Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.verloren; sie hätte ihn nicht an die Heirath erinnern dürfen, auch wenn ein Mädchen sich für so werthlos halten könnte, es zu thun. Und so reis'te er denn bald. Am Abend der Abreise nahm er Abschied von seiner Liebend-Geliebten. Er brachte ihr schon die kostbaren Trauringe, er steckte ihr den mit seinem Namen schon an den Finger; sie trug ihn schon. Ihr weißer, voller Nacken war schon von dem herrlichen Perlenhalsband umschlungen, und das große Demantkreuz ruhte schon, oder wiegte sich schon auf ihrem Busen. Ihre reizenden Arme waren schon von den goldenen Spangen umarmt und umarmten den reizenden Bräutigam schon wieder: denn wer reizend ist und schenkt, reizt zehnfach. Das Brautkleid, das der Diener zugleich gebracht, hing schon entfaltet und bewundert über die Sammetlehne des Sessels. Ihre Augen leuchteten ihn an. Die seinen bestaunten wie schwelgend ihr schönes freudiges Antlitz. Sie waren im Paradiese. Aber sie blieben nicht darin. Er war daraus fort. Sie schlief noch und wonnig eine Nacht darin, die ihr süßer, genügevoller Sinn bis tief in den Vormittag verlängerte. Da schlug sie die Augen auf. Sie streckte die Arme aus, als wolle sie Jemanden umfangen, und hielt sie so. Denn Niemand war da. Aber sie erblickte die goldenen Spangen daran wie Fesseln. Der Diamant des Traurings spielte einen matten blauen Strahl in ihr Auge. Auf der Lehne des grünen, mit goldenen verloren; sie hätte ihn nicht an die Heirath erinnern dürfen, auch wenn ein Mädchen sich für so werthlos halten könnte, es zu thun. Und so reis'te er denn bald. Am Abend der Abreise nahm er Abschied von seiner Liebend-Geliebten. Er brachte ihr schon die kostbaren Trauringe, er steckte ihr den mit seinem Namen schon an den Finger; sie trug ihn schon. Ihr weißer, voller Nacken war schon von dem herrlichen Perlenhalsband umschlungen, und das große Demantkreuz ruhte schon, oder wiegte sich schon auf ihrem Busen. Ihre reizenden Arme waren schon von den goldenen Spangen umarmt und umarmten den reizenden Bräutigam schon wieder: denn wer reizend ist und schenkt, reizt zehnfach. Das Brautkleid, das der Diener zugleich gebracht, hing schon entfaltet und bewundert über die Sammetlehne des Sessels. Ihre Augen leuchteten ihn an. Die seinen bestaunten wie schwelgend ihr schönes freudiges Antlitz. Sie waren im Paradiese. Aber sie blieben nicht darin. Er war daraus fort. Sie schlief noch und wonnig eine Nacht darin, die ihr süßer, genügevoller Sinn bis tief in den Vormittag verlängerte. Da schlug sie die Augen auf. Sie streckte die Arme aus, als wolle sie Jemanden umfangen, und hielt sie so. Denn Niemand war da. Aber sie erblickte die goldenen Spangen daran wie Fesseln. Der Diamant des Traurings spielte einen matten blauen Strahl in ihr Auge. Auf der Lehne des grünen, mit goldenen <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0040"/> verloren; sie hätte ihn nicht an die Heirath erinnern dürfen, auch wenn ein Mädchen sich für so werthlos halten könnte, es zu thun. Und so reis'te er denn bald.</p><lb/> <p>Am Abend der Abreise nahm er Abschied von seiner Liebend-Geliebten. Er brachte ihr schon die kostbaren Trauringe, er steckte ihr den mit seinem Namen schon an den Finger; sie trug ihn schon. Ihr weißer, voller Nacken war schon von dem herrlichen Perlenhalsband umschlungen, und das große Demantkreuz ruhte schon, oder wiegte sich schon auf ihrem Busen. Ihre reizenden Arme waren schon von den goldenen Spangen umarmt und umarmten den reizenden Bräutigam schon wieder: denn wer reizend ist und schenkt, reizt zehnfach. Das Brautkleid, das der Diener zugleich gebracht, hing schon entfaltet und bewundert über die Sammetlehne des Sessels. Ihre Augen leuchteten ihn an. Die seinen bestaunten wie schwelgend ihr schönes freudiges Antlitz. Sie waren im Paradiese.</p><lb/> <p>Aber sie blieben nicht darin.</p><lb/> <p>Er war daraus fort. Sie schlief noch und wonnig eine Nacht darin, die ihr süßer, genügevoller Sinn bis tief in den Vormittag verlängerte.</p><lb/> <p>Da schlug sie die Augen auf. Sie streckte die Arme aus, als wolle sie Jemanden umfangen, und hielt sie so. Denn Niemand war da. Aber sie erblickte die goldenen Spangen daran wie Fesseln. Der Diamant des Traurings spielte einen matten blauen Strahl in ihr Auge. Auf der Lehne des grünen, mit goldenen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0040]
verloren; sie hätte ihn nicht an die Heirath erinnern dürfen, auch wenn ein Mädchen sich für so werthlos halten könnte, es zu thun. Und so reis'te er denn bald.
Am Abend der Abreise nahm er Abschied von seiner Liebend-Geliebten. Er brachte ihr schon die kostbaren Trauringe, er steckte ihr den mit seinem Namen schon an den Finger; sie trug ihn schon. Ihr weißer, voller Nacken war schon von dem herrlichen Perlenhalsband umschlungen, und das große Demantkreuz ruhte schon, oder wiegte sich schon auf ihrem Busen. Ihre reizenden Arme waren schon von den goldenen Spangen umarmt und umarmten den reizenden Bräutigam schon wieder: denn wer reizend ist und schenkt, reizt zehnfach. Das Brautkleid, das der Diener zugleich gebracht, hing schon entfaltet und bewundert über die Sammetlehne des Sessels. Ihre Augen leuchteten ihn an. Die seinen bestaunten wie schwelgend ihr schönes freudiges Antlitz. Sie waren im Paradiese.
Aber sie blieben nicht darin.
Er war daraus fort. Sie schlief noch und wonnig eine Nacht darin, die ihr süßer, genügevoller Sinn bis tief in den Vormittag verlängerte.
Da schlug sie die Augen auf. Sie streckte die Arme aus, als wolle sie Jemanden umfangen, und hielt sie so. Denn Niemand war da. Aber sie erblickte die goldenen Spangen daran wie Fesseln. Der Diamant des Traurings spielte einen matten blauen Strahl in ihr Auge. Auf der Lehne des grünen, mit goldenen
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Zitationshilfe: | Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910/40>, abgerufen am 16.07.2024. |