Ufer des Flüßleins Aach. Dort pflanzten sie das Kreuz in weißen Sandboden und traten im Halbkreis um den, der heute zum letzten- mal Cappan heißen sollte; hell klang ihre Litanei durch die Morgen- stille zu Gott auf, daß er gnädig herabschaue zu dem, der jetzt seinen Nacken vor ihm beuge und sich nach Befreiung sehne vom Joch des Heidenthums und der Sünde.
Dann hießen sie den Täufling sich entkleiden bis auf die Umgür- tung der Lenden. Er kniete im Ufersand, Ekkehard sprach die Be- schwörung im Namen dessen, den Engel und Erzengel fürchten, vor dem Himmel und Erde erzittern, und die Abgründe sich aufthun, auf daß der böse Geist die letzte Gewalt über ihn verliere, dann hauchte er ihn dreimal an, reichte geweihtes Salz seinem Munde, als Sinn- bild neuer Weisheit und neuen Denkens, und salbte ihm Stirn und Brust mit heiligem Oele. Der Täufling war wie erschüttert und wagte kaum zu athmen, so schlug ihm die Wucht der Feier in's Ge- müth. Wie ihm drauf Ekkehard die Formel der Abschwörung vor- sprach: Versagst du dem Teufel und allen seinen Werken und allen seinen Gezierden? antwortete er mit heller Stimme: Ich versag' ihm! und sprach, so gut er's vermochte, die Worte des Bekenntnisses nach, drauf tauchte ihn Ekkehard in die kühle Fluth des Flüßleins, die Taufe war ausgesprochen, der neue Paulus stieg aus dem Gewässer ... einen wehmüthigen Blick warf er nach dem frischen Grabhügel der sich drüben am Waldessaum thürmte, dann zogen ihn die Taufpathen herauf und hüllten den Zitternden in ein blendend linnen Gewand. Vergnüg- lich stand er unter seinen neuen Brüdern. Ekkehard hielt eine An- sprache nach den Worten der Schrift: Der ist selig, welcher sein Ge- wand treu behütet, damit er nicht nackend gehe,201) und mahnte ihn, daß er von nun an das makellose Linnen trage als Gewand der Wie- dergeburt in Rechtschaffenheit und Güte, wie es die Taufe ihm ver- liehen, -- und legte ihm die Hände auf. Mit schallendem Lobsang führten sie den Neubekehrten zur Burg zurück.
In der gewölbten Fensternische eines Gemachs im Erdgeschoß saß indessen Friderun die Lange. Praxedis huschte auf und ab, wie ein unstetes Irrlicht; sie hatte sich's von der Herzogin erbeten, die unge- schlachte Braut zu ihrem Ehrentag zu schmücken. Schon waren die Haare eingeflochten in rothe Stränge von Garn, der unendlich falten-
Ufer des Flüßleins Aach. Dort pflanzten ſie das Kreuz in weißen Sandboden und traten im Halbkreis um den, der heute zum letzten- mal Cappan heißen ſollte; hell klang ihre Litanei durch die Morgen- ſtille zu Gott auf, daß er gnädig herabſchaue zu dem, der jetzt ſeinen Nacken vor ihm beuge und ſich nach Befreiung ſehne vom Joch des Heidenthums und der Sünde.
Dann hießen ſie den Täufling ſich entkleiden bis auf die Umgür- tung der Lenden. Er kniete im Uferſand, Ekkehard ſprach die Be- ſchwörung im Namen deſſen, den Engel und Erzengel fürchten, vor dem Himmel und Erde erzittern, und die Abgründe ſich aufthun, auf daß der böſe Geiſt die letzte Gewalt über ihn verliere, dann hauchte er ihn dreimal an, reichte geweihtes Salz ſeinem Munde, als Sinn- bild neuer Weisheit und neuen Denkens, und ſalbte ihm Stirn und Bruſt mit heiligem Oele. Der Täufling war wie erſchüttert und wagte kaum zu athmen, ſo ſchlug ihm die Wucht der Feier in's Ge- müth. Wie ihm drauf Ekkehard die Formel der Abſchwörung vor- ſprach: Verſagſt du dem Teufel und allen ſeinen Werken und allen ſeinen Gezierden? antwortete er mit heller Stimme: Ich verſag' ihm! und ſprach, ſo gut er's vermochte, die Worte des Bekenntniſſes nach, drauf tauchte ihn Ekkehard in die kühle Fluth des Flüßleins, die Taufe war ausgeſprochen, der neue Paulus ſtieg aus dem Gewäſſer ... einen wehmüthigen Blick warf er nach dem friſchen Grabhügel der ſich drüben am Waldesſaum thürmte, dann zogen ihn die Taufpathen herauf und hüllten den Zitternden in ein blendend linnen Gewand. Vergnüg- lich ſtand er unter ſeinen neuen Brüdern. Ekkehard hielt eine An- ſprache nach den Worten der Schrift: Der iſt ſelig, welcher ſein Ge- wand treu behütet, damit er nicht nackend gehe,201) und mahnte ihn, daß er von nun an das makelloſe Linnen trage als Gewand der Wie- dergeburt in Rechtſchaffenheit und Güte, wie es die Taufe ihm ver- liehen, — und legte ihm die Hände auf. Mit ſchallendem Lobſang führten ſie den Neubekehrten zur Burg zurück.
In der gewölbten Fenſterniſche eines Gemachs im Erdgeſchoß ſaß indeſſen Friderun die Lange. Praxedis huſchte auf und ab, wie ein unſtetes Irrlicht; ſie hatte ſich's von der Herzogin erbeten, die unge- ſchlachte Braut zu ihrem Ehrentag zu ſchmücken. Schon waren die Haare eingeflochten in rothe Stränge von Garn, der unendlich falten-
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Ufer des Flüßleins Aach. Dort pflanzten ſie das Kreuz in weißen
Sandboden und traten im Halbkreis um den, der heute zum letzten-
mal Cappan heißen ſollte; hell klang ihre Litanei durch die Morgen-
ſtille zu Gott auf, daß er gnädig herabſchaue zu dem, der jetzt ſeinen
Nacken vor ihm beuge und ſich nach Befreiung ſehne vom Joch des
Heidenthums und der Sünde.
Dann hießen ſie den Täufling ſich entkleiden bis auf die Umgür-
tung der Lenden. Er kniete im Uferſand, Ekkehard ſprach die Be-
ſchwörung im Namen deſſen, den Engel und Erzengel fürchten, vor
dem Himmel und Erde erzittern, und die Abgründe ſich aufthun, auf
daß der böſe Geiſt die letzte Gewalt über ihn verliere, dann hauchte
er ihn dreimal an, reichte geweihtes Salz ſeinem Munde, als Sinn-
bild neuer Weisheit und neuen Denkens, und ſalbte ihm Stirn und
Bruſt mit heiligem Oele. Der Täufling war wie erſchüttert und
wagte kaum zu athmen, ſo ſchlug ihm die Wucht der Feier in's Ge-
müth. Wie ihm drauf Ekkehard die Formel der Abſchwörung vor-
ſprach: Verſagſt du dem Teufel und allen ſeinen Werken und allen
ſeinen Gezierden? antwortete er mit heller Stimme: Ich verſag' ihm!
und ſprach, ſo gut er's vermochte, die Worte des Bekenntniſſes nach,
drauf tauchte ihn Ekkehard in die kühle Fluth des Flüßleins, die
Taufe war ausgeſprochen, der neue Paulus ſtieg aus dem Gewäſſer ...
einen wehmüthigen Blick warf er nach dem friſchen Grabhügel der ſich
drüben am Waldesſaum thürmte, dann zogen ihn die Taufpathen herauf
und hüllten den Zitternden in ein blendend linnen Gewand. Vergnüg-
lich ſtand er unter ſeinen neuen Brüdern. Ekkehard hielt eine An-
ſprache nach den Worten der Schrift: Der iſt ſelig, welcher ſein Ge-
wand treu behütet, damit er nicht nackend gehe,
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und mahnte ihn,
daß er von nun an das makelloſe Linnen trage als Gewand der Wie-
dergeburt in Rechtſchaffenheit und Güte, wie es die Taufe ihm ver-
liehen, — und legte ihm die Hände auf. Mit ſchallendem Lobſang
führten ſie den Neubekehrten zur Burg zurück.
In der gewölbten Fenſterniſche eines Gemachs im Erdgeſchoß ſaß
indeſſen Friderun die Lange. Praxedis huſchte auf und ab, wie ein
unſtetes Irrlicht; ſie hatte ſich's von der Herzogin erbeten, die unge-
ſchlachte Braut zu ihrem Ehrentag zu ſchmücken. Schon waren die
Haare eingeflochten in rothe Stränge von Garn, der unendlich falten-
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/242>, abgerufen am 05.12.2024.
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