Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.Und vor mich trat ein leuchtend Menschenbild, Hindeutend auf das aufgeschlagne Buch, Sprach er zu mir: Sei guten Muths, mein Freund, Ich bin kein Geist, der deinen Frieden stört, Ich bringe dir nur Gruß und Segenswunsch. Was todter Buchstab dort dir noch erzählt, Das schrieb ich selbst mit warmem Herzblut einst: Der Troer Waffen, des Aeneas Fahrt, Der Götter Zorn, der stolzen Rom Beginn. Schon ein Jahrtausend schier ist abgerollt, Der Sänger starb, es starb sein ganzes Volk. Still ist mein Grab. Nur selten dringt ein Klang Zu mir herab, von froher Winzer Fest, Vom Wogenschlag am nahen Cap Misen. Doch jüngst hat mich der Nordwind aufgestört, Er brachte Kunde, daß in fremden Gau'n Man des Aeneas Schicksal wieder liest, Daß eine Fürstin, stolz und hochgemuth Des Landes Sprache als ein neu Gewand Um meine Worte gnädig schmiegen heißt. Wir glaubten einst, am Fuß der Alpen sei Nur Sumpf des Rheins und ein barbarisch Volk; Jetzt hat die Heimath selber uns vergessen Und bei den Fremden leben neu wir auf. Deß Euch zu danken bin ich heute hier: Das höchste Kleinod, was dem Sänger wird, Ist Anerkennung einer hohen Frau. Heil deiner Herrin, der das selt'ne Gut Der Stärke und der Weisheit ward bescheert, Die gleich Minerva in der Götter Reih'n, In Erz gerüstet eine Kriegerin, Der Friedenskünste Hort und Schutz zugleich. Und vor mich trat ein leuchtend Menſchenbild, Hindeutend auf das aufgeſchlagne Buch, Sprach er zu mir: Sei guten Muths, mein Freund, Ich bin kein Geiſt, der deinen Frieden ſtört, Ich bringe dir nur Gruß und Segenswunſch. Was todter Buchſtab dort dir noch erzählt, Das ſchrieb ich ſelbſt mit warmem Herzblut einſt: Der Troer Waffen, des Aeneas Fahrt, Der Götter Zorn, der ſtolzen Rom Beginn. Schon ein Jahrtauſend ſchier iſt abgerollt, Der Sänger ſtarb, es ſtarb ſein ganzes Volk. Still iſt mein Grab. Nur ſelten dringt ein Klang Zu mir herab, von froher Winzer Feſt, Vom Wogenſchlag am nahen Cap Miſen. Doch jüngſt hat mich der Nordwind aufgeſtört, Er brachte Kunde, daß in fremden Gau'n Man des Aeneas Schickſal wieder liest, Daß eine Fürſtin, ſtolz und hochgemuth Des Landes Sprache als ein neu Gewand Um meine Worte gnädig ſchmiegen heißt. Wir glaubten einſt, am Fuß der Alpen ſei Nur Sumpf des Rheins und ein barbariſch Volk; Jetzt hat die Heimath ſelber uns vergeſſen Und bei den Fremden leben neu wir auf. Deß Euch zu danken bin ich heute hier: Das höchſte Kleinod, was dem Sänger wird, Iſt Anerkennung einer hohen Frau. Heil deiner Herrin, der das ſelt'ne Gut Der Stärke und der Weisheit ward beſcheert, Die gleich Minerva in der Götter Reih'n, In Erz gerüſtet eine Kriegerin, Der Friedenskünſte Hort und Schutz zugleich. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg n="1"> <pb facs="#f0149" n="127"/> <l>Und vor mich trat ein leuchtend Menſchenbild,</l><lb/> <l>Unſterblich Lächeln ſchwebt' um ſeinen Mund,</l><lb/> <l>In dunkler Fülle wallte das Gelock,</l><lb/> <l>Als Diadem trug er den Lorbeerkranz.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Hindeutend auf das aufgeſchlagne Buch,</l><lb/> <l>Sprach er zu mir: Sei guten Muths, mein Freund,</l><lb/> <l>Ich bin kein Geiſt, der deinen Frieden ſtört,</l><lb/> <l>Ich bringe dir nur Gruß und Segenswunſch.</l><lb/> <l>Was todter Buchſtab dort dir noch erzählt,</l><lb/> <l>Das ſchrieb ich ſelbſt mit warmem Herzblut einſt:</l><lb/> <l>Der Troer Waffen, des Aeneas Fahrt,</l><lb/> <l>Der Götter Zorn, der ſtolzen Rom Beginn.</l><lb/> <l>Schon ein Jahrtauſend ſchier iſt abgerollt,</l><lb/> <l>Der Sänger ſtarb, es ſtarb ſein ganzes Volk.</l><lb/> <l>Still iſt mein Grab. Nur ſelten dringt ein Klang</l><lb/> <l>Zu mir herab, von froher Winzer Feſt,</l><lb/> <l>Vom Wogenſchlag am nahen Cap Miſen.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Doch jüngſt hat mich der Nordwind aufgeſtört,</l><lb/> <l>Er brachte Kunde, daß in fremden Gau'n</l><lb/> <l>Man des Aeneas Schickſal wieder liest,</l><lb/> <l>Daß eine Fürſtin, ſtolz und hochgemuth</l><lb/> <l>Des Landes Sprache als ein neu Gewand</l><lb/> <l>Um meine Worte gnädig ſchmiegen heißt.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Wir glaubten einſt, am Fuß der Alpen ſei</l><lb/> <l>Nur Sumpf des Rheins und ein barbariſch Volk;</l><lb/> <l>Jetzt hat die Heimath ſelber uns vergeſſen</l><lb/> <l>Und bei den Fremden leben neu wir auf.</l><lb/> <l>Deß Euch zu danken bin ich heute hier:</l><lb/> <l>Das höchſte Kleinod, was dem Sänger wird,</l><lb/> <l>Iſt Anerkennung einer hohen Frau.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Heil deiner Herrin, der das ſelt'ne Gut</l><lb/> <l>Der Stärke und der Weisheit ward beſcheert,</l><lb/> <l>Die gleich Minerva in der Götter Reih'n,</l><lb/> <l>In Erz gerüſtet eine Kriegerin,</l><lb/> <l>Der Friedenskünſte Hort und Schutz zugleich.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [127/0149]
Und vor mich trat ein leuchtend Menſchenbild,
Unſterblich Lächeln ſchwebt' um ſeinen Mund,
In dunkler Fülle wallte das Gelock,
Als Diadem trug er den Lorbeerkranz.
Hindeutend auf das aufgeſchlagne Buch,
Sprach er zu mir: Sei guten Muths, mein Freund,
Ich bin kein Geiſt, der deinen Frieden ſtört,
Ich bringe dir nur Gruß und Segenswunſch.
Was todter Buchſtab dort dir noch erzählt,
Das ſchrieb ich ſelbſt mit warmem Herzblut einſt:
Der Troer Waffen, des Aeneas Fahrt,
Der Götter Zorn, der ſtolzen Rom Beginn.
Schon ein Jahrtauſend ſchier iſt abgerollt,
Der Sänger ſtarb, es ſtarb ſein ganzes Volk.
Still iſt mein Grab. Nur ſelten dringt ein Klang
Zu mir herab, von froher Winzer Feſt,
Vom Wogenſchlag am nahen Cap Miſen.
Doch jüngſt hat mich der Nordwind aufgeſtört,
Er brachte Kunde, daß in fremden Gau'n
Man des Aeneas Schickſal wieder liest,
Daß eine Fürſtin, ſtolz und hochgemuth
Des Landes Sprache als ein neu Gewand
Um meine Worte gnädig ſchmiegen heißt.
Wir glaubten einſt, am Fuß der Alpen ſei
Nur Sumpf des Rheins und ein barbariſch Volk;
Jetzt hat die Heimath ſelber uns vergeſſen
Und bei den Fremden leben neu wir auf.
Deß Euch zu danken bin ich heute hier:
Das höchſte Kleinod, was dem Sänger wird,
Iſt Anerkennung einer hohen Frau.
Heil deiner Herrin, der das ſelt'ne Gut
Der Stärke und der Weisheit ward beſcheert,
Die gleich Minerva in der Götter Reih'n,
In Erz gerüſtet eine Kriegerin,
Der Friedenskünſte Hort und Schutz zugleich.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |