er, die jugendſchöne Geſtalt, jetzt ein Bild des Jammers, dem flügellahmen Adler gleich. Einen matten, traurigen, fragenden Blick ließ er zur Herzogin hinübergleiten .. die wandte ſich ab.
Thut was Eures Amtes iſt, ſprach ſie zum Abt und ſchritt durch die Reihen.
Eine Rauchwolke zog ihr entgegen. Lärm und Jubel ſchallte vor dem Burgthor, ein Feuer brannte draußen, von harzigen Tannen- ſcheitern geſchichtet. Das Ingeſinde der Burg tanzte darum und warf Blumen drein, eben hatte Audifax die Genoſſin ſeines Schickſals ju- belnd in Arm gefaßt und war mit ihr durch die hochaufſchlagende Flamme geſprungen.
Was ſoll der Rauch? ſprach Frau Hadwig zur herbeigeeilten Praxedis.
Sonnenwende!246) antwortete die Griechin.
Es war ein trüber verſtimmter Abend. Die Herzogin hatte ſich in ihr Cloſet verſchloſſen und ließ Niemand vor ſich, Ekkehard war von den Leuten des Abts in ein Verließ geſchleppt worden, in dem- ſelben Thurm, in deſſen luftigem Stockwerk ſein Stübchen eingerichtet ſtund, war ein feuchter finſterer Gewahrſam, Trümmer alter Grab- ſteine, bei früherem Umbau der Burgkapelle dorthin verbracht, lagen unheimlich umher. Man hatte ihm einen Bund Stroh hineingeworfen. Ein Mönch ſaß vor dem Eingang und hielt Wache.
Burkard, der Kloſterſchüler, lief auf und nieder, und rang klagend die Hände, er konnte ſeines Ohms Geſchick nicht faſſen. Die Leute der Burg ſteckten die Köpfe zuſammen und wisperten und führten thörichte Reden, als ob die hundertzüngige Fama auf dem Giebel des Burgdachs geſeſſen und ihre Lügen ausgeſtreut hätte: Er hat die Herrin ermorden wollen, ſprach der Eine; er hat des Teufels Künſte getrieben mit ſeinem großen Buch, ſprach ein Anderer, heut iſt Sanct
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0331"n="309"/>
Lampe klirrte neben ihm .. Ringen, Zerren, wilde Verwirrung ...<lb/>
es ging mit Ekkehard zu Ende.</p><lb/><p>Sie hatten ihn überwältigt; den Gürtel der Kutte riſſen ſie ihm<lb/>
ab und banden ihn. Da ſtand er, die jugendſchöne Geſtalt, jetzt ein<lb/>
Bild des Jammers, dem flügellahmen Adler gleich. Einen matten,<lb/>
traurigen, fragenden Blick ließ er zur Herzogin hinübergleiten .. die<lb/>
wandte ſich ab.</p><lb/><p>Thut was Eures Amtes iſt, ſprach ſie zum Abt und ſchritt durch<lb/>
die Reihen.</p><lb/><p>Eine Rauchwolke zog ihr entgegen. Lärm und Jubel ſchallte vor<lb/>
dem Burgthor, ein Feuer brannte draußen, von harzigen Tannen-<lb/>ſcheitern geſchichtet. Das Ingeſinde der Burg tanzte darum und warf<lb/>
Blumen drein, eben hatte Audifax die Genoſſin ſeines Schickſals ju-<lb/>
belnd in Arm gefaßt und war mit ihr durch die hochaufſchlagende<lb/>
Flamme geſprungen.</p><lb/><p>Was ſoll der Rauch? ſprach Frau Hadwig zur herbeigeeilten<lb/>
Praxedis.</p><lb/><p><hirendition="#g">Sonnenwende!</hi><notexml:id="ed246"next="#edt246"place="end"n="246)"/> antwortete die Griechin.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Es war ein trüber verſtimmter Abend. Die Herzogin hatte ſich<lb/>
in ihr Cloſet verſchloſſen und ließ Niemand vor ſich, Ekkehard war<lb/>
von den Leuten des Abts in ein Verließ geſchleppt worden, in dem-<lb/>ſelben Thurm, in deſſen luftigem Stockwerk ſein Stübchen eingerichtet<lb/>ſtund, war ein feuchter finſterer Gewahrſam, Trümmer alter Grab-<lb/>ſteine, bei früherem Umbau der Burgkapelle dorthin verbracht, lagen<lb/>
unheimlich umher. Man hatte ihm einen Bund Stroh hineingeworfen.<lb/>
Ein Mönch ſaß vor dem Eingang und hielt Wache.</p><lb/><p>Burkard, der Kloſterſchüler, lief auf und nieder, und rang klagend<lb/>
die Hände, er konnte ſeines Ohms Geſchick nicht faſſen. Die Leute<lb/>
der Burg ſteckten die Köpfe zuſammen und wisperten und führten<lb/>
thörichte Reden, als ob die hundertzüngige Fama auf dem Giebel des<lb/>
Burgdachs geſeſſen und ihre Lügen ausgeſtreut hätte: Er hat die<lb/>
Herrin ermorden wollen, ſprach der Eine; er hat des Teufels Künſte<lb/>
getrieben mit ſeinem großen Buch, ſprach ein Anderer, heut iſt Sanct<lb/></p></div></body></text></TEI>
[309/0331]
Lampe klirrte neben ihm .. Ringen, Zerren, wilde Verwirrung ...
es ging mit Ekkehard zu Ende.
Sie hatten ihn überwältigt; den Gürtel der Kutte riſſen ſie ihm
ab und banden ihn. Da ſtand er, die jugendſchöne Geſtalt, jetzt ein
Bild des Jammers, dem flügellahmen Adler gleich. Einen matten,
traurigen, fragenden Blick ließ er zur Herzogin hinübergleiten .. die
wandte ſich ab.
Thut was Eures Amtes iſt, ſprach ſie zum Abt und ſchritt durch
die Reihen.
Eine Rauchwolke zog ihr entgegen. Lärm und Jubel ſchallte vor
dem Burgthor, ein Feuer brannte draußen, von harzigen Tannen-
ſcheitern geſchichtet. Das Ingeſinde der Burg tanzte darum und warf
Blumen drein, eben hatte Audifax die Genoſſin ſeines Schickſals ju-
belnd in Arm gefaßt und war mit ihr durch die hochaufſchlagende
Flamme geſprungen.
Was ſoll der Rauch? ſprach Frau Hadwig zur herbeigeeilten
Praxedis.
Sonnenwende!
²⁴⁶⁾
antwortete die Griechin.
Es war ein trüber verſtimmter Abend. Die Herzogin hatte ſich
in ihr Cloſet verſchloſſen und ließ Niemand vor ſich, Ekkehard war
von den Leuten des Abts in ein Verließ geſchleppt worden, in dem-
ſelben Thurm, in deſſen luftigem Stockwerk ſein Stübchen eingerichtet
ſtund, war ein feuchter finſterer Gewahrſam, Trümmer alter Grab-
ſteine, bei früherem Umbau der Burgkapelle dorthin verbracht, lagen
unheimlich umher. Man hatte ihm einen Bund Stroh hineingeworfen.
Ein Mönch ſaß vor dem Eingang und hielt Wache.
Burkard, der Kloſterſchüler, lief auf und nieder, und rang klagend
die Hände, er konnte ſeines Ohms Geſchick nicht faſſen. Die Leute
der Burg ſteckten die Köpfe zuſammen und wisperten und führten
thörichte Reden, als ob die hundertzüngige Fama auf dem Giebel des
Burgdachs geſeſſen und ihre Lügen ausgeſtreut hätte: Er hat die
Herrin ermorden wollen, ſprach der Eine; er hat des Teufels Künſte
getrieben mit ſeinem großen Buch, ſprach ein Anderer, heut iſt Sanct
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/331>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.