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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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Die Herzogin war nachdenkend. Sie lauschte, ob Ekkehard nicht
etwa durch den Gang zurückkehre.

Es ist doch nur eitel Spielerei, sprach sie ...

Wenn es meiner Herrin nicht gefällt, sagte die Griechin, so mag
sie unsern Lehrer beauftragen, uns mit Besserem zu erfreuen; sein
Virgilius ist freilich ein zuverlässiger Orakel der Zukunft, als unser
Blei, wenn er in geweihter Nacht mit Segensspruch und Gebet auf-
geschlagen wird. Ich wäre fast neugierig, welch ein Stück seiner Dich-
tung uns die Geschicke des nächsten Jahrs offenbaren würde ...

Schweig, sagte die Herzogin. Er hat neulich so streng über Zau-
berei gesprochen, er würde uns auslachen ...

Dann werden wir beim Alten bleiben müssen, sprach Praxedis
und hielt den Löffel mit dem Blei über das Licht der Lampe. Das
Blei schmolz und bewegte sich zitternd, da stund sie auf, murmelte
etliche unverständliche Worte und goß es herab. Zischend sprühte das
flüssige Metall in die Wasserschaale.

Frau Hadwig wandte ihren Blick in scheinbarer Gleichgiltigkeit.
Praxedis hielt die Schaale an's Lampenlicht: statt in seltsame Schlacken
zu splittern, war das Blei zusammenhängend geblieben, ein länglich
zugespitzter Tropfen. Matt glänzte es in Frau Hadwig's Hand.

Das ist wiederum ein Räthsel, bis die Lösung kommt, scherzte
Praxedis. Die Zukunft sieht ja für diesesmal fast aus wie ein
Tannenzapfen.

Wie eine Thräne! sprach die Herzogin ernst und stützte ihr Haupt
auf die Rechte.133)

Lauter Lärm im Erdgeschoß der Burg unterbrach das weitere
Prüfen der Vorbedeutung; Gekicher und Aufschrei der dienenden
Mägde, rauhes Gebrumm männlicher Stimmen, schriller Lautenklang:
so tönte es verworren den Gang herauf; ehrerbietig und schutzflehend
hielt der fliehende Schwarm der Dienerinnen an des Saales Schwelle,
die lange Friderun unterdrückte mühsam ein lautes Schelten, die
junge Hadumoth weinte -- tappend kam eine Gestalt hinter ihnen
drein, schwerfälligen zweibeinigen Schritts, in rauhe Bärenhaut gehüllt,
eine bemalte hölzerne Maske mit namhafter Schnauze vor dem Antlitz,
sie brummte und murrte wie ein hungriger Braun, der auf Beute
ausgeht, und that dann und wann einen ungefügen Griff in die Laute,

D. B. VII. Scheffel, Ekkehard. 9

Die Herzogin war nachdenkend. Sie lauſchte, ob Ekkehard nicht
etwa durch den Gang zurückkehre.

Es iſt doch nur eitel Spielerei, ſprach ſie ...

Wenn es meiner Herrin nicht gefällt, ſagte die Griechin, ſo mag
ſie unſern Lehrer beauftragen, uns mit Beſſerem zu erfreuen; ſein
Virgilius iſt freilich ein zuverläſſiger Orakel der Zukunft, als unſer
Blei, wenn er in geweihter Nacht mit Segensſpruch und Gebet auf-
geſchlagen wird. Ich wäre faſt neugierig, welch ein Stück ſeiner Dich-
tung uns die Geſchicke des nächſten Jahrs offenbaren würde ...

Schweig, ſagte die Herzogin. Er hat neulich ſo ſtreng über Zau-
berei geſprochen, er würde uns auslachen ...

Dann werden wir beim Alten bleiben müſſen, ſprach Praxedis
und hielt den Löffel mit dem Blei über das Licht der Lampe. Das
Blei ſchmolz und bewegte ſich zitternd, da ſtund ſie auf, murmelte
etliche unverſtändliche Worte und goß es herab. Ziſchend ſprühte das
flüſſige Metall in die Waſſerſchaale.

Frau Hadwig wandte ihren Blick in ſcheinbarer Gleichgiltigkeit.
Praxedis hielt die Schaale an's Lampenlicht: ſtatt in ſeltſame Schlacken
zu ſplittern, war das Blei zuſammenhängend geblieben, ein länglich
zugeſpitzter Tropfen. Matt glänzte es in Frau Hadwig's Hand.

Das iſt wiederum ein Räthſel, bis die Löſung kommt, ſcherzte
Praxedis. Die Zukunft ſieht ja für dieſesmal faſt aus wie ein
Tannenzapfen.

Wie eine Thräne! ſprach die Herzogin ernſt und ſtützte ihr Haupt
auf die Rechte.133)

Lauter Lärm im Erdgeſchoß der Burg unterbrach das weitere
Prüfen der Vorbedeutung; Gekicher und Aufſchrei der dienenden
Mägde, rauhes Gebrumm männlicher Stimmen, ſchriller Lautenklang:
ſo tönte es verworren den Gang herauf; ehrerbietig und ſchutzflehend
hielt der fliehende Schwarm der Dienerinnen an des Saales Schwelle,
die lange Friderun unterdrückte mühſam ein lautes Schelten, die
junge Hadumoth weinte — tappend kam eine Geſtalt hinter ihnen
drein, ſchwerfälligen zweibeinigen Schritts, in rauhe Bärenhaut gehüllt,
eine bemalte hölzerne Maske mit namhafter Schnauze vor dem Antlitz,
ſie brummte und murrte wie ein hungriger Braun, der auf Beute
ausgeht, und that dann und wann einen ungefügen Griff in die Laute,

D. B. VII. Scheffel, Ekkehard. 9
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[129/0151] Die Herzogin war nachdenkend. Sie lauſchte, ob Ekkehard nicht etwa durch den Gang zurückkehre. Es iſt doch nur eitel Spielerei, ſprach ſie ... Wenn es meiner Herrin nicht gefällt, ſagte die Griechin, ſo mag ſie unſern Lehrer beauftragen, uns mit Beſſerem zu erfreuen; ſein Virgilius iſt freilich ein zuverläſſiger Orakel der Zukunft, als unſer Blei, wenn er in geweihter Nacht mit Segensſpruch und Gebet auf- geſchlagen wird. Ich wäre faſt neugierig, welch ein Stück ſeiner Dich- tung uns die Geſchicke des nächſten Jahrs offenbaren würde ... Schweig, ſagte die Herzogin. Er hat neulich ſo ſtreng über Zau- berei geſprochen, er würde uns auslachen ... Dann werden wir beim Alten bleiben müſſen, ſprach Praxedis und hielt den Löffel mit dem Blei über das Licht der Lampe. Das Blei ſchmolz und bewegte ſich zitternd, da ſtund ſie auf, murmelte etliche unverſtändliche Worte und goß es herab. Ziſchend ſprühte das flüſſige Metall in die Waſſerſchaale. Frau Hadwig wandte ihren Blick in ſcheinbarer Gleichgiltigkeit. Praxedis hielt die Schaale an's Lampenlicht: ſtatt in ſeltſame Schlacken zu ſplittern, war das Blei zuſammenhängend geblieben, ein länglich zugeſpitzter Tropfen. Matt glänzte es in Frau Hadwig's Hand. Das iſt wiederum ein Räthſel, bis die Löſung kommt, ſcherzte Praxedis. Die Zukunft ſieht ja für dieſesmal faſt aus wie ein Tannenzapfen. Wie eine Thräne! ſprach die Herzogin ernſt und ſtützte ihr Haupt auf die Rechte. ¹³³⁾ Lauter Lärm im Erdgeſchoß der Burg unterbrach das weitere Prüfen der Vorbedeutung; Gekicher und Aufſchrei der dienenden Mägde, rauhes Gebrumm männlicher Stimmen, ſchriller Lautenklang: ſo tönte es verworren den Gang herauf; ehrerbietig und ſchutzflehend hielt der fliehende Schwarm der Dienerinnen an des Saales Schwelle, die lange Friderun unterdrückte mühſam ein lautes Schelten, die junge Hadumoth weinte — tappend kam eine Geſtalt hinter ihnen drein, ſchwerfälligen zweibeinigen Schritts, in rauhe Bärenhaut gehüllt, eine bemalte hölzerne Maske mit namhafter Schnauze vor dem Antlitz, ſie brummte und murrte wie ein hungriger Braun, der auf Beute ausgeht, und that dann und wann einen ungefügen Griff in die Laute, D. B. VII. Scheffel, Ekkehard. 9

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/151>, abgerufen am 25.11.2024.