Noch lange Jahre mög' ihr Scepter walten, Es blüh' um sie ein stark und sittig Volk. Und kommt Euch einst ein fremd Getön gerauscht, Wie Heldenlied und fernes Saitenspiel, Dann denket mein, es grüßt Italia Euch, Es grüßt Virgil den Fels von Hohentwiel.
Er sprach's und winkte freundlich und verschwand. Ich aber schrieb noch in derselben Nacht Was er gesprochen. Meiner Herrin sei's Als Festgeschenk itzt schüchtern dargebracht Von ihrem treuen Dienstmann Ekkehard.
Eine kurze Pause erhob sich, als er die Lesung seines Gedichts beendet. Dann trat die Herzogin auf ihn zu und reichte ihm die Hand. Ekkehard, ich danke Euch! sprach sie; es waren dieselben Worte, die sie einst im Klosterhof zu Sanct Gallen zu ihm gespro- chen, aber der Ton war noch milder wie damals, und der Blick war strahlend und ihr Lächeln wundersam, wie das zaubervoller Feyen, von dem die Sage geht, ein Schneeregen blühender Rosen müsse drauf folgen.
Sie wandte sich dann zu Praxedis: und dich sollte ich verurthei- len, itzt einen abbittenden Fußfall zu thun, die du jüngst so gering- schätzend von den gelehrten geistlichen Männern gesprochen. Aber die Griechin blickte schelmisch drein, wohl wissend, daß ohne ihren weisen Rath und Beistand der scheue Mönch sich kaum zu seiner Dichtung erschwungen.
In aller Zukunft, sprach sie, werde ich seinem Verdienste die ge- bührende Achtung zollen. Auch einen Kranz will ich ihm flechten, so Ihr gebietet.
Als Ekkehard hinaufgegangen war in seine Thurmstube und die stille Mitternacht herannahte, saßen die Frauen noch bei einand. Und die Griechin brachte eine Schaale mit Wasser und etliche Stücklein Blei und einen metallenen Löffel. Das Bleigießen vom vorigen Jahr ist gut eingetroffen, sprach sie, wir mochten's uns damals kaum er- klären, welch eine sonderbare Form das geschmolzene Stück im Wasser annahm, aber ich meine itzt mehr und mehr, es habe einer Mönchs- kapuze geglichen, und die ist unserer Burg geworden.
Noch lange Jahre mög' ihr Scepter walten, Es blüh' um ſie ein ſtark und ſittig Volk. Und kommt Euch einſt ein fremd Getön gerauſcht, Wie Heldenlied und fernes Saitenſpiel, Dann denket mein, es grüßt Italia Euch, Es grüßt Virgil den Fels von Hohentwiel.
Er ſprach's und winkte freundlich und verſchwand. Ich aber ſchrieb noch in derſelben Nacht Was er geſprochen. Meiner Herrin ſei's Als Feſtgeſchenk itzt ſchüchtern dargebracht Von ihrem treuen Dienſtmann Ekkehard.
Eine kurze Pauſe erhob ſich, als er die Leſung ſeines Gedichts beendet. Dann trat die Herzogin auf ihn zu und reichte ihm die Hand. Ekkehard, ich danke Euch! ſprach ſie; es waren dieſelben Worte, die ſie einſt im Kloſterhof zu Sanct Gallen zu ihm geſpro- chen, aber der Ton war noch milder wie damals, und der Blick war ſtrahlend und ihr Lächeln wunderſam, wie das zaubervoller Feyen, von dem die Sage geht, ein Schneeregen blühender Roſen müſſe drauf folgen.
Sie wandte ſich dann zu Praxedis: und dich ſollte ich verurthei- len, itzt einen abbittenden Fußfall zu thun, die du jüngſt ſo gering- ſchätzend von den gelehrten geiſtlichen Männern geſprochen. Aber die Griechin blickte ſchelmiſch drein, wohl wiſſend, daß ohne ihren weiſen Rath und Beiſtand der ſcheue Mönch ſich kaum zu ſeiner Dichtung erſchwungen.
In aller Zukunft, ſprach ſie, werde ich ſeinem Verdienſte die ge- bührende Achtung zollen. Auch einen Kranz will ich ihm flechten, ſo Ihr gebietet.
Als Ekkehard hinaufgegangen war in ſeine Thurmſtube und die ſtille Mitternacht herannahte, ſaßen die Frauen noch bei einand. Und die Griechin brachte eine Schaale mit Waſſer und etliche Stücklein Blei und einen metallenen Löffel. Das Bleigießen vom vorigen Jahr iſt gut eingetroffen, ſprach ſie, wir mochten's uns damals kaum er- klären, welch eine ſonderbare Form das geſchmolzene Stück im Waſſer annahm, aber ich meine itzt mehr und mehr, es habe einer Mönchs- kapuze geglichen, und die iſt unſerer Burg geworden.
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Es blüh' um ſie ein ſtark und ſittig Volk.
Und kommt Euch einſt ein fremd Getön gerauſcht,
Wie Heldenlied und fernes Saitenſpiel,
Dann denket mein, es grüßt Italia Euch,
Es grüßt Virgil den Fels von Hohentwiel.
Er ſprach's und winkte freundlich und verſchwand.
Ich aber ſchrieb noch in derſelben Nacht
Was er geſprochen. Meiner Herrin ſei's
Als Feſtgeſchenk itzt ſchüchtern dargebracht
Von ihrem treuen Dienſtmann Ekkehard.
Eine kurze Pauſe erhob ſich, als er die Leſung ſeines Gedichts
beendet. Dann trat die Herzogin auf ihn zu und reichte ihm die
Hand. Ekkehard, ich danke Euch! ſprach ſie; es waren dieſelben
Worte, die ſie einſt im Kloſterhof zu Sanct Gallen zu ihm geſpro-
chen, aber der Ton war noch milder wie damals, und der Blick war
ſtrahlend und ihr Lächeln wunderſam, wie das zaubervoller Feyen,
von dem die Sage geht, ein Schneeregen blühender Roſen müſſe
drauf folgen.
Sie wandte ſich dann zu Praxedis: und dich ſollte ich verurthei-
len, itzt einen abbittenden Fußfall zu thun, die du jüngſt ſo gering-
ſchätzend von den gelehrten geiſtlichen Männern geſprochen. Aber die
Griechin blickte ſchelmiſch drein, wohl wiſſend, daß ohne ihren weiſen
Rath und Beiſtand der ſcheue Mönch ſich kaum zu ſeiner Dichtung
erſchwungen.
In aller Zukunft, ſprach ſie, werde ich ſeinem Verdienſte die ge-
bührende Achtung zollen. Auch einen Kranz will ich ihm flechten, ſo
Ihr gebietet.
Als Ekkehard hinaufgegangen war in ſeine Thurmſtube und die
ſtille Mitternacht herannahte, ſaßen die Frauen noch bei einand. Und
die Griechin brachte eine Schaale mit Waſſer und etliche Stücklein
Blei und einen metallenen Löffel. Das Bleigießen vom vorigen Jahr
iſt gut eingetroffen, ſprach ſie, wir mochten's uns damals kaum er-
klären, welch eine ſonderbare Form das geſchmolzene Stück im Waſſer
annahm, aber ich meine itzt mehr und mehr, es habe einer Mönchs-
kapuze geglichen, und die iſt unſerer Burg geworden.
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/150>, abgerufen am 24.07.2024.
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