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Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Düvecke wollte nun gehen, hinweg nach Obslo, Bergen oder nach Holland; aber die Mutter bedeutete sie, und Düvecke schwieg schon seit jener Entdeckung ihres Betrogenseins zu Allem, was ihre Mutter befahl. Wie Hippolyt gegen seinen Vater Theseus die Schuld seiner Mutter verschwieg, ihre Schuld auf sich nahm und lieber in einem falschen, ihm verderblichen Lichte erschien, als dem Vater die Augen der Seele aufzuthun, daß er offen und klar schaute, wie er betrogen werde: so wollte Düvecke ihrer Mutter durch keine Silbe, durch keine Klage merken lassen, wie schwer sie die eigene Tochter betrogen. Der König hielt überhaupt wenig oder nichts von Pracht, Aufwand für Kleidung, äußere Dinge und Feierlichkeiten, und so war die Hochzeit der armen Isabella fast armselig und freudelos.

Der König, Düvecke's treuer Beschützer und Freund, hatte sich zeitig vom Feste zurückgezogen, als seine junge Gemahlin Isabella ins Brautgemach mit den Wachsfackeln geleuchtet war, und saß bis nach Mitternacht bei seiner geliebten Düvecke. Er bekam den Einfall, ihr die schlafende junge Frau Jungfrau zu zeigen; und ohne Weigerung ging sie mit ihm, um auch das zu sehen und zu erfahren.

Erst ließ er sie den Mahlschatz besehen, den er erhalten, und schenkte ihr alles Schönste davon, was sie nur etwa freundlich oder neugierig angesehen; denn sie begehrte nichts. Dann erkundigte er sich, ob die Königin schliefe, und als ihre Kammerfrau auf seinen Befehl

Düvecke wollte nun gehen, hinweg nach Obslo, Bergen oder nach Holland; aber die Mutter bedeutete sie, und Düvecke schwieg schon seit jener Entdeckung ihres Betrogenseins zu Allem, was ihre Mutter befahl. Wie Hippolyt gegen seinen Vater Theseus die Schuld seiner Mutter verschwieg, ihre Schuld auf sich nahm und lieber in einem falschen, ihm verderblichen Lichte erschien, als dem Vater die Augen der Seele aufzuthun, daß er offen und klar schaute, wie er betrogen werde: so wollte Düvecke ihrer Mutter durch keine Silbe, durch keine Klage merken lassen, wie schwer sie die eigene Tochter betrogen. Der König hielt überhaupt wenig oder nichts von Pracht, Aufwand für Kleidung, äußere Dinge und Feierlichkeiten, und so war die Hochzeit der armen Isabella fast armselig und freudelos.

Der König, Düvecke's treuer Beschützer und Freund, hatte sich zeitig vom Feste zurückgezogen, als seine junge Gemahlin Isabella ins Brautgemach mit den Wachsfackeln geleuchtet war, und saß bis nach Mitternacht bei seiner geliebten Düvecke. Er bekam den Einfall, ihr die schlafende junge Frau Jungfrau zu zeigen; und ohne Weigerung ging sie mit ihm, um auch das zu sehen und zu erfahren.

Erst ließ er sie den Mahlschatz besehen, den er erhalten, und schenkte ihr alles Schönste davon, was sie nur etwa freundlich oder neugierig angesehen; denn sie begehrte nichts. Dann erkundigte er sich, ob die Königin schliefe, und als ihre Kammerfrau auf seinen Befehl

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[0065] Düvecke wollte nun gehen, hinweg nach Obslo, Bergen oder nach Holland; aber die Mutter bedeutete sie, und Düvecke schwieg schon seit jener Entdeckung ihres Betrogenseins zu Allem, was ihre Mutter befahl. Wie Hippolyt gegen seinen Vater Theseus die Schuld seiner Mutter verschwieg, ihre Schuld auf sich nahm und lieber in einem falschen, ihm verderblichen Lichte erschien, als dem Vater die Augen der Seele aufzuthun, daß er offen und klar schaute, wie er betrogen werde: so wollte Düvecke ihrer Mutter durch keine Silbe, durch keine Klage merken lassen, wie schwer sie die eigene Tochter betrogen. Der König hielt überhaupt wenig oder nichts von Pracht, Aufwand für Kleidung, äußere Dinge und Feierlichkeiten, und so war die Hochzeit der armen Isabella fast armselig und freudelos. Der König, Düvecke's treuer Beschützer und Freund, hatte sich zeitig vom Feste zurückgezogen, als seine junge Gemahlin Isabella ins Brautgemach mit den Wachsfackeln geleuchtet war, und saß bis nach Mitternacht bei seiner geliebten Düvecke. Er bekam den Einfall, ihr die schlafende junge Frau Jungfrau zu zeigen; und ohne Weigerung ging sie mit ihm, um auch das zu sehen und zu erfahren. Erst ließ er sie den Mahlschatz besehen, den er erhalten, und schenkte ihr alles Schönste davon, was sie nur etwa freundlich oder neugierig angesehen; denn sie begehrte nichts. Dann erkundigte er sich, ob die Königin schliefe, und als ihre Kammerfrau auf seinen Befehl

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:50:59Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:50:59Z)

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Zitationshilfe: Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910/65>, abgerufen am 10.05.2024.