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Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Denn einfacher und lieblicher war die Königin nie empfangen worden, als mit dieser stillen Sprache der Natur und den Zeichen eines wirklich gelebten Lebens. Schöner hatte sie nie ein Weib gesehen, das tausend Mal schöner war durch den empfundenen Neid, daß sie alle das Ihre besitze oder alles Glück des Lebens statt ihrer. Düvecke ging nur in einfachem weißen Kleide, aber ihr Wuchs beklomm ihr den Athem; Nacken und Hals und Brust umfloß das weichste, reichste blonde Haar, und die blauen Augen hatten so schwermuthselig geblickt! Aber die Wangen waren so blaß wie Blüthenschnee, ihre Lippen nur leise roth wie ein weißes Rosenblatt im Purpurschein des Abends! Sie faßte so viel Reiz, so viel überdrängende Wehmuth nicht. Sie mußte sich setzen -- und der Kleine brachte ihr ein großes Stück Kindtaufenkuchen auf dem kleinen Handteller, der feingewirkt und schöner und kostbarer, als ein goldener Teller, sanft blühte wie ein Lotus. Sie zog den Knaben zwischen ihre bebenden Kniee, in ihre Umarmung, küßte ihn unersättlich und preßte zum erstenmal ein Kind ihres Mannes an ihre stürmisch-klopfende Brust, an ihr getäuschtes, leeres Mutterherz. O, wie liebte sie ihren Gemahl in dem Kinde! Und gleich einem guten Weibe aus der homerischen Welt, wie wenig konnte sie der verwünscht-schönen Mutter desselben zürnen -- weil Er sie liebte -- und sie nicht! O, das war nur ein Schmerz über alle Frauenschmerzen, aber kein Haß und keine Rache -- bloße bittersüße Wehmuth einer guten, wahrhaft liebenden Seele.

Denn einfacher und lieblicher war die Königin nie empfangen worden, als mit dieser stillen Sprache der Natur und den Zeichen eines wirklich gelebten Lebens. Schöner hatte sie nie ein Weib gesehen, das tausend Mal schöner war durch den empfundenen Neid, daß sie alle das Ihre besitze oder alles Glück des Lebens statt ihrer. Düvecke ging nur in einfachem weißen Kleide, aber ihr Wuchs beklomm ihr den Athem; Nacken und Hals und Brust umfloß das weichste, reichste blonde Haar, und die blauen Augen hatten so schwermuthselig geblickt! Aber die Wangen waren so blaß wie Blüthenschnee, ihre Lippen nur leise roth wie ein weißes Rosenblatt im Purpurschein des Abends! Sie faßte so viel Reiz, so viel überdrängende Wehmuth nicht. Sie mußte sich setzen — und der Kleine brachte ihr ein großes Stück Kindtaufenkuchen auf dem kleinen Handteller, der feingewirkt und schöner und kostbarer, als ein goldener Teller, sanft blühte wie ein Lotus. Sie zog den Knaben zwischen ihre bebenden Kniee, in ihre Umarmung, küßte ihn unersättlich und preßte zum erstenmal ein Kind ihres Mannes an ihre stürmisch-klopfende Brust, an ihr getäuschtes, leeres Mutterherz. O, wie liebte sie ihren Gemahl in dem Kinde! Und gleich einem guten Weibe aus der homerischen Welt, wie wenig konnte sie der verwünscht-schönen Mutter desselben zürnen — weil Er sie liebte — und sie nicht! O, das war nur ein Schmerz über alle Frauenschmerzen, aber kein Haß und keine Rache — bloße bittersüße Wehmuth einer guten, wahrhaft liebenden Seele.

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[0087] Denn einfacher und lieblicher war die Königin nie empfangen worden, als mit dieser stillen Sprache der Natur und den Zeichen eines wirklich gelebten Lebens. Schöner hatte sie nie ein Weib gesehen, das tausend Mal schöner war durch den empfundenen Neid, daß sie alle das Ihre besitze oder alles Glück des Lebens statt ihrer. Düvecke ging nur in einfachem weißen Kleide, aber ihr Wuchs beklomm ihr den Athem; Nacken und Hals und Brust umfloß das weichste, reichste blonde Haar, und die blauen Augen hatten so schwermuthselig geblickt! Aber die Wangen waren so blaß wie Blüthenschnee, ihre Lippen nur leise roth wie ein weißes Rosenblatt im Purpurschein des Abends! Sie faßte so viel Reiz, so viel überdrängende Wehmuth nicht. Sie mußte sich setzen — und der Kleine brachte ihr ein großes Stück Kindtaufenkuchen auf dem kleinen Handteller, der feingewirkt und schöner und kostbarer, als ein goldener Teller, sanft blühte wie ein Lotus. Sie zog den Knaben zwischen ihre bebenden Kniee, in ihre Umarmung, küßte ihn unersättlich und preßte zum erstenmal ein Kind ihres Mannes an ihre stürmisch-klopfende Brust, an ihr getäuschtes, leeres Mutterherz. O, wie liebte sie ihren Gemahl in dem Kinde! Und gleich einem guten Weibe aus der homerischen Welt, wie wenig konnte sie der verwünscht-schönen Mutter desselben zürnen — weil Er sie liebte — und sie nicht! O, das war nur ein Schmerz über alle Frauenschmerzen, aber kein Haß und keine Rache — bloße bittersüße Wehmuth einer guten, wahrhaft liebenden Seele.

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Zitationshilfe: Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910/87>, abgerufen am 10.05.2024.