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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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Gallen und fiel sich zu Tode, und jetzt sitzt er bei einer blassen Frau
und liest Virgil, und es klingt mitternächtig durch's Hegau: den un-
säglichen Schmerz zu erneuen gebeutst du o Königin mir! und sie muß
ihn küssen ob sie will oder nicht -- der Tod holt nach was das Le-
ben versäumt!

Er hatte gesprochen mit irrem Blick. Jetzt brach er zusammen in
leisem Weinen. Frau Hadwig war unbewegt gestanden, es war als
ob ein Flimmer von Mitleid ihr kaltes Aug' durchleuchte, sie beugte
sich nieder.

Ekkehard! sprach sie, Ihr sollt nicht vom Tod sprechen. Das ist
Wahnsinn. Wir leben, Ihr und ich ...

Er bewegte sich nicht. Da legte sich ihre Hand leicht über das
fieberheiße Haupt. Es strömte und fluthete durch sein Gehirn. Er
sprang auf.

Ihr habt Recht! rief er, wir leben. Ihr und ich! Tanzende Nacht
legte sich um seinen Blick; er that einen Schritt vor, seine Arme
schlangen sich um das stolze Frauenbild, wüthend preßte er sie an sich,
sein Kuß flammte auf ihre Lippen, ungehört verklang der Widerspruch.

Er hob sie hoch gegen den Altar, als wäre sie ein Weihgeschenk,
das er darbringen wollte: Was hältst du die goldglänzenden Finger so
ruhig und segnest uns nicht? rief er zum düster ernsten Mosaikbild
hinauf ...

Die Herzogin war zusammengeschrocken wie ein wundes Reh; --
ein Augenblick, da ballte und bäumte sich Alles in ihr von gekränktem
Stolz; sie stieß den Rasenden mit starker Hand vor die Stirn und
entstrickte sich seinem Arm.

Noch hielt er ihre Hüfte umschlungen, da that sich die Pforte der
Kirche auf; ein greller Strahl Tageslicht drang in's Düster -- sie
waren nicht mehr allein.

Rudimann der Kellermeister von Reichenau trat über die Schwelle,
Gestalten erschienen im Grunde des Burghofs.

Die Herzogin war entfärbt in Scham und Zorn, eine Flechte ihres
dunkeln Haupthaars wallte aufgelöst über den Nacken.

Entschuldiget, sprach der Mann von Reichenau mit grinsend höf-
lichem Ausdruck, meine Augen haben nichts geschaut!

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Gallen und fiel ſich zu Tode, und jetzt ſitzt er bei einer blaſſen Frau
und liest Virgil, und es klingt mitternächtig durch's Hegau: den un-
ſäglichen Schmerz zu erneuen gebeutſt du o Königin mir! und ſie muß
ihn küſſen ob ſie will oder nicht — der Tod holt nach was das Le-
ben verſäumt!

Er hatte geſprochen mit irrem Blick. Jetzt brach er zuſammen in
leiſem Weinen. Frau Hadwig war unbewegt geſtanden, es war als
ob ein Flimmer von Mitleid ihr kaltes Aug' durchleuchte, ſie beugte
ſich nieder.

Ekkehard! ſprach ſie, Ihr ſollt nicht vom Tod ſprechen. Das iſt
Wahnſinn. Wir leben, Ihr und ich ...

Er bewegte ſich nicht. Da legte ſich ihre Hand leicht über das
fieberheiße Haupt. Es ſtrömte und fluthete durch ſein Gehirn. Er
ſprang auf.

Ihr habt Recht! rief er, wir leben. Ihr und ich! Tanzende Nacht
legte ſich um ſeinen Blick; er that einen Schritt vor, ſeine Arme
ſchlangen ſich um das ſtolze Frauenbild, wüthend preßte er ſie an ſich,
ſein Kuß flammte auf ihre Lippen, ungehört verklang der Widerſpruch.

Er hob ſie hoch gegen den Altar, als wäre ſie ein Weihgeſchenk,
das er darbringen wollte: Was hältſt du die goldglänzenden Finger ſo
ruhig und ſegneſt uns nicht? rief er zum düſter ernſten Moſaikbild
hinauf ...

Die Herzogin war zuſammengeſchrocken wie ein wundes Reh; —
ein Augenblick, da ballte und bäumte ſich Alles in ihr von gekränktem
Stolz; ſie ſtieß den Raſenden mit ſtarker Hand vor die Stirn und
entſtrickte ſich ſeinem Arm.

Noch hielt er ihre Hüfte umſchlungen, da that ſich die Pforte der
Kirche auf; ein greller Strahl Tageslicht drang in's Düſter — ſie
waren nicht mehr allein.

Rudimann der Kellermeiſter von Reichenau trat über die Schwelle,
Geſtalten erſchienen im Grunde des Burghofs.

Die Herzogin war entfärbt in Scham und Zorn, eine Flechte ihres
dunkeln Haupthaars wallte aufgelöst über den Nacken.

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lichem Ausdruck, meine Augen haben nichts geſchaut!

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[307/0329] Gallen und fiel ſich zu Tode, und jetzt ſitzt er bei einer blaſſen Frau und liest Virgil, und es klingt mitternächtig durch's Hegau: den un- ſäglichen Schmerz zu erneuen gebeutſt du o Königin mir! und ſie muß ihn küſſen ob ſie will oder nicht — der Tod holt nach was das Le- ben verſäumt! Er hatte geſprochen mit irrem Blick. Jetzt brach er zuſammen in leiſem Weinen. Frau Hadwig war unbewegt geſtanden, es war als ob ein Flimmer von Mitleid ihr kaltes Aug' durchleuchte, ſie beugte ſich nieder. Ekkehard! ſprach ſie, Ihr ſollt nicht vom Tod ſprechen. Das iſt Wahnſinn. Wir leben, Ihr und ich ... Er bewegte ſich nicht. Da legte ſich ihre Hand leicht über das fieberheiße Haupt. Es ſtrömte und fluthete durch ſein Gehirn. Er ſprang auf. Ihr habt Recht! rief er, wir leben. Ihr und ich! Tanzende Nacht legte ſich um ſeinen Blick; er that einen Schritt vor, ſeine Arme ſchlangen ſich um das ſtolze Frauenbild, wüthend preßte er ſie an ſich, ſein Kuß flammte auf ihre Lippen, ungehört verklang der Widerſpruch. Er hob ſie hoch gegen den Altar, als wäre ſie ein Weihgeſchenk, das er darbringen wollte: Was hältſt du die goldglänzenden Finger ſo ruhig und ſegneſt uns nicht? rief er zum düſter ernſten Moſaikbild hinauf ... Die Herzogin war zuſammengeſchrocken wie ein wundes Reh; — ein Augenblick, da ballte und bäumte ſich Alles in ihr von gekränktem Stolz; ſie ſtieß den Raſenden mit ſtarker Hand vor die Stirn und entſtrickte ſich ſeinem Arm. Noch hielt er ihre Hüfte umſchlungen, da that ſich die Pforte der Kirche auf; ein greller Strahl Tageslicht drang in's Düſter — ſie waren nicht mehr allein. Rudimann der Kellermeiſter von Reichenau trat über die Schwelle, Geſtalten erſchienen im Grunde des Burghofs. Die Herzogin war entfärbt in Scham und Zorn, eine Flechte ihres dunkeln Haupthaars wallte aufgelöst über den Nacken. Entſchuldiget, ſprach der Mann von Reichenau mit grinſend höf- lichem Ausdruck, meine Augen haben nichts geſchaut! 20*

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/329>, abgerufen am 25.11.2024.