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Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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machen, aber nicht Könige; sie können auch nicht König werden in jedem andern Reiche. Und doch ist das noch ein Kinderwerk gegen das: König in einem Herzen zu werden, oder Liebe zu nehmen, wo sie nicht Ehre geben. Dieser aber hast du sie genommen -- wenn sie welche hatte. Aber sie wird sie behalten und sterben vor Schande; denn nicht Alles deckt der Purpurmantel zu.

Mutter! drohte ihr der König. Aber er wandte sich gewaltsam ab und beschäftigte sich mit Düvecke.

Man fürchtet dich, fuhr sie in gleichem Tone fort, darum wirst du untergehen, und wenn dich sechs Könige zögen, wie den Sesostris, der hier oben über deines Vaters Sarge an der Decke gemalt ist. Ich aber gehe ins Kloster und fürchte und liebe bloß den Herrn. --

So sprach sie zwar; aber die edle, strenge Frau war doch auch ein Weib. Sie zog den kleinen Knaben, ihren Enkel, an sich, küßte ihn herzlich und weinte über ihn auf seine Locken. Dann sammelte sie ihren Geist, und abgezogen von allem Irdischen und in die Höhe erhoben, auf welcher ein reines Herz und alle treue Liebe wohnen, kniete sie hin, als wenn Niemand um sie und in ihr wäre, als der Geist des Gottes, betete, stand auf, segnete mit drei Kreuzen den Todten ein und mit drei Kreuzen sich und entwandelte langsam zur Thür, die ihr Torbern aufthat.

Da trat Sigbritte hastig und froh hinein. Beide Frauen maßen sich mit den Augen, Jede die Andere verachtend. Die eine war gefallen von dem Ort einer Regentin, die Andere zu ihm emporgestiegen.

machen, aber nicht Könige; sie können auch nicht König werden in jedem andern Reiche. Und doch ist das noch ein Kinderwerk gegen das: König in einem Herzen zu werden, oder Liebe zu nehmen, wo sie nicht Ehre geben. Dieser aber hast du sie genommen — wenn sie welche hatte. Aber sie wird sie behalten und sterben vor Schande; denn nicht Alles deckt der Purpurmantel zu.

Mutter! drohte ihr der König. Aber er wandte sich gewaltsam ab und beschäftigte sich mit Düvecke.

Man fürchtet dich, fuhr sie in gleichem Tone fort, darum wirst du untergehen, und wenn dich sechs Könige zögen, wie den Sesostris, der hier oben über deines Vaters Sarge an der Decke gemalt ist. Ich aber gehe ins Kloster und fürchte und liebe bloß den Herrn. —

So sprach sie zwar; aber die edle, strenge Frau war doch auch ein Weib. Sie zog den kleinen Knaben, ihren Enkel, an sich, küßte ihn herzlich und weinte über ihn auf seine Locken. Dann sammelte sie ihren Geist, und abgezogen von allem Irdischen und in die Höhe erhoben, auf welcher ein reines Herz und alle treue Liebe wohnen, kniete sie hin, als wenn Niemand um sie und in ihr wäre, als der Geist des Gottes, betete, stand auf, segnete mit drei Kreuzen den Todten ein und mit drei Kreuzen sich und entwandelte langsam zur Thür, die ihr Torbern aufthat.

Da trat Sigbritte hastig und froh hinein. Beide Frauen maßen sich mit den Augen, Jede die Andere verachtend. Die eine war gefallen von dem Ort einer Regentin, die Andere zu ihm emporgestiegen.

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[0056] machen, aber nicht Könige; sie können auch nicht König werden in jedem andern Reiche. Und doch ist das noch ein Kinderwerk gegen das: König in einem Herzen zu werden, oder Liebe zu nehmen, wo sie nicht Ehre geben. Dieser aber hast du sie genommen — wenn sie welche hatte. Aber sie wird sie behalten und sterben vor Schande; denn nicht Alles deckt der Purpurmantel zu. Mutter! drohte ihr der König. Aber er wandte sich gewaltsam ab und beschäftigte sich mit Düvecke. Man fürchtet dich, fuhr sie in gleichem Tone fort, darum wirst du untergehen, und wenn dich sechs Könige zögen, wie den Sesostris, der hier oben über deines Vaters Sarge an der Decke gemalt ist. Ich aber gehe ins Kloster und fürchte und liebe bloß den Herrn. — So sprach sie zwar; aber die edle, strenge Frau war doch auch ein Weib. Sie zog den kleinen Knaben, ihren Enkel, an sich, küßte ihn herzlich und weinte über ihn auf seine Locken. Dann sammelte sie ihren Geist, und abgezogen von allem Irdischen und in die Höhe erhoben, auf welcher ein reines Herz und alle treue Liebe wohnen, kniete sie hin, als wenn Niemand um sie und in ihr wäre, als der Geist des Gottes, betete, stand auf, segnete mit drei Kreuzen den Todten ein und mit drei Kreuzen sich und entwandelte langsam zur Thür, die ihr Torbern aufthat. Da trat Sigbritte hastig und froh hinein. Beide Frauen maßen sich mit den Augen, Jede die Andere verachtend. Die eine war gefallen von dem Ort einer Regentin, die Andere zu ihm emporgestiegen.

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Zitationshilfe: Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910/56>, abgerufen am 10.05.2024.