Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

bejahend auf die Frage, ob er Wohlgefallen an der Zerstörung von
Kirchen und Klöstern gehabt, und an den ausgereckten Fingern war
abzuzählen, daß er mehr denn einmal bei solchem Frevel mitgewirkt.

Unter Zeichen aufrichtiger Reue aber that er zu wissen, daß er in
jüngern Tagen zu Heilung von schlimmem Wundfieber ein Stück vom
Herzen eines erschlagenen Clerikers aufgezehrt;200) zur Sühne lernte
er jetzt desto emsiger die offene Schuld aussprechen, wenn ein Wort
fehlte, half ihm Friderun, und bald konnte Ekkehard erklären, daß er
mit ihm zufrieden, wenn auch nicht Alles in seinem Gemüth Eingang
gefunden, was der Kirchenvater Augustinus in seinem Buch von
Unterweisung der im Glauben Rohen verlangt.

Da ordneten sie einen Tag zu gleichzeitigem Vollzug von Taufe
und Hochzeit. Nach der Herzogin Geheiß sollten ihm drei Taufpathen
gegeben sein, einer vom Kloster Reichenau, einer von Sanct Gallen
und einer vom Heerbann, zum Gedächtniß an die Schlacht drin sie
ihn gefangen. Die Reichenauer sandten Rudimann den Kellermeister;
für den Heerbann trat Herr Spazzo ein. Und weil die Pathen sich
nicht einigen konnten, welch einen neuen Namen der Täufling führen
sollte, ob Pirmin zu Ehren der Reichenau, oder Gallus, brachten sie
es vor die Herzogin zum Austrag, die sprach: heißet ihn Paulus,
denn auch er ist schnaubend von Wuth und Mord gegen die Jünger
des Herrn in's Land gezogen, bis daß ihm die Schuppen von den
Augen fielen.

Es war ein Sonnabend, da führten sie den Cappan, der während
des ganzen Tages gefastet, zur Capelle der Burg und verbrachten ab-
wechselnd die Nacht mit ihm im Gebete. Der Hunn' war ergeben und
fromm, und trug sich mit ernsten Gedanken, und vermeinte der Geist
seiner Mutter sei ihm erschienen, in Lämmerfelle gehüllt, und hab'
ihm zugerufen: Dein Bogen ist zerbrochen, duck dich, arm Reiterlein:
Die dich vom Roß gestochen, soll'n deine Herren sein!

In stiller Sonntagsfrühe aber, als noch perlender Thau die Halme
netzte, und kaum ein erstes Lerchlein sich zum reinen Morgenhimmel
aufschwang, wallte eine kleine Schaar mit Kreuz und Fahne den Burg-
weg hinab -- diesmal kein Trauerzug.

Ekkehard voraus im violetten Priestergewand, inmitten seiner Pa-
then der Hunne, so schritten sie durch den üppigen Wieswuchs an's

bejahend auf die Frage, ob er Wohlgefallen an der Zerſtörung von
Kirchen und Klöſtern gehabt, und an den ausgereckten Fingern war
abzuzählen, daß er mehr denn einmal bei ſolchem Frevel mitgewirkt.

Unter Zeichen aufrichtiger Reue aber that er zu wiſſen, daß er in
jüngern Tagen zu Heilung von ſchlimmem Wundfieber ein Stück vom
Herzen eines erſchlagenen Clerikers aufgezehrt;200) zur Sühne lernte
er jetzt deſto emſiger die offene Schuld ausſprechen, wenn ein Wort
fehlte, half ihm Friderun, und bald konnte Ekkehard erklären, daß er
mit ihm zufrieden, wenn auch nicht Alles in ſeinem Gemüth Eingang
gefunden, was der Kirchenvater Auguſtinus in ſeinem Buch von
Unterweiſung der im Glauben Rohen verlangt.

Da ordneten ſie einen Tag zu gleichzeitigem Vollzug von Taufe
und Hochzeit. Nach der Herzogin Geheiß ſollten ihm drei Taufpathen
gegeben ſein, einer vom Kloſter Reichenau, einer von Sanct Gallen
und einer vom Heerbann, zum Gedächtniß an die Schlacht drin ſie
ihn gefangen. Die Reichenauer ſandten Rudimann den Kellermeiſter;
für den Heerbann trat Herr Spazzo ein. Und weil die Pathen ſich
nicht einigen konnten, welch einen neuen Namen der Täufling führen
ſollte, ob Pirmin zu Ehren der Reichenau, oder Gallus, brachten ſie
es vor die Herzogin zum Austrag, die ſprach: heißet ihn Paulus,
denn auch er iſt ſchnaubend von Wuth und Mord gegen die Jünger
des Herrn in's Land gezogen, bis daß ihm die Schuppen von den
Augen fielen.

Es war ein Sonnabend, da führten ſie den Cappan, der während
des ganzen Tages gefaſtet, zur Capelle der Burg und verbrachten ab-
wechſelnd die Nacht mit ihm im Gebete. Der Hunn' war ergeben und
fromm, und trug ſich mit ernſten Gedanken, und vermeinte der Geiſt
ſeiner Mutter ſei ihm erſchienen, in Lämmerfelle gehüllt, und hab'
ihm zugerufen: Dein Bogen iſt zerbrochen, duck dich, arm Reiterlein:
Die dich vom Roß geſtochen, ſoll'n deine Herren ſein!

In ſtiller Sonntagsfrühe aber, als noch perlender Thau die Halme
netzte, und kaum ein erſtes Lerchlein ſich zum reinen Morgenhimmel
aufſchwang, wallte eine kleine Schaar mit Kreuz und Fahne den Burg-
weg hinab — diesmal kein Trauerzug.

Ekkehard voraus im violetten Prieſtergewand, inmitten ſeiner Pa-
then der Hunne, ſo ſchritten ſie durch den üppigen Wieswuchs an's

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0241" n="219"/>
bejahend auf die Frage, ob er Wohlgefallen an der Zer&#x017F;törung von<lb/>
Kirchen und Klö&#x017F;tern gehabt, und an den ausgereckten Fingern war<lb/>
abzuzählen, daß er mehr denn einmal bei &#x017F;olchem Frevel mitgewirkt.</p><lb/>
        <p>Unter Zeichen aufrichtiger Reue aber that er zu wi&#x017F;&#x017F;en, daß er in<lb/>
jüngern Tagen zu Heilung von &#x017F;chlimmem Wundfieber ein Stück vom<lb/>
Herzen eines er&#x017F;chlagenen Clerikers aufgezehrt;<note xml:id="ed200" next="#edt200" place="end" n="200)"/> zur Sühne lernte<lb/>
er jetzt de&#x017F;to em&#x017F;iger die offene Schuld aus&#x017F;prechen, wenn ein Wort<lb/>
fehlte, half ihm Friderun, und bald konnte Ekkehard erklären, daß er<lb/>
mit ihm zufrieden, wenn auch nicht Alles in &#x017F;einem Gemüth Eingang<lb/>
gefunden, was der Kirchenvater Augu&#x017F;tinus in &#x017F;einem Buch von<lb/>
Unterwei&#x017F;ung der im Glauben Rohen verlangt.</p><lb/>
        <p>Da ordneten &#x017F;ie einen Tag zu gleichzeitigem Vollzug von Taufe<lb/>
und Hochzeit. Nach der Herzogin Geheiß &#x017F;ollten ihm drei Taufpathen<lb/>
gegeben &#x017F;ein, einer vom Klo&#x017F;ter Reichenau, einer von Sanct Gallen<lb/>
und einer vom Heerbann, zum Gedächtniß an die Schlacht drin &#x017F;ie<lb/>
ihn gefangen. Die Reichenauer &#x017F;andten Rudimann den Kellermei&#x017F;ter;<lb/>
für den Heerbann trat Herr Spazzo ein. Und weil die Pathen &#x017F;ich<lb/>
nicht einigen konnten, welch einen neuen Namen der Täufling führen<lb/>
&#x017F;ollte, ob Pirmin zu Ehren der Reichenau, oder Gallus, brachten &#x017F;ie<lb/>
es vor die Herzogin zum Austrag, die &#x017F;prach: heißet ihn Paulus,<lb/>
denn auch er i&#x017F;t &#x017F;chnaubend von Wuth und Mord gegen die Jünger<lb/>
des Herrn in's Land gezogen, bis daß ihm die Schuppen von den<lb/>
Augen fielen.</p><lb/>
        <p>Es war ein Sonnabend, da führten &#x017F;ie den Cappan, der während<lb/>
des ganzen Tages gefa&#x017F;tet, zur Capelle der Burg und verbrachten ab-<lb/>
wech&#x017F;elnd die Nacht mit ihm im Gebete. Der Hunn' war ergeben und<lb/>
fromm, und trug &#x017F;ich mit ern&#x017F;ten Gedanken, und vermeinte der Gei&#x017F;t<lb/>
&#x017F;einer Mutter &#x017F;ei ihm er&#x017F;chienen, in Lämmerfelle gehüllt, und hab'<lb/>
ihm zugerufen: Dein Bogen i&#x017F;t zerbrochen, duck dich, arm Reiterlein:<lb/>
Die dich vom Roß ge&#x017F;tochen, &#x017F;oll'n deine Herren &#x017F;ein!</p><lb/>
        <p>In &#x017F;tiller Sonntagsfrühe aber, als noch perlender Thau die Halme<lb/>
netzte, und kaum ein er&#x017F;tes Lerchlein &#x017F;ich zum reinen Morgenhimmel<lb/>
auf&#x017F;chwang, wallte eine kleine Schaar mit Kreuz und Fahne den Burg-<lb/>
weg hinab &#x2014; diesmal kein Trauerzug.</p><lb/>
        <p>Ekkehard voraus im violetten Prie&#x017F;tergewand, inmitten &#x017F;einer Pa-<lb/>
then der Hunne, &#x017F;o &#x017F;chritten &#x017F;ie durch den üppigen Wieswuchs an's<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[219/0241] bejahend auf die Frage, ob er Wohlgefallen an der Zerſtörung von Kirchen und Klöſtern gehabt, und an den ausgereckten Fingern war abzuzählen, daß er mehr denn einmal bei ſolchem Frevel mitgewirkt. Unter Zeichen aufrichtiger Reue aber that er zu wiſſen, daß er in jüngern Tagen zu Heilung von ſchlimmem Wundfieber ein Stück vom Herzen eines erſchlagenen Clerikers aufgezehrt; ²⁰⁰⁾ zur Sühne lernte er jetzt deſto emſiger die offene Schuld ausſprechen, wenn ein Wort fehlte, half ihm Friderun, und bald konnte Ekkehard erklären, daß er mit ihm zufrieden, wenn auch nicht Alles in ſeinem Gemüth Eingang gefunden, was der Kirchenvater Auguſtinus in ſeinem Buch von Unterweiſung der im Glauben Rohen verlangt. Da ordneten ſie einen Tag zu gleichzeitigem Vollzug von Taufe und Hochzeit. Nach der Herzogin Geheiß ſollten ihm drei Taufpathen gegeben ſein, einer vom Kloſter Reichenau, einer von Sanct Gallen und einer vom Heerbann, zum Gedächtniß an die Schlacht drin ſie ihn gefangen. Die Reichenauer ſandten Rudimann den Kellermeiſter; für den Heerbann trat Herr Spazzo ein. Und weil die Pathen ſich nicht einigen konnten, welch einen neuen Namen der Täufling führen ſollte, ob Pirmin zu Ehren der Reichenau, oder Gallus, brachten ſie es vor die Herzogin zum Austrag, die ſprach: heißet ihn Paulus, denn auch er iſt ſchnaubend von Wuth und Mord gegen die Jünger des Herrn in's Land gezogen, bis daß ihm die Schuppen von den Augen fielen. Es war ein Sonnabend, da führten ſie den Cappan, der während des ganzen Tages gefaſtet, zur Capelle der Burg und verbrachten ab- wechſelnd die Nacht mit ihm im Gebete. Der Hunn' war ergeben und fromm, und trug ſich mit ernſten Gedanken, und vermeinte der Geiſt ſeiner Mutter ſei ihm erſchienen, in Lämmerfelle gehüllt, und hab' ihm zugerufen: Dein Bogen iſt zerbrochen, duck dich, arm Reiterlein: Die dich vom Roß geſtochen, ſoll'n deine Herren ſein! In ſtiller Sonntagsfrühe aber, als noch perlender Thau die Halme netzte, und kaum ein erſtes Lerchlein ſich zum reinen Morgenhimmel aufſchwang, wallte eine kleine Schaar mit Kreuz und Fahne den Burg- weg hinab — diesmal kein Trauerzug. Ekkehard voraus im violetten Prieſtergewand, inmitten ſeiner Pa- then der Hunne, ſo ſchritten ſie durch den üppigen Wieswuchs an's

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/241
Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/241>, abgerufen am 05.12.2024.