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Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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V. Das Brautgemach der jungen Königin.

Nach den Erequien hatte Frau Sigbritte ihre Tochter und das Kind mit nach Kopenhagen genommen, wo sie ein großes, prachtvoll geschmücktes und schön gelegenes Haus am Hafen bezogen, das ihr der nunmehrige König Christian II. geschenkt. Frau Sigbritte trat nun gleichsam als Königin Mutter auf, denn Christian verweilte mehr bei ihr als im Schlosse, und selbst die Minister und Reichsräthe, Couriere und Hilfebegehrenden mußten ihn bei ihr suchen und warten, bis es ihr gefällig war, sie einzulassen; und es hing von ihr ab, wen sie vorlassen und wen sie abweisen wollte. Sie entwickelte dabei ein Talent, wie man es nur in einem Weibe suchen und finden kann. Sie hörte die Vernünftigen an und aus, so gut wie die Schwindelmacher, selbst die Goldmacher, und wer ihr irgend Etwas vorschlug, was dem uralten, hochedeln Volke der Dänen und ihrem großherzigen Könige zum Nutzen gereichen konnte, der war ihr angenehm und wurde eingewiesen als gehendes oder treibendes Rad in der Mühle des Staates. Denn voll von den Vorzügen ihres Vaterlandes, Holland, wollte sie Dänemark auf dieselbe Höhe des Handels, der Schifffahrt, des Vermögens, selbst der Reinlichkeit und des vortrefflichen Käses bringen; und ein schlauer Bauer, der ihr einen mühlsteingroßen echten holländischen Käse betrugsweise als einen von ihm ge-

V. Das Brautgemach der jungen Königin.

Nach den Erequien hatte Frau Sigbritte ihre Tochter und das Kind mit nach Kopenhagen genommen, wo sie ein großes, prachtvoll geschmücktes und schön gelegenes Haus am Hafen bezogen, das ihr der nunmehrige König Christian II. geschenkt. Frau Sigbritte trat nun gleichsam als Königin Mutter auf, denn Christian verweilte mehr bei ihr als im Schlosse, und selbst die Minister und Reichsräthe, Couriere und Hilfebegehrenden mußten ihn bei ihr suchen und warten, bis es ihr gefällig war, sie einzulassen; und es hing von ihr ab, wen sie vorlassen und wen sie abweisen wollte. Sie entwickelte dabei ein Talent, wie man es nur in einem Weibe suchen und finden kann. Sie hörte die Vernünftigen an und aus, so gut wie die Schwindelmacher, selbst die Goldmacher, und wer ihr irgend Etwas vorschlug, was dem uralten, hochedeln Volke der Dänen und ihrem großherzigen Könige zum Nutzen gereichen konnte, der war ihr angenehm und wurde eingewiesen als gehendes oder treibendes Rad in der Mühle des Staates. Denn voll von den Vorzügen ihres Vaterlandes, Holland, wollte sie Dänemark auf dieselbe Höhe des Handels, der Schifffahrt, des Vermögens, selbst der Reinlichkeit und des vortrefflichen Käses bringen; und ein schlauer Bauer, der ihr einen mühlsteingroßen echten holländischen Käse betrugsweise als einen von ihm ge-

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[0057] V. Das Brautgemach der jungen Königin. Nach den Erequien hatte Frau Sigbritte ihre Tochter und das Kind mit nach Kopenhagen genommen, wo sie ein großes, prachtvoll geschmücktes und schön gelegenes Haus am Hafen bezogen, das ihr der nunmehrige König Christian II. geschenkt. Frau Sigbritte trat nun gleichsam als Königin Mutter auf, denn Christian verweilte mehr bei ihr als im Schlosse, und selbst die Minister und Reichsräthe, Couriere und Hilfebegehrenden mußten ihn bei ihr suchen und warten, bis es ihr gefällig war, sie einzulassen; und es hing von ihr ab, wen sie vorlassen und wen sie abweisen wollte. Sie entwickelte dabei ein Talent, wie man es nur in einem Weibe suchen und finden kann. Sie hörte die Vernünftigen an und aus, so gut wie die Schwindelmacher, selbst die Goldmacher, und wer ihr irgend Etwas vorschlug, was dem uralten, hochedeln Volke der Dänen und ihrem großherzigen Könige zum Nutzen gereichen konnte, der war ihr angenehm und wurde eingewiesen als gehendes oder treibendes Rad in der Mühle des Staates. Denn voll von den Vorzügen ihres Vaterlandes, Holland, wollte sie Dänemark auf dieselbe Höhe des Handels, der Schifffahrt, des Vermögens, selbst der Reinlichkeit und des vortrefflichen Käses bringen; und ein schlauer Bauer, der ihr einen mühlsteingroßen echten holländischen Käse betrugsweise als einen von ihm ge-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:50:59Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:50:59Z)

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Zitationshilfe: Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910/57>, abgerufen am 25.11.2024.